PLACAR – Die letzte Plasmalampe
Zum Verständnis
Licht 3.0 wurde, wie in Kapitel „Licht 3.0 Licht aus Plasma“ beschrieben, von der Plasmalampe dominiert. Genauer gesagt, wurde die gesamte Ära von der Leuchtstofflampe geprägt, die eine Plasmalampe ist. Nicht nur in der Beleuchtung, aber insbesondere in der Architektur der Nichtwohngebäude. Als die Lichttechnik anfing, mit der Medizin zu flirten, weil diese nachgewiesen hatte, dass man mit künstlichem Licht die Hormone des Menschen steuern kann, war eine neue Lösung fällig. Denn die Vorstellung von Luckiesh, dass wir die Dienste der elektrischen Sonne, gesunde Strahlen Tag und Nacht spenden, jederzeit in Anspruch nehmen können, nur indem man den Schalter drückt, schien nicht mehr zu gelten. Der Glaube, den mittleren Sonnentag überall elektrisch erzeugen zu dürfen, wo man sich auch befindet und zu jeder Zeit, hatte Risse bekommen. Licht war nicht mehr zu jeder Tageszeit gut. Es konnte – zumindest theoretisch – sogar Krebs erzeugen. Praktisch aber konnte Licht zur falschen Zeit durchaus für einen schlechten Schlaf sorgen. Um das zu begründen, musste man nicht sehr viel forschen. Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) stufte die Schichtarbeit in der Nacht als „wahrscheinlich karzinogen“ ein und benannte als wesentlich ursächlichen Teilaspekt die Unterdrückung von Melatonin durch Licht.1Straif K, Baan R, Grosse Y et al. (2007). Carcinogenicity of shift-work, fire-fighting. Lancet Oncology 8:1065 - 1066.
Die theoretische Möglichkeit, durch Beleuchtung einen gesundheitlichen Schaden hervorrufen zu können, rief Ideen auf den Plan, eben dies zu verhindern. Zwar wird in der Medizin seit mindestens vier Jahrzehnten die Beziehung zwischen Licht und Krebs erforscht. Dies bezog sich aber weitgehend auf das natürliche Licht. Kurz gesagt, bestimmte Krebsarten kommen nördlich und südlich des Äquators mit zunehmender Entfernung zu den Tropen häufiger vor. Das Studieren geht sehr mühsam voran, weil das Land auf beiden Halbkugeln der Erde ungleichmäßig verteilt ist und die Menschen, die weit südlich und nördlich von der Mitte leben, unterschiedlichen Bedingungen ausgesetzt sind.
Beim künstlichem Licht scheint die Kausalkette relativ einfach: Licht in der Nacht verhindert die Melatoninausschüttung. Da Melatonin als „Krebszellenkiller“ gilt, bedeutet ein längerer Zeitraum mit weniger Melatonin im Blut als zu Zeiten ohne künstliches Licht eine größere Krebsgefahr. Da wir auf künstliches Licht nicht verzichten können oder wollen, kann die Lösung nur heißen, dass die Melatoninunterdrückung selbst unterdrückt wird.
PLACAR - Plasma LAmpen für CirCAdiane Rhythmen
Wie kann man sich abendliches Licht ohne einen Einfluss auf die Melatoninausschüttung vorstellen? Nach der gängigen Vorstellung wird diese durch den Blauanteil im Licht unterdrückt. Also muss die Beleuchtung nach Sonnenuntergang möglichst ohne einen Blauanteil auskommen. Die dafür geeignete Lampe, die gute alte Glühlampe, war zwar seit dem Ende der 19. Jahrhunderts vorhanden, aber bekanntermaßen nicht energieeffizient. Außerdem soll die Beleuchtung insbesondere am Vormittag möglichst viel Blau enthalten, damit die Wachsamkeit erhöht wird. Und nicht nur das, sie soll möglichst hell sein. Die Glühlampe kann weder das eine noch das andere. Ergo müsste man zwei Beleuchtungen installieren. Dies hört sich zwar sehr aufwändig an, wurde aber schon Jahrzehnte praktiziert. Viele Leute haben abends eine Tischleuchte betrieben und die sonstigen Lichter im Büro gedimmt oder ganz abgeschaltet. Diese Lösung widersprach aber den Vorstellungen der Industrie von einer Arbeitsbeleuchtung. Sie behauptete mehrere Jahrzehnte lang, Tischleuchten seien im Büro verboten. Insbesondere solche mit Glühlampen würden die Augen belasten, indem sie Zwielicht erzeugten.
So kamen große Unternehmen der Industrie wie Osram und Trilux auf die Idee, eine Lampe zu entwickeln, die sich der Tageszeit anpassen lässt. Zukunftsorientiertes künstliches Licht sollte so hinsichtlich des Spektrums auf das Wohlbefinden des Menschen abgestimmt werden. Diese konnte nur eine Plasmalampe sein. In einem Verbundprojekt gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMF) wurden verschiedene Lampen nach ihrer Eignung für eine positive circadiane Wirkung untersucht. Gesucht wurde nach einer „Morgenlampe“ und einer „Abendlampe“, die den natürlichen Rhythmus des Tages nachbilden sollten. Die Morgenlampe soll möglichst höhere Blauanteile im Spektrum haben, damit morgens die Lichtauswirkung auf das circadiane System besser ausgeschöpft werden kann und die Abendlampe soll möglichst geringe Blauanteile enthalten, damit sie den abendlichen Melatoninanstieg nicht stört.
Da man aber bestimmte Randbedingungen unverändert lassen wollte, z.B. sollte ein Farbwiedergabeindex von 80 und mehr eingehalten werden, waren die Forschenden nicht völlig frei in den Entscheidungen. Auch musste das Licht „weiß“ sein, weil eine Beleuchtung mit nicht-weißem Licht für übliche Arbeitsräume nicht als sinnvoll angesehen wird. Naturgemäß mussten auch bestimmte Qualitätskriterien für Leuchtmittel wie eine angemessene Lebensdauer und Konstanz der relevanten Werte innerhalb dieser eingehalten werden.
Als Projektpartner des Verbundprojekts (BMBF FKZ: 13N8968) werden genannt INP Greifswald Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V.; Narva GLE, Berlin; Schlaflabor der Charité, Berlin; Trilux, Arnsberg-Neheim-Hüsten.2Die spärlichen Berichte, die wir finden konnten, sind sehr salopp gehalten. So konnten die Kooperationen nur mühsam aus dem Text herausgelesen werden. Die Firma Trilux GmbH & Co. KG, Arnsberg wird einfach Trilux genannt, obwohl sie eine Firmengruppe mit weltweit 5000 Personen ist.
Ergebnisse des PLACAR-Projekts
Im Gegensatz zu der lautstarken Ankündigung des Projekts vor dessen Beginn lassen sich die finalen Ergebnisse nur mühsam auffinden. Der Schlussbericht des INP Greifswald (LEIBNIZ-INSTITUT FÜR PLASMAFORSCHUNG UND TECHNOLOGIE E.V.) beschreibt die Situation am Ende des Projekts so: „Projektabschluß (nach 36 Monaten): Es liegen mindestens je eine Variante von Hochdruck-Plasmalampen mit erhöhtem bzw. abgesenktem Blauanteil („Morgen- bzw. Abendlampe“) vor, die den herkömmlichen Lampen in ihren Farbwiedergabeeigenschaften und in der Lichtausbeute ebenbürtig ist …“ So ganz nach ebenbürtig sieht es nach den Angaben doch nicht aus. Die Abendlampe soll eine Natriumdampfhochdrucklampe (NATM) sein. Aber die einzig getestete Lampe mit dieser Bezeichnung hat eine Leistung von 150 W (Lichtstrom 9330 lm) und dürfte weder in Büros noch in Wohnräumen Verwendung finden, zumal ihre Farbwiedergabe mit 60 weit von der erforderlichen entfernt war. Die weiteren als Abendlampe getesteten Natriumdampflampen gibt INP mit 250 W (Lichtstrom 31770 lm) und 440 W (Lichtstrom 58700 lm) an. Nicht nur diese Leistungen sind jenseits von Gut und Böse, sondern die Farbwiedergabe mit 34. Mit solchen Lampen kann man vielleicht Autobahnen oder Lokschuppen beleuchten. Arbeitsräume oder Wohnzimmer sollte man besser nicht damit beleuchten wollen.
Der Projektpartner NARVA G.L.E., die die Lampe entwickeln sollte, gibt bereits bei dem leichten Teil der Aufgabe, der Entwicklung der Morgenlampe, an, dass die Aufgabe „weit unterschätzt“ wurde.3G.L.E GmbH Abschlussbericht Projekt FKZ 13N8971, ohne Datum, gezeichnet Dr. Agnes Deitmann, Themenleiter In einem Endbericht spricht man davon, dass die Sache gescheitert ist. Die Lampe, eine Metallhalogenidlampe4In dem Bericht wird eine Metallhalogenidlampe genannt. Diese Lampen hatten relativ hohe bis sehr hohe Leistungen und wurden für Film und Fernsehen eingesetzt. Welche Lampe hier entwickelt wurde, wird nicht angegeben. Es ist aber die Rede von einer 400W Lampe., würde zwar den Vorgaben für die Farbwiedergabe genügen. Allerdings wäre es sehr fraglich, ob irgend jemand sie eingesetzt hätte, denn es heißt „Nachteilig sind die starke Abnahme des Lichtstromes und ein Driften der Farbtemperatur von Blau zu Gelb bei längerer Brenndauer.“ So etwas fand man zur Zeit der Erfindung solcher Lampen vor 60 Jahren im Labor vielleicht lustig. Und der Prototyp würde weggelegt, um was Besseres zu entwickeln. Aber die GLE wollte nicht aufgeben „Versuche, über geometrische Veränderungen an den Elektroden, dieses Langzeitverhalten zu minimieren oder abzubauen, scheiterten. Auch nach dem Projektende wird diese Problematik weiter verfolgt.“ (Anm.: Auch im Jahr 2022 hatte die Narva G.L.E. kein solches Produkt. Ende 2022 war sie ganz verschwunden.)
Was für eine Lampe letztlich erprobt wurde, kann man nur erahnen. Vermutlich war sie eine 400 W Lampe. Lampen mit einer solchen Leistung sind für die Innenraumbeleuchtung etwa so geeignet wie ein Elefant zum Ziehen von Bollerwagen auf dem Kinderspielplatz. Metallhalogenidlampen mit kleinen Leistungen zu bauen, die stabil sind und ihre Farbtemperatur einhalten, ist meiner Erfahrung nach niemandem gelungen. Man kann sie in Bahnhofshallen oder Schwimmbädern sehen und erkennen, wie ihre Lichtfarbe unterschiedlich ausfällt. Dass die für PLACAR entwickelte Lampe für den Zweck ungeeignet war, liest sich im Bericht deutlich, auch wenn reichlich kunstvoll verklausuliert: „Die G.L.E. mbH kann auf eine „Abendlampe“ verweisen. Im Schlaflabor der Charité Berlin konnte nachgewiesen werden, dass deren Licht nicht zu einer Melatoninsupression führt, sondern der Melatoningehalt auch unter Lichteinwirkung weiter steigt. Die Zunahme wird allerdings abgemildert. Das kann auch durch die für Hochdruckentladungslampen typische hohe Beleuchtungsstärke verursacht werden.“
Es gibt aber keine typischen Beleuchtungsstärken für Hochdrucklampen, sondern Lampen zu hoher Lichtleistung für eine Beleuchtungsaufgabe.
Erst richtig problematisch wurde es mit der „Abendlampe“, eine Natriumdampfhochdrucklampe. Deren Farbwiedergabe musste so einfach von 20 auf 80 erhöht werden. Dazu musste der Außenkolben der Lampe beschichtet werden, wodurch allerdings zwei wichtige Eigenschaften in Mitleidenschaft gezogen wurden: sie führten zur Verringerung der Lichtausbeute und der Lebensdauer.
Wie man bei einer Natriumdampfhochdrucklampe eine gute Farbwiedergabe erzielt, ohne den Blauanteil im Licht zu erhöhen, wäre sehr interessant zu wissen. Zudem haben solche Lampen lange Anlaufzeiten bis etwa vier Minuten bedingt durch die Physik. Man stelle sich vor, dass man beim Eintreten in sein Wohnzimmer den Schalter drückt und vier Minuten wartet, bis sich das Licht bequemt, zu leuchten.
So ganz benutzerfreundlich fällt ihre Physik auch ansonsten nicht aus. Der Glaskolben wird etwa 300º heiß. Man darf also nicht in dessen Nähe kommen. Und eine abgeschaltete Lampe lässt sich nicht so schnell zum Leben erwecken. Es sei denn, man installiert Zündgeräte mit Spannungen über 30 kV. In vielen Lampen wird auch Natriumamalgam eingesetzt. Also eine Quecksilberverbindung …
Was übrig blieb von den einstigen Träumen …
PLACAR stand für „Plasma LAmpen für CirCAdiane Rhythmen. Diese Lampen sollten den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus unterstützen. Zu Beginn sah es sehr gut aus für das Vorhaben: „Ein Fernziel der PLACAR-Forscher ist es unter anderem die Voraussetzungen zu schaffen, um die derzeitigen Lichtquellen zumindest teilweise durch intelligente Lichtquellen bzw. Beleuchtungssysteme zu ersetzen, die in Abhängigkeit von der Tageszeit unterschiedliche Lichtspektren mitunterschiedlichen Intensitäten aussenden. Bereits zur Halbzeit, dem so genannten 1. Meilenstein, des dreijährigen Projektes konnten nun sehr gute Ergebnisse präsentiert werden.“5Bericht von scinexx @ abgerufen 22.10.2022
Der Bericht der G.L.E. endet dennoch mit dem Satz: „Erst bei den letzten, zeitaufwendigen Untersuchungen des Langzeitverhaltens wurden eine deutliche Lichtstromabnahme und eine Farbdrift von Blau zu Gelb bei der „Morgenlampe“ verzeichnet. Um dies noch korrigieren zu können und um mehr Sicherheit bei den Aussagen zum Langzeitverhalten der „Abendlampe“ zu erhalten, wurde die Bearbeitungszeit um 5 Monate verlängert.“ 6Abschlussbericht der G.L.E. mbH, Vorhabenbezeichnung: Plasma-Lampen für circadiane Rhythmen (PLACAR) Teilvorhaben: Hochdruckentladungslampen zur positiven Beeinflussung des circadianen Rhythmus, Laufzeit des Vorhabens: 01.04.2006 bis 31.08.2009 In Klartext: Die Lampe alterte zu schnell. Übrigens keine Seltenheit bei Leuchtmitteln, die Natrium enthalten, ein äußerst aggressives Element.7Vor 30 Jahren wurde eine Lampe ohne Elektroden entwickelt, die in einem elektromagnetischen Feld Licht erzeugte. Eigentlich eine ideale Konstellation. Ihr war kein langes Leben beschieden, weil sie mit Natrium arbeitete. Das Material, das das Leuchtmittel einschloss, erblindete zu schnell. Dass es bei einer Metallhalogenidlampe passiert, ist hingegen seltener. Aber die Beteiligten hätten gewarnt sein müssen, denn diese Lampen stellen die Entwickler vor hohe Anforderungen. Früher wurde sogar die Betriebslage exakt vorgegeben. Sonst neigte der Lichtbogen zu Instabilität. Beim ersten Großeinsatz dieser Lampen im Münchener Olympiastadion im Jahr 1972 gingen bei jedem Einschalten ein paar zu Bruch. Es wollte auch nicht gelingen, die Lichtfarbe einzuhalten. Man sieht bei den Scheinwerferbatterien deutlich, dass die benachbarten Lampen unterschiedliche Lichtfarben aufweisen.
Wenn man von allen Fehlern, die gemacht worden sind absieht, bleibt immer noch eine große Instinktlosigkeit übrig: Benutzung von Quecksilber im 21. Jahrhundert für neue Produkte, die zukunftsweisend sein wollen.
Das Projekt wurde in aller Stille begraben. Selbst wenn alle gesetzten Ziele erreicht worden wären, wäre es nie zu einer praktischen Umsetzung gekommen. Denn alle erprobten Objekte waren erstens schlecht steuerbar und zweitens nur mit relativ hohen Leistungen herstellbar, und daher für die Innenraumbeleuchtung ungeeignet. Man kann LED praktisch beliebig steuern und mit winzigen Abmessungen bauen, wenn es denn sein muss. Die Protagonisten hatten noch nicht gemerkt, dass Licht 4.0 schon längst begonnen hatte.