Das Phoebus-Kartell – Gerücht - Legende – Realität
Zum Thema
Die Geschichte dieses Kartells hört sich wie eine der urbanen Legenden an. Einige wenige Firmen der Welt gründen ein Kartell und verbieten allen die Verbesserung eines technischen Produktes. Und das ausgelegt auf 30 Jahre. Ginge es nur um Druckknöpfe oder Teesiebe, würde sich kaum jemand darüber aufregen. Es ging aber um Licht, und das zu Zeiten, als es sehr kostbar wie begehrt war. Und die Entwicklung der Leuchtmittel zu Beginn des Zeitalters der elektrischen Beleuchtung behindert zu haben wäre ein schwerer Vorwurf.
Für manche Beobachter handelt es sich um das erste Weltkartell der Wirtschaftsgeschichte. Dessen Name wurde ebenso mit Bedacht ausgewählt wie dessen Sitz. Phoebus (Phoibos) ist der Beiname von Apoll besser bekannt als Apollon, des Olympischen Gottes des Lichts und der Heilkunst. Der Name war Programm. Ging es einst nur um Licht, verschreibt sich die Branche seit dem Beginn des neuen Millenniums immer stärker der Heilkunst.1Die neue Ausrichtung der Lichtbranche in Richtung Heilkunst erfolgte nach der Entdeckung eines neuen Sensors im Auge, der die circadianen Rhythmen des menschlichen Körpers steuert. Allerdings darf man nicht vergessen, dass Licht bereits in der Antike zur Heilung benutzt wurde (Solarium). Elektrische Leuchtmittel wurden seit ihrer Erfindung auch für Heilungszwecke eingesetzt bzw. gezielt hierfür entwickelt. Somit wäre die Wahl des Namens nicht weniger als perfekt zu nennen und beinah prophetisch.
Das Kartell wurde in Genf gegründet als die Firma Phoebus S.A. Compagnie Industrielle pour le Développement de l’Éclairage. Die Wahl fiel auf eine Stadt in der Schweiz, weil dieser Staat keine Kartellgesetzgebung kannte, und weil es unwahrscheinlich schien, dass er in absehbarer Zeit eine entwickeln würde. Da es auch heute keine diesbezüglichen Bestrebungen gibt, war die Wahl sehr gelungen.
Wäre die Phoebus S.A. von diversen Investoren mit ähnlichen Zielsetzungen gegründet worden, wäre ihr Name mit Sicherheit schon längst in Vergessenheit geraten. Ebenso wie der Name eines Projektes, bei dem der Erfolg des Einsatzes von Licht gemessen werden sollte, das in demselben Zeitraum stattfand, das Hawthorne Projekt.2Das Hawthorne Projekt sollte als Teil der Studien zum Scientific Management den Einfluss der Lichtverhältnisse auf die Leistung von Industriearbeitern nachweisen. Der Nachweis misslang. Aus dem Projekt entwickelte sich der Begriff Hawthorne Effekt, der ein Jahrhundert danach immer noch für Gesprächsstoff sorgt. Joint ventures gibt es wie Sand am Meer, und viele Unternehmen, die ein Projekt nicht alleine stemmen könnten, schließen sich zusammen und bündeln so ihre Kräfte. Ob es sich bei Phoebus S.A. tatsächlich um ein Kartell gehandelt hat oder um ein Vorhaben zur Standardisierung zum Wohle des Verbrauchers, kann nur der beurteilen, der die Umstände kennt.
Phoebus wurde von führenden Glühlampenherstellern weltweit gegründet. Der Gründungsakt wird von dem wichtigsten Betreiber des Projekts, Osram, als Glühlampenweltvertrag bezeichnet. Ihr Ziel und ihr Wirken eignen sich hervorragend für Legendenbildung über ein schändliches Verhalten im kapitalistischen System. Ihre einstigen Gründer wie die Firma Osram sehen darin aber einen Normungsprozess, der dem Verbraucher gedient habe.3Ein typisches Beispiel für die Verteidigung der Idee des Phoebus-Kartells, eine Kosten-Nutzen-Rechnung von Osram, aufgerufen am 21.02.2022 @ „Eine in den 1920er Jahren erfolgte Standardisierung von Glühlampen vor dem Hintergrund der damaligen Strom- und Lampenpreise war somit auch im Interesse des Verbrauchers. Die Festlegung auf eine Standardlebensdauer von 1000 Stunden verhinderte ein ständiges gegenseitiges Übertrumpfen der Hersteller mit immer längerer Lebensdauer, welches dem Verbraucher am Ende immer ineffizientere Glühlampen und höhere Gesamtkosten für Licht beschert hätte.“ Das Kartell habe die Lebensdauer der Glühlampe, genauer gesagt der Allgebrauchslampe, standardisiert. Dies könnte, positiv betrachtet, tatsächlich Sinn für den Verbraucher machen, denn er wüsste beim Kauf des Produkts über dessen Lebensdauer Bescheid. Kein kleiner Vorteil, wenn man bedenkt, dass die Beschaffung einer Glühlampe ordentlich Geld kostete. Negativ gesehen, stellt das Vorgehen ein gutes Beispiel für die geplante Obsoleszenz4Obsoleszenz bedeutet Veralten. Sie gehört somit zu den wichtigsten, wenn auch unangenehmen, Eigenschaften der Technik. Jede Technik „veraltet“, d.h., sie entspricht nicht mehr dem Stand der Technik. Entsteht diese durch die begrenzte Haltbarkeit technischer Bauteile und den Wandel von Mode oder technischem Fortschritt, wird sie als üblich akzeptiert. Wird dieser Prozess durch die Hersteller aus marktstrategischen Gründen bewusst herbeigeführt, spricht man von geplanter Obsoleszenz. Der Begriff wurde zuerst in der Automobilindustrie gebraucht, als die Firma General Motors durch schnelle Modellwechsel ein möglichst hohes Absatzvolumen zu erreichen wollte. Die Haltbarkeit sollte künstlich verringert werden, damit die Kunden neuere Modelle kaufen. Hiervon zu unterscheiden ist die Planung einer sinnvollen Lebensdauer von Komponenten, die technisch oder wirtschaftlich motiviert ist. So wurden z.B. bei früheren Autos die Getriebe so berechnet, dass der erste Gang nur wenige Betriebsstunden halten würde. Hingegen war der höchste Gang für eine möglichste lange Betriebsdauer ausgelegt. dar. Diese gilt als ein hinterhältiger Trick der Industrie, sich einen Absatzmarkt zu halten, der bei einer unbegrenzter Lebensdauer eines gekauften Produkts langsam aber sicher versiegen würde.
Aber auch das Gegenteil wird behauptet, nämlich, dass die Obsoleszenz-Theorie selbst eine Verschwörung sei.5Markus Krajewski: Fehler-Planungen. In: Technikgeschichte. Band 81, Nr. 1, 2014, S. 95. Der Artikel untersucht den Zusammenhang von industrieller Produktion und künstlicher Begrenzung der Lebensdauer von Produkten, besser bekannt unter dem Begriff der geplanten Obsoleszenz. Am Beispiel der Glühlampe geht es in dieser diskursanalytischen Untersuchung erstens darum, die Schwierigkeiten, das Ableben einer Technik gezielt in der Produktion festzulegen, mit den ökonomischen Kontexten und Vorstellungen der Zeit in Verbindung zu bringen, in denen ein neues Produktions- und Verwertungsparadigma formuliert wird. Was auch immer behauptet wird, das Thema ist schwer verfrachtet mit negativ belasteten Begriffen. Bereits die Bezeichnung Kartell ist ein solcher, und kochte zumindest in Deutschland hoch, als sich die DDR auflöste. Ihre Industrie, darunter auch der Lampenhersteller Narva, wurde weitgehend liquidiert. Deren Auflösung sowie der Unfalltod des Berliner Erfinders Dieter Binninger, der eine Glühlampe mit einer besonders langen Lebensdauer, die Langlebensdauerglühlampe, hatte sich patentieren lassen, fachten die Diskussionen an. Dazu sollten sich noch die Diskussionen um das Glühlampenverbot der EU gesellen. Auch hier ging es um die Lebensdauer – der Glühlampe und ihres Nachfolgers, der Energiesparlampe, auch Kompaktleuchtstofflampe genannt. Ihre „Öko-Bilanzen, die man aber wohl so gut versteckt haben muss, weil sie niemand sehen konnte, sprachen von 10.000 h Lebensdauer. Irgendwie erstaunlich genau, weil es zu diesem Zeitpunkt drei Formeln für die Bestimmung der Lebensdauer gab, alle drei von Herstellern, aber unterschiedlich. Von unterschiedlichen Ergebnissen zur Lebensdauer desselben Produkts wurde aber nicht berichtet. Alle, Fachleute wie Politiker, sprachen von 10.000 Stunden.
Die Lebensdauer eines Leuchtmittels ist nicht irgend ein technischer Parameter wie seine Länge oder Breite, auch nicht etwas „leicht“ Messbares wie die Leistung eines Automotors. In diesem Fall kann man bereits ein schicksalhaftes Politikum der Industriegeschichte ausmachen. Denn sie wird zwar mit technischen Mitteln gemessen, die Art der Messung wurde aber (industrie)politisch bestimmt. Traditionell wurde die Leistung eines Autos aus den USA mit abgetrennten Zusatzaggregaten wie Lüfter oder Lichtmaschine gemessen. Dies kann man als berechtigt, oder gar sinnvoll, ansehen, denn man könnte ja dasselbe Auto mit unterschiedlichen Lichtmaschinen ausstatten. Das wird sogar tatsächlich praktiziert, z.B. bei Autos für Campingbetrieb. Soweit, so gut. Diese Betrachtungsweise hinderte allerdings die Ingenieure daran, zu erkennen, dass der Lüfter bei Höchstgeschwindigkeit etwa 5% der Motorleistung schluckte. Dieser hat aber bei der genannten Geschwindigkeit keinerlei Funktion, und man stellte in den 1960er Jahren fest, dass der Lüfter nur selten in Aktion treten muss, wenn überhaupt. Nur kurz danach entstanden Autos, deren Lüfter nicht mehr mit dem Motor zwangsweise verbunden war. Dadurch wurde nicht nur Treibstoff gespart, sondern auch die Betriebssicherheit erhöht, weil der Lüfter durch einen anfälligen Keilriemen angetrieben wurde. Der Lüfter war also etwa 95% der Betriebszeit ohne Funktion, eher dysfunktional. Fiel der Keilriemen aus, verabschiedete sich der Motor kurz danach, wenn der Keilriemen noch andere Aggregate antrieb.
Bei der Lebenszeit eines Leuchtmittels sind die Verhältnisse ungleich komplizierter, da mit ihr auch die Qualität des Ergebnisses, nämlich die Menge des erzeugten Lichts sowie dessen Beschaffenheit, Spektrum, Lichtstrom, Leuchtdichte verbunden ist. Zu guter Letzt hängt mit der Lebenszeit auch die Wirtschaftlichkeit der Lichterzeugung entscheidend zusammen. Daher gehört zum Verständnis des Themas eine genaue Durchleuchtung aller verbundenen Begriffe und Vorgänge.
Hier wurde ein Wort, Lebenszeit, absichtlich verwendet, das kein Fachbegriff ist. Der einfache Grund hierfür ist die Mehrdeutigkeit des allgemein genutzten Fachbegriffes, Lebensdauer. Der Laie würde darunter ohne weitere Erklärung die Zeitspanne verstehen, über die die Lampe Licht abgibt. Das ist aber bei keinem technischen Leuchtmittel der Fall. Bei Glühlampen wird die Lebensdauer anders bestimmt als bei Leuchtstofflampen. Bei den LEDs ist die Angelegenheit nicht nur komplexer, sondern echt kompliziert.
Weder der Laie, noch der Fachmann, z.B. der Lichtplaner, haben eine Möglichkeit, die Lebensdauer eines Leuchtmittels zuverlässig zu bestimmen. Früher haben Großverbraucher wie die Deutsche Bundespost oder die Deutsche Bundesbahn Labors zu deren Bestimmung betrieben. Um herauszufinden, wie die Hersteller von Leuchtmitteln zu ihren Ergebnissen kommen, muss man lange recherchieren. Ein Erfolg ist nicht immer garantiert, wenn überhaupt.
Zum Begriff Kartell
Der Begriff Kartell blickt auf eine lange Historie zurück und gelangte aus dem Italienischen ins Französische und bedeutete einstmals „Vertrag zwischen kriegführenden Mächten wegen Auslieferung der Gefangenen, auch wegen Fortsetzung des Handels“, zweitens aber eine „(schriftliche) Herausforderung (zum Duell)“.6Aus dem Hausmeisterblog des Tageszeitung @ abgerufen 23.08.2021 Der ökonomische Begriff des Kartells enstand im Zuge der Industrialisierung. Anlass waren Übernahmen von Industrieunternehmungen zwecks Wirtschaftlichkeit oder Monopolbildung. Kartelle sind „Verbände zwischen selbständig bleibenden Unternehmern derselben Art zum Zwecke monopolistischer Beherrschung des Marktes“.7Liefmann, R. Kartelle, Konzerne und Trusts, Stuttgart, 1927 Diese in den 1930ern entstandene Bedeutung vom Duden angegeben: „Zusammenschluss von Unternehmen, die rechtlich und wirtschaftlich weitgehend selbstständig bleiben, aber durch Preisabsprachen o. Ä. den Wettbewerb ausschalten.“8Aus Duden @ abgerufen 23.08.2021 Der Begriff erlebte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts häufige Wandlungen seiner Bedeutung. Die hier angeführte Lesart ist die rechtliche Begründung der Kartellgesetzgebung.
In ähnlichem Sinne wie Kartelle entstanden sog. Trusts, die sich durch vollkommen aufzugebende Unabhängigkeit der Partner, demzufolge straffere Verwaltung und Produktion sowie gemeinsame Finanzen auszeichnen. Ein heute häufig i.S. von verbrecherischen Vereinigungen verwendeter Begriff ist Syndikat. Syndikate sind eine Art Kartell, bei dem die Mitglieder ihre Erzeugnisse über eine gemeinsame Verkaufsorganisation absetzen müssen. Aber auch Vereinigungen von Arbeitsnehmern, Gewerkschaften, können in anderen Ländern als Syndikat bezeichnet werden. Tierzüchter bilden Syndikate, um sich das Risiko zu teilen, das man beim Kauf teurer Zuchttiere eingehen muss.
Die Staaten reagierten unterschiedlich auf die Entstehung und das Wirken von Kartellen. Allgemein galten Kartelle als unerwünscht i.S. des freien Wettbewerbs. Kartellverbote unterschiedlicher Prägung durchziehen die gesamte Wirtschaftsgeschichte. Sie waren mehr oder weniger erfolgreich. Als Kartellverbot wird im Kartellrecht das Verbot von wettbewerbsbeschränkenden Absprachen oder Vereinbarungen zwischen konkurrierenden Unternehmen bezeichnet.
In Deutschland bestimmt das Vorgehen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), das bereits im §1 deutlich macht, worum es beim Kartellverbot geht: „Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.“ Weniger deutlich wird es indes, wenn man hinterfragt, was „Unternehmen“ oder „Unternehmensvereinigungen“ sind. Hat ein Unternehmen, das einen Konkurrenten erwirbt, damit das Kartellgesetz umgangen? Verstoßen Industrieverbände, die Vereinbarungen zwischen ihren Mitgliedern treffen, gegen das Gesetz? Solche Fragen lassen sich nicht allgemein beantworten. Sie werden bei Bedarf von den zuständigen Behörden, in der BRD durch das Bundeskartellamt, im Einzelfall geprüft, wenn z.B. ein Zusammenschluss von Unternehmen wesentliche Auswirkungen auf den Wettbewerb vermuten lässt. Bei international agierenden Unternehmen findet eine kartellrechtliche Prüfung auch durch ein Land statt, in dem weder das eine noch das andere Unternehmen ansässig ist, die zusammengehen wollen.
Zum Begriff Standardisierung
Die Standardisierung erfolgt immer über Absprachen, wie man sie auch bei einer Kartellbildung treffen könnte. Der wesentliche Unterschied besteht aber darin, das die Standardisierung entweder öffentlich kontrollierbar abläuft oder unter der Kontrolle von höheren Gremien stattfindet. So findet beispielsweise im Telekommunikationswesen eine Standardisierung seit über einem Jahrhundert statt. Das zuständige Gremium, CCITT bzw. Comité Consultatif International Télégraphique et Téléphonique, geht in ihren Ursprüngen auf das Jahr 1865 zurück. Die Teilnehmer waren früher meist staatliche Organisationen wie das Deutsche Bundesministerium für Post und Telekommunikation. Das Komitee nennt sich heute ITU-T (Internationale Fernmeldeunion) und erstellt technische Normen, Standards oder Empfehlungen für die Gebiete der Telekommunikation.
Die Bedeutung von solchen Vorgehen für die Entwicklung großer Projekte kann kaum richtig abgeschätzt werden. So wurden bereits in den 1920er Jahren Festlegungen für das internationale Fernwählnetz der Telefonie getroffen, die heute noch gültig sind. Hierdurch wurde es möglich, ein relativ kleines bescheidenes Netz zum größten Automaten seiner Zeit auszubauen. Noch gewaltiger fiel die Wirkung einer Standardisierung aus, die eher aus Not geboren war. Das Projekt GSM (Global System for Mobile Communications) sollte u.a. dafür sorgen, dass in Europa nicht jeder Bürger an jeder Grenze seine Zugangsdaten für den Mobilfunk ändern muss. Eine solche Sorge war den USA erspart geblieben, weil das Land keine politischen Grenzen kennt. Dort waren Mobilfunkgeräte nur mit dem Mobilfunkanbieter nutzbar, bei dem sie gekauft wurden. GSM führte die sog. SIM-Karte ein (Subscriber Identity Module), mit der sich der Nutzer gegenüber der Basisstation identifizieren und im Mobilfunknetz einbuchen kann. Daher ist es möglich, beim Wechsel des Mobilfunkanbieters sein Gerät zu behalten und nur die SIM-Karte zu wechseln. Was sich so einfach beschreiben lässt, führte dazu, dass der für Europa erstellte Standard bald in mehr als 200 Staaten akzeptiert wurde. Die US-amerikanischen Standards hingegen wurden nur im Heimatland und in Japan eingesetzt. Das in 1991 eingeführte GSM wurde in 2006 von 1,7 Milliarden Menschen benutzt.9Mehr zu GSM-Standards und deren Weiterentwicklungen hier @ oder da @
Die Standardisierung zu Energieeffizienz von Gebäuden, die Normenreihe DIN V 18599 mit 12 Teilen, wurde im Auftrag des Staates entwickelt und durch diesen in Verordnungen zitiert. Somit stellt diese Standardisierung eine erwünschte Hilfe für den Gesetzgeber dar. Dieser muss nicht bei jeder Änderung der Anforderungen ein Gesetzgebungsverfahren einleiten und durchführen.
In der BRD erstellen ca. 150 Organisationen „Standards“, d.h. Dokumente normativer Art. Die meisten hiervon sind weithin unbekannt und wirken auf Spezialgebieten im Auftrag verschiedener Stellen. Die für die Allgemeinheit wichtigsten „Standards“ werden in Deutschland von DIN (Deutsches Institut für Normung e.V.), dem VDI (Verein Deutscher Ingenieure e.V.) und dem VDE (Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V.) erstellt. Diese Institutionen sind „privat“, d.h. sie unterstehen niemandem. Und sie sind sehr alt gemessen am Alter des Staates. Die älteste der drei Institutionen, der VDI, wurde in 1856 gegründet. Technikbedingt viel jünger ist der VDE mit dem Gründungsjahr 1893. Sie konnte ja erst gegründet werden, nachdem sich die Elektrotechnik formiert hatte. Sehr viel jünger, aber immer noch älter als 100 Jahre ist das DIN, das 1917 als der „Normenausschuß der Deutschen Industrie“ gegründet wurde.
Die Vertriebsorganisation vom DIN, der Beuth-Verlag (seit dem 22. April 2024 offiziell DIN Media GmbH), vertreibt laut eigener Aussage „Normen und technische Regeln nationaler Regelsetzer“ , deren Zahl ca. 50 beträgt. Diese reichen von FGK-Richtlinien der Fachgruppe Kühlmöbel bis zu Publikationen von Ministerien bzw. des Staates.
Im Gegensatz zu einer Kartellbildung, bei der die Teilnehmer Absprachen untereinander treffen, die ihren Interessen entsprechen, wird bei der Normung eine Konsensbildung angestrebt. Hierzu sollen die Normenausschüsse die relevanten Interessengruppen abbilden. Bei DIN wird dies bei jedem Ausschuss regelmäßig geprüft. Da bei Licht die interessierten Kreise praktisch die ganze Gesellschaft umfassen, wurde bei der Erstellung der ersten Beleuchtungsnorm, DIN 5035:1935, besonders darauf geachtet, dass alle interessierten Kreise und die Öffentlichkeit mit einbezogen wurden. Noch heute kann „Jedermann das Einleiten von Normungsarbeiten [zu einem Thema] beantragen.“10DIN 820 Normungsarbeit – Grundsätze, 1994, 5.1 Dieser Grundsatz wurde in der letzten Fassung der zuständigen Norm nur verbal modernisiert: „7.1 Jeder hat das Recht das Einleiten von Normungsarbeiten zu beantragen.“11DIN 820 Normungsarbeit - Teil 1: Grundsätze, 2014-06 Bemerkenswert ist dies, weil sich die Normung zwischen dem ersten Zitat und dem zweiten von fast 100 % national zu fast 100% international geändert hat.
Der Begriff Standard ist gemessen am Begriff Norm weniger gut abgegrenzt. Das hängt damit zusammen, dass die amerikanische Sprache dasselbe Wort benutzt wie die deutsche, aber in anderer Bedeutung. Um die Sache noch komplizierter zu machen, betreiben große Betriebe eine innerbetriebliche „Normung“, bei der sie interne Standards oder externe Normen benutzen.
In etwa in der amerikanischen Bedeutung des Wortes ist „Standard“, was weitgehend üblich ist wie die Zahl vier für die Räder eines Autos. Die Bezeichnung „C“ für die Festplatte eines Computers ist ebenso wie die Bezeichnungen von Auflösungen von Bildschirmen (VGA (Video Graphics Array - Bildschirmauflösung 640 x 480 Pixel, Seitenverhältnis 4:3 - bis 16K QUHD (16k Quad Ultra High Definition - Bildschirmauflösung 15360 x 8640 Pixel, Seitenverhältnis 16:9) ein Standard. Wer wann welche Standards gesetzt hat, ist häufig nicht bekannt. Sie werden häufig auch als „Industriestandard“ bezeichnet.
Manche normativen Werke sind äußerst langlebig. Beispielsweise wurden die Maßeinheiten Meter, Sekunde oder Kilogramm im Jahre 1925 mit der Norm DIN 1301 „Einheiten - Teil 1: Einheitennamen, Einheitenzeichen“ genormt. Industriestandards, die eigentlich nur für eine gewisse Zeit gesetzt werden, können aber auch ähnliche Lebensdauern erreichen wie SQL (Datenbankabfrage) aus den 1970ern.
Interessierte Kreise können Maßnahmen ergreifen, um einen bestimmten Standard zu fördern oder einen anderen Standard zurückzudrängen. Solche Auseinandersetzungen nennt man Formatkrieg. Hiervon der erste wurde auf dem Gebiet ausgetragen, das durch die Glühlampe entstanden ist (s. Stromkrieg oder „War of currents“). Im deutschen Sprachgebrauch ist in den letzten Jahren eine Begriffsverwirrung eingetreten, indem „Standard“ analog dem englischen Begriff standard auch für Normen verwendet wird. Im Gebrauch von DIN spricht man von einer Norm, wenn ein Dokument alle vorgesehenen Entwicklungsstufen durchläuft und am Ende Konsens findet. Ein Standard ist in diesem Sinne eine Übereinkunft, ohne dass sie notwendigerweise einen Konsens erzielt haben muss.
Wie man eine Übereinkunft auch bezeichnen mag, sie erhält ihre Legitimation durch die Art ihrer Entstehung und durch die gesellschaftliche Anerkennung. So ist das DIN durch einen Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland die nationale Normungsorganisation. Bestimmte Regelwerke, die andere Organisationen wie z.B. der VDI erstellen, werden durch das DIN formal übernommen unter dem Titel DIN VDI XYZ. Andere werden durch Gemeinschaftsausschüsse erarbeitet. Allerdings gibt es große Unterschiede in der Entstehung eines normativen Werkes12KANBrief 2/10 VDI und DIN – Nur ein kleiner Unterschied für den Arbeitsschutz? @ abgerufen 28. August 2021: „Zwar werden beide nach festen Regeln erarbeitet, allerdings stellt die mehrteilige Normenreihe DIN 820 wesentlich detailliertere Anforderungen an das Normungsverfahren, als es die 16-seitige VDI 1000 (DIN 820 ff zur Normungsarbeit) für das Richtlinienverfahren vermag.“
Die nationale Normung, die von DIN und anderen Organisationen betrieben werden, ist seit langem gegenüber internationalen Vorhaben weitgehend in den Hintergrund gerückt. Ein mächtiger Impuls hierzu kam von der Normung zur „Maschinensicherheit“. Diese begann in den 1980er Jahren als Neues Konzept (New Approach) für die Produktregulierung und das Gesamtkonzept für die Konformitätsbewertung der Europäischen Union. Ziel war die technische Harmonisierung der nationalen gesetzlichen Vorschriften für bestimmte Produktgruppen und dem Abbau von Handelshemmnissen innerhalb des Europäischen Binnenmarktes. In den Jahrzehnten zuvor wurde die nationale Normung nicht selten zur Errichtung von Handelshemmnissen missbraucht, bzw. sie führte zu ungewollten Handelshemmnissen. Für den angestrebten Europäischen Binnenmarkt musste unterschiedliche Normung hingegen beseitigt werden.
Die für den Zweck der Schaffung eines harmonisierten Binnenmarktes erstellten Normen haben auch das Interesse großer Handelspartner wie die USA und Japan geweckt. Diese wirkten und wirken mit.
Während diese Normungsaktivitäten weitgehend von der europäischen Normungsorganisation CEN durchgeführt wurden, ist die Bedeutung von ISO (International Standards Organisation) stetig gewachsen. ISO ist Teil von WCS (World Standards Cooperation). Sie erarbeitet internationale Normen mit Ausnahme von Elektrik und Elektronik, für die die Internationale elektrotechnische Kommission (IEC) zuständig ist, und mit Ausnahme der Telekommunikation, die die Internationale Fernmeldeunion (ITU) bearbeitet. Da aber praktisch alle Produkte und Einrichtungen der Telekommunikation elektrische oder elektronische Einheiten sind, wie übrigens die meisten von der ISO genormten Produkte, ist eine eindeutige Zuordnung zu einem Bereich nie gegeben. Aus diesem Grunde gibt es eine umfangreiche Zusammenarbeit zwischen den Organisationen, die sich auch in den Titeln der Normen spiegeln. So werden Computertastaturen in ISO/IEC 9995 genormt mit Ausnahme der ergonomischen Eigenschaften, die in der Normenreihe ISO 9241-400 behandelt werden.
Licht gehörte viele Jahrzehnte lang zum Bereich Elektrotechnik und wurde von IEC genormt. Bestimmte Aspekte grundsätzlicher Art wurden schon frühzeitig von der CIE (Internationale Beleuchtungskommission) als Teil von IEC wahrgenommen. Eine Trennung von IEC erfolgte erst Anfang der 1990er Jahre. Da die Sachgebiete aber sehr ineinander greifen, ist die Trennung nicht vollständig.13Memorandum of understanding between the International Commission on Illumination (CIE), the International Electrotechnical Commission (IEC) and the International Organisation for Standardization (ISO) Bereits die wenigen Jahre der formalen Trennung führten aber dazu, dass das gemeinsame Werk „Wörterbuch der Beleuchtungstechnik“ auseinanderlief, und das gerade beim Aufstieg der LED-Technologie. So musste die Beleuchtungsterminologie komplett überarbeitet werden.14@ abgerufen 17. Februar 2022 @ abgerufen 17. Februar 2022 (englische Version)
Die CIE war 1913 aus der Commission Internationale de Photométrie hervorgegangen. Bereits sehr früh in 1924 waren wichtige Sachverhalte wie der „schwarze Körper“ als Strahlungsquelle und ein Wert für die „Helligkeit“15Helligkeit ist eine Empfindung, die zwar mit der Leuchtdichte zusammen hängt, aber nicht durch sie beschrieben wird. Die Leuchtdichte, wie auch die weiteren Grundgrößen – Beleuchtungsstärke, Lichtstärke, Lichtstrom – ist keine empfindungsgemäße Größe. Alle entsprechen physikalischen Größen, die man mit der V(λ)-Funktion bewertet., ab dann Leuchtdichte, festgelegt worden. Aus späterer Sicht am bedeutsamsten war die Festlegung der V(λ)-Kurve für die Messung der Hellempfindlichkeitswirkung der Strahlung. Diese begrenzt „Licht“ auf die Anteile der Strahlung, die beim direkten Auftreffen auf die Netzhaut eine Hellempfindung hervorrufen. Dies lässt die Wirkung von UV über die optischen Aufheller („Weißmacher“) außer Betracht, die für das Erscheinungsbild von vielen Gebrauchsgegenständen von Textilien bis Papier sehr wichtig ist.
Auch 1924 wurde das Wörterbuch der Beleuchtungstechnik beschlossen, das eine große normative Wirkung ausübt. CIE kontrolliert damit den Gebrauch von Fachbegriffen in ihrem Sinne. Das Besondere an diesem Wörterbuch war die Mehrsprachigkeit. Dadurch dass von jedem Land, dessen Sprache benutzt wurde, ein Mitglied in das vorbereitende Gremium eingeladen wurde, sorgte man dafür, dass bei Übersetzungen stets das richtige Gegenstück benutzt wurde. Heute fast 100 Jahre danach stellen fehlerhafte Übersetzungen von Normen und Regelwerken eine ernstzunehmende Fehlerquelle dar.
Typische Bestimmungen von Beleuchtungsnormen von heute, Minimalwerte der Beleuchtungsstärke für unterschiedliche Tätigkeiten, Blendungsbegrenzung und Notbeleuchtung wurden bereits frühzeitig formuliert.16CIE – History of the CIE 1913 - 1988 @ Somit wurde auf dem Gebiet der Lichtanwendung eine umfassende Standardisierung bis hin zum Sprachgebrauch der wichtigen Begriffe bereits zu Beginn international beschlossen und ausgeführt. Später in 1948 wurde die Candela international als eine der sieben SI-Basisgrößen (metrisches Einheitensystem) festgelegt.
Festlegungen des Phoebus-Kartells
Die bekannteste Festlegung der Firma Phoebus S.A. betraf die Lebensdauer der Glühlampe mit 1.000 h. Dass eine solche Festlegung getroffen wurde, ist nicht umstritten. Technikstudenten lernen seit jeher, dass die 1.000 h ein Optimum errechnet aus dem erzeugten Licht und dem Aufwand (Herstellkosten der Lampe, Energiekosten, Kosten des Lampenwechsels u.ä.) wäre. In den meisten Veröffentlichungen wird die Festlegung der Lebensdauer der Glühlampe mit 1.000 h als Fakt angegeben.
Eine solche Festlegung könnte auch heute beispielsweise in einem Industriestandard erfolgen. Allerdings muss niemand einen Industriestandard einhalten, nicht einmal die Akteure, die ihn beschlossen haben. Jeder Hersteller kann eine „Standard“lampe anbieten, und daneben viele Produkte, die den Standard übertreffen. Bei Autos heißt so etwas „Basismodell“. Wem dies genügt, spart viel Geld. Bei anderen Produkten spricht man eher von „Classic“ (Marketingsprech). Wer Gründe für die Wahl von einer Classic-Ausführung hat, ist damit bestens aufgehoben. Bei Softwareprodukten spart man damit nicht nur Geld, sondern ggf. viel Ärger, weil die Benutzung häufig einfacher ist. Allerdings muss man später wahrscheinlich eine sehr große Umstellung vornehmen.
Im Unterschied zu anderen Vereinigungen der Wirtschaft hat Phoebus17Straftabelle des Phoebus Kartells für Mitglieder. Es werden auch die „Vorstrafen“ aufgeführt. Abgerufen 17 Februar 2022 @ allerdings die Hersteller gezwungen, die Lebensdauer ihrer Produkte zu reduzieren. Die Nichteinhaltung war sanktionsbewehrt. Je nach Quelle ist die Rede von einer Absenkung von 2.000 h oder 2.500 h auf 1.000. Kritiker werten dies als geplante Obsoleszenz. Man kann aber in Anbetracht der Problematik der Lebensdauer von Lampen auch von einer Verhinderung vom unlauteren Wettbewerb sprechen. So kann man nämlich ein und dieselbe Lampe durch Regeln des Stroms von nur wenigen Stunden bis mehrere tausend Stunden betreiben.18Die Lebensdauer einer Glühlampe und ihre Lichtausbeute hängen sehr eng zusammen. Bei einer Erhöhung der Betriebsspannung verkürzt sich die Lebensdauer mit der vierten Potenz der Spannung. Gleichzeitig ändern sich wichtige Parameter wie Spektrum, Leuchtdichte, Lichtstrom u.ä. Das Licht einer Lampe, die bei einer Temperatur von 1500 K betrieben wird, besteht fast nur aus Wärmestrahlung, bei etwa 2700 K erzeugt sie hinreichend viel Licht (etwa 12 lm/W). Man kann die Temperatur bis in die Nähe der Schmelztemperatur von Wolfram, 3422 ºC, steigern, und somit die Lichtausbeute auf etwa 34 lm/W. Dann lebt die Lampe allerdings nur wenige Stunden. Wenn man die Betriebsspannung einer Glühlampe nur um 20% erhöht, verdoppelt sich der Lichtstrom, und die Lebensdauer reduziert sich um 95%. Dies wurde technisch häufig ausgenutzt. So wurden Lampen für Projektionszwecke für sehr kurze Lebensdauern von 50 h und ähnlich ausgelegt, während Lampen für Signalanwendungen für 8.000 oder gar 14.000 h gebaut wurden.
Dass sich ein unlauterer Wettbewerb bei solchen enormen Spannweiten entwickeln kann, ist nicht reine Theorie, zumal niemand die Lebensdauer einer Lampe tatsächlich bestimmen kann (s. Formeln für die Lebensdauer von Lampen in „Angaben für die Lebensdauer von Leuchtmitteln“). Ganz zu schweigen von einer präzisen Messung lichttechnischer Größen. Licht genauer zu messen, ist erst in den 1970er Jahren gelungen, also etwa 50 Jahren nach dem Geburtsdatum des Phoebus-Kartells. Wer das Messwesen aus anderen Bereichen kennt, wird sich nicht selten wundern, wie ungenau lichttechnische Messungen sind. Für Kenner der Materie ist es allerdings nicht verwunderlich, dass sich die Genauigkeit der Messtechniken immer an dem Bedarf richtet. So gibt es Waagen für Gewicht von Feinwaagen (Eichwert 0,001 g) bis zur Grobwaage für beladene LKW und mehr. Bei physikalischen Größen wie Licht und Schall kommt hinzu, dass sich die Messwerte über viele Zehnerpotenzen erstrecken können. So unterscheiden sich die Leuchtdichten, die ein Mensch binnen 24 Stunden sehen kann, von 0,001 cd/m2 (Nachthimmel) bis 1.600.000.000 cd/m2 (Mittagssonne). Dementsprechend ungenau scheinen Lichtmessgeräte. Schallmessgeräte sind sogar noch ungenauer. Die besten können ± 1,9 dB genau messen, wobei 3 dB eine Verdoppelung der Schallenergie ist. Bei der Messung von Lichtgrößen kommt hinzu, dass bereits die Messung des Normals (Lichtstärkenormal) einen Fehler von ± 0,5 % aufwies. Dieses existierte aber zur Zeit der Gründung des Phoebus Kartells nicht.
Das Phoebus-Kartell gilt als eines der ersten globalen Kartelle.19Günther Luxbacher Massenproduktion im globalen Kartell - Glühlampen, Radioröhren und die Rationalisierung der Elektroindustrie bis 1945 ISBN 978-3-928186-68-1 Dieses wird als ein Gebiets-, Normen- und Typenkartell bezeichnet.20Technological roulette – a multi-disciplinary study of the dynamics of innovation in electrical, electronic and communications engineering; The Phoebus Organisation @ Es zielte auf eine Aufteilung des Gebiets und auf die gleiche Anwendung von Normen. Ein Typenkartell ist „ein vertraglicher Zusammenschluss von Unternehmen gleicher Produktions- oder Handelsstufe, bei dem die beteiligten Unternehmen die Anwendung von einheitlichen Normen (z. B. die Verwendung genormter Schrauben oder genormter Radgrößen) vereinbaren.“ Typenkartelle „stellen für die beteiligten Unternehmen sinnvolle Rationalisierungsmaßnahmen dar (technisch-wirtschaftlicher Fortschritt) und dienen den Interessen des Verbrauchers. Normen- und Typenkartelle können von den Wettbewerbsbehörden vom Kartellverbot freigestellt werden.“21Aus : Duden Wirtschaft von A bis Z: Grundlagenwissen für Schule und Studium, Beruf und Alltag. 6. Aufl. Mannheim: Bibliographisches Institut 2016. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2016. @ abgerufen 23.08. 2021
Das Phoebus-Kartell hat die Lampenmärkte der Welt in drei Kategorien unterteilt:
- Heimatgebiete, Heimatland der einzelnen Hersteller
- Britische Überseegebiete unter der Kontrolle von Associated Electrical Industries, Osram, Philips und Tungsram
- Gemeinsames Territorium, der Rest der Welt
Die Britische Monopolkommission hat im Jahre 1951 begonnen, die Lampenindustrie unter die Lupe zu nehmen. In ihrem Bericht (verfügbar in ganzer Länge hier) wird über das Phoebus-Kartell Folgendes ausgesagt: „Eine der ersten Handlungen der Phoebus Organisation, als sie 1925 gegründet wurde, war eine normierte Lebensdauer von 1.000 h festzulegen, was in der UK und anderswo damals gebräuchlich war. Es wurde vorgeschrieben, dass in keiner Werbung eine „lange Lebensdauer“ erwähnt werden dürfe. Eine Prozedur zur Bestrafung zu langer und kurzer Lebensdauer wurde erarbeitet, und nach 1929 wurden Strafen für Lebensdauern über 1.500 h verhängt, sowie in kleinerem Maßstab auch für Lebensdauern unter 800 h, wenn keine Erklärung oder Rechtfertigung des Herstellers erfolgt war.“22Competition Commission: Report on the Supply of Electric Lamps, Chapter 9: Quality and Standards, S. 44, @ Weiter wird ausgeführt: „Die Phoebus Organisation hat zu jener Zeit keine minimale (oder auch maximale) Lichtausbeute vorgeschrieben. … Ohne Zweifel hatte die Vorgabe einer maximalen Lebensdauer ohne eine minimale Lichtausbeute ihre Probleme …“(Übers. der Verfasser)
Aus den Akten der Phoebus S.A., die im Berliner Landesarchiv liegen, gehen Beschlüsse wie folgend hervor: „Tokio Electric Company darf Lampen nach China exportieren, aber nur solche, die 1.000 Stunden halten.“ Auch die Werbung und das äußere Erscheinungsbild der Industrie sollte einen nicht vorhandenen Wettbewerb vortäuschen wie ersichtlich aus dem folgenden Beschluss: "Die Propaganda soll dahin gehen, dass der Eindruck entsteht, es gäbe eine Konkurrenz zwischen den Lampen-Fabriken." Und: "Die Wahl der Mittel bleibt jedem Mitglied vorbehalten, da es wünschenswert erscheint, dass keine Einheitlichkeit nach außen besteht."23Verehrt, verraten und verglüht @ abgerufen 23.08.2021 (Anm.: Propaganda war damals der gängige Begriff für Werbung. Der negative Touch entstand in späteren Jahren, möglicherweise sogar durch den hier dargestellten Vorgang.)
Wer das Landesarchiv Berlin nach dem Begriff „Phoebus“ sucht, erhält eine einzige Fundstelle, die „Osram“ heißt. Dort wird als Bestand u.a. „Phoebus-Kartell“ angeführt.24Landesarchiv Berlin @ abgerufen 22.08.2021 In der eigenen Darstellung anlässlich des Markenjubiläums in 2006 (100 Jahre Osram25Anneliese Burghart, Bernhard Müller, Wilhelm Hanseder. 100 Jahre Osram – Licht hat einen Namen, OSRAM GmbH, Corporate Communications, München, 2006) ist hingegen die Rede vom Glühlampenweltvertrag (Phoebus-Vertrag). Vorsitzender des Verwaltungsrates (Aufsichtsrat) war Dr. Meinhardt, Osram. Der Zweck des Phoebus-Vertrages wird anders dargestellt als in der Literatur: „Der Zweck und die Absicht dieser Vereinbarung ist, die Zusammenarbeit aller Vertragsparteien sicherzustellen, zur Vorsorge für eine vorteilhafte Ausnützung ihrer Fabrikationsmöglichkeiten bei der Herstellung von Lampen, Sicherung und Aufrechterhaltung einer gleichmäßig hohen Qualität, Verbesserung der Wirtschaftlichkeit bei der Verteilung des Absatzes und Steigerung der Wirksamkeit elektrischer Beleuchtung und Erhöhung des Lichtverbrauchs zum Vorteil des Verbrauchers.“
Man kann berechtigterweise hinterfragen, warum denn ein Glühlampenweltvertrag geschlossen werden musste, wenn Normungsorganisationen wie die CIE existierten, die nachhaltige Konzepte wie die V(λ)-Kurve erstellt und durchgesetzt haben. Mehr noch, die „Mutter“ der CIE, die internationale Normungsorganisation IEC, war bereits 1906 gegründet worden, deren erster Präsident kein geringerer als Lord Kelvin war. IEC hatte bereits bei der Gründung mit einer Standardisierung angefangen. Davon zeugt heute noch das IEV (International Electrotechnical Vocabulary). Das Wörterbuch wird in zwei Sprachen (Englisch, Französisch) gepflegt, die Übersetzungen in 10 weiteren angegeben. Suchen kann man in 21 Sprachen.
Ende des Phoebus-Kartells
Über das wahre Ende des Phoebus-Kartells existieren widersprüchliche Angaben. Osram selbst gibt an, der Vertrag hätte zunächst eine Laufzeit von 10 Jahren gehabt, „Als sich der Vertrag bewährte, wurde er verlängert. 1940 wurde er durch die Kriegsereignisse hinfällig.“ Hingegen wird berichtet, das später in International Electrical Association (IEA) umbenannte Kartell 1992 mitgeteilt habe, es hätte sich 1989 aufgelöst.26Verehrt, verraten und verglüht @ abgerufen 22.02.2022 Mancher Autor glaubt nicht einmal, dass das Kartell tatsächlich zu Ende gegangen ist. Angesichts der Tatsache, dass in dem Bereich Elektrotechnik ein 1902 entstandenes Kabel-Kartell erst im Jahre 1997 zerschlagen werden konnte27Korrekte Buchhaltung, Der Spiegel 24/1997 @ angerufen 24.08.2021, kann man eine solche Haltung verstehen.
Die hier behandelte Organisation gehört wie kaum eine andere zur globalen Industriegeschichte. Die Akteure aus dem Bereich Licht und Elektrotechnik haben wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig mit interkontinentalen oder gar globalen Verflechtungen begonnen und bis heute gearbeitet. Der Ideengeber des Phoebus-Kartells, Osram, wurde inzwischen von der Muttergesellschaft Siemens ausgegliedert, an die Börse gebracht und im Jahre 2020 vom österreichischen Sensorhersteller AMS übernommen. Andere Protagonisten wie AEG (Lichtbereich) wurden vom Mitbewerb übernommen (Philips). Die Firma General Electric, die auf eine Gründung von Edison zurückgeht, einst eine der größten Firmen der Welt, zwischen 2001 und 2005 gar die teuerste, machte zuletzt in 2019 Schlagzeilen mit Buchhaltungsproblemen (!) bzw. dem Vorwurf des Bilanzbetrugs. Von den 8 Geschäftsbereichen macht „Elektrotechnik & Beleuchtung“ nur noch einen geringen Anteil aus. Philips, die Firma die einst als Glühlampenfabrik begonnen hatte und bis 1991 als „N.V. Philips’ Gloeilampenfabrieken“ firmierte, startete 2016 den Verkauf ihrer Lichtsparte, Ende 2017 war Philips Lighting keine Tochter des Konzerns mehr und firmiert seit 2018 unter dem Namen Signify.
Die Lichtbranche befindet sich im Umbruch mehr denn je seit ihrer Gründung. Die ehemaligen globalen Mitspieler wirken entweder in einer anderen Liga mit, oder sie haben sich von der Zeit verabschiedet. Ein letzter Versuch der Entwicklung einer revolutionären neuen Lampe ist derart gründlich gescheitert, dass alle Protagonisten haben das mit großem Getöse begonnene Projekt einfach verschwinden lassen. (s. PLACAR – Die letzte Plasmalampe)