Im Zenit und weiter

Im Zenit und weiter

Von nun an ging es bergab …

Der Glaube an die elektrische Sonne überschritt seinen Zenit etwa Mitte der 1980er Jahre. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts gar diskutierte die Fachwelt lieber neue Trends in der Tageslichttechnik als sich auf Veranstaltungen der LiTG Vorträge anzuhören, die eher Lesungen aus Lampen- oder Leuchtenkatalogen der Hersteller ähnelten. Aber auch hier spielte das liebe Geld eine Rolle, dieses Mal Forschungsgelder der EU. Sie hatte umfangreiche Forschungsprojekte in Gang gesetzt, um die Gebäudeenergieffizienz zu erhöhen, wozu auch die Nutzung des Tageslichts gehört. Das Licht wurde wieder einmal Gegenstand hoher Politik, nachdem er Jahrzehnte lang zu den Stiefkindern der Wissenschaft gehört hatte. Traurigerweise ging es aber nicht um die Lichtqualität sondern nur um die Quantität.

Das Tageslicht kann zum einen Wärmelieferant sein und zum anderen als Beleuchtung dienen. Leider denkt die Sonne nicht daran, nur in unserem Sinne zu arbeiten, und liefert daher ihre Wärme auch dann, wenn wir sie nicht brauchen. Zudem verlieren oder gewinnen Gebäude durch die Tageslichtöffnungen Energie. Will man diese möglichst weit beherrschen, braucht man andere Gläser und andere Fensterrahmen. Diese verändern das Tageslicht in Qualität (Spektrum) und Quantität (Belichtung). Das letztere ist sehr offensichtlich, im Innenraum gibt es eben weniger Licht als im Freien. Die Menschen hatten sich schon vor Jahrtausenden Behausungen gebaut, auch um dem Licht auszuweichen.

Mittlerweile lebte und arbeitete fast die Hälfte der Arbeitnehmer in Industrieländern in Bürohäusern, als das 20 Jahrhundert sich zu verabschieden zu begonnen hatte. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie dicht besiedelt sind und intensiver beleuchtet als z.B. Wohnungen oder Fabrikhallen. Etwa zur Jahrhundertwende betrug der Anteil des Stroms, der in Büros für Beleuchtung verbraucht wird, ca. 40% vom Gesamtverbrauch.1Die Zahl von 40% rührt von meiner Einschätzung von Gebäuden her, in denen wir Arbeitsbedingungen untersucht haben. Je nach dem Interesse wird einem jeder andere Zahlen anführen. Verlässlich sind sie alle nicht. So bezweifelten die Zahl von 40% Fachleute aus der Lichtindustrie, als ich sie veröffentlicht hatte. Die versprochenen „realen“ Zahlen sind nie gekommen. Hinzu kommt der Strom, den die Klimaanlage verbraucht, um die Wärme abzuführen. Denn Bürohäuser haben die meiste Zeit eine positive Wärmebilanz. Unter Nutzung von Tageslicht als Beleuchtung würde ein Teil dieses Verbrauchs entfallen. Daher das Interesse der Energiesparer am Tageslicht.

Für die arbeitenden Menschen nahm die Bedeutung der elektrischen Sonne insbesondere deswegen ab, weil die Computernutzung mit zweierlei Wirkungen verbunden ist. Zum einen brauchen Bildschirme keine Beleuchtung wie das Papier, das verflossene Medium, das sie ersetzen. Zum anderen aber ersetzten sie Arbeitsmittel mit echt miserablen optischen Eigenschaften, z.B. unscharfe Durchschläge, Handschriftliches mit Bleistift beschriftet oder schlechte Kopien durch unvergleichlich bessere Drucke, z.B. solche vom Laserdrucker.2Als in den 1970er Jahren sehr hohe Beschwerden über Bildschirme im Büro entstanden, finanzierte der Bundesminister für Arbeit und Soziales ein Forschungsprojekt, das die Ursachen hierfür finden und durch entsprechende Normen beseitigen sollte. Ich war der Glückliche, der das Projekt ausführen durfte (Çakir, A.; Reuter; H.-J.; V. Schmude, L.; Armbruster, A., Anpassung von Bildschirmarbeitsplätzen an die physische und psychische Funktionsweise des Menschen, Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Bonn, 1978). Die Ergebnisse flossen nicht nur in 10 Normen ein, sondern später in die europäische Arbeitsschutzdirektive 90/270/EWG, darüber in die Bildschirmarbeitsverordnung und 2014 in die Arbeitsstättenverordnung. Die Normungsarbeit wurde international fortgesetzt und brachte es auf bislang 72 Normen zu Bildschirmarbeit. Dennoch haben die Augenbeschwerden im Jahr 2023 sogar einen wissenschaftlichen Namen, DES (Digital Eye Syndrome). Dessen Ausdrucke zeichnen sich nicht nur durch einen hohen Kontrast und eine große Schärfe aus, sondern durch eine Linearität, die auch die beste Schreibmaschine hat nie erreichen können. Selbst alte Menschen können diese bei wenigen Lux Beleuchtung Texte vom Laserdrucker leicht lesen. Und schon 100 lx übersteigt die zum komfortablen Lesen erforderliche Beleuchtungsstärke um ein Mehrfaches.

Bei vielen Tätigkeiten haben die neuen Arbeitsmethoden die Sehanforderungen drastisch reduziert. So sind z.B. medizinische Operationsräume, die sehr hell beleuchtet werden mussten, weil das Sehgut sehr kontrastarm war, heute nur noch spärlich beleuchtet, weil viele Operationen weitgehend minimalinvasiv durchgeführt werden. Andere Tätigkeiten mit hohen Anforderungen an die Präzision des Sehens, z.B. Montage von Hörgeräten, sind völlig entfallen und werden von Robotern ausgeführt. Große Zeichensäle mit Zeichenmaschinen, die mit 1000 lx und mehr beleuchtet werden mussten, gehören der Geschichte an. Sie wurden ersetzt durch CAD-Bildschirme, bei denen das Licht im Raum sogar schädlich wirkt. Nicht zuletzt sind Arbeitsplätze im graphischen Gewerbe und in Fernsehanstalten zu nennen, bei denen hohe Anforderungen an das Farbensehen gestellt werden. Diese brauchen auch keine Beleuchtung mehr. Wer gar Fotos in höchster Qualität betrachten oder bewundern will, muss im Dunkeln sitzen.

Hatte sich die Lichttechnik in Deutschland Ende der 1960er Jahre stark genug gefühlt, um die „Allgemeinbeleuchtung“, also die Beleuchtung großer Flächen allein durch die Deckenbeleuchtung, zu normen und einen Bedarf nach Fenstern und Tageslicht zu verneinen, begann mit diesem Schritt der Abstieg. Die helle Zukunft, die die Technik versprach, der künstliche Tag, der bei Bedarf 24 Stunden währte, war für viele Realität geworden. Eine Realität, die die meisten aber abstieß.3Die in den 1970ern führende Lichtfirma AEG wurde ein Projekt zum Vorzeigeobjekt, die Beleuchtung des Bürohauses BHW Hameln. Sie hatte 1955 ihre kleinen Büros in der Stadt aufgegeben und ein Haus mit Großraumbüros bezogen. Deren Beleuchtung wurde in technischen Kreisen als vorbildlich gelobt. Ca. 30 Jahre danach besuchte eine Frau aus Hameln ein Seminar von mir. Sie sagte, sie hätte kein Interesse an Beleuchtung. Sie wollte nur wissen, was ihr Vater gemeint haben kann, als er sagte, die Beleuchtung habe sein Leben ruiniert. Von 2000 Personen, die ich für das Projekt „Licht und Gesundheit“ in den 1980er Jahren an ihren Arbeitsplätzen befragt habe, ob sie Tageslicht oder Kunstlicht bevorzugen würden, haben ganze zwei lieber unter Kunstlicht gearbeitet. Ein noch härteres Urteil fällten deutsche Führungskräfte des Netzwerks Linkedin im Jahr 2012, als sie gefragt wurden, was ihnen zu einem idealen Arbeitsplatz gehöre. Wegen ihrer Bedeutung hier noch einmal das wichtigste Ergebnis:

Fast 40% wünscht sich einen Arbeitsplatz ohne künstliche Lichtquellen. Der Umweltfaktor, der in der Büroergonomie seit über 50 Jahren immer den (negativen) Sieger darstellt, Bürolärm, kommt mit weitem Abstand auf den zweiten Platz.4Frankfurter Rundschau @, abgerufen, 12.01.2023, Im Jahre 2020 hat ein Projekt des Bundestags Licht im öffentlichen Raum gar als Umweltverschmutzung eingeordnet.5Deutscher Bundestag, Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, TA-Projekt „Lichtverschmutzung – Ausmaß, gesellschaftliche und ökologische Auswirkungen sowie Handlungsansätze“ @, abgerufen 12.01.2023; Schröter-Schlaack, C.; Revermann, C.; Schulte-Römer, N.: Lichtverschmutzung – Ausmaß, gesellschaftliche und ökologische Auswirkungen sowie Handlungsansätze. Endbericht zum TA-Projekt 2020. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000121964

Dabei gehören alle, die ich oben genannt habe, zu Menschen, die mehr oder weniger „privilegiert“ sind. Unsere 2000 Probanden arbeiteten in Betrieben, deren Arbeitgeber vorher eine umfangreiche Studie über die Arbeitsverhältnisse in Auftrag gegeben hatte, um diese ggf. zu verbessern. Das ist recht außergewöhnlich, da die Kunden unseres Institutes sich immer besonders um das Wohl ihrer Belegschaft kümmern, was nicht unbedingt Usus in der Wirtschaft ist. Die LinkedIn Probanden waren Führungskräfte, deren Arbeitsplätze bestimmt nicht zu den schlechtesten gehören. Und Leute, die beim Bundestag arbeiten, genießen besser beleuchtete Arbeitsplätze als der Durchschnitt der deutschen Arbeitnehmer.6Dass die Mitarbeiter im Bereich des Bundestags vermutlich besser beleuchtete Arbeitsplätze haben als sonstige, hängt mit dem Projekt Parlakom zusammen. (PARLAmentarische KOMmunikation (PARLAKOM). Dieses Projekt diente zur Vorbereitung der Computerisierung der Arbeitsplätze deutscher Bundestagsabgeordneter. Für die Beleuchtung haben wir in 1986 drei damals als beste geltende Konzepte erprobt, und davon das bestbewertete wurde realisiert. Als das Parlament nach Berlin zog, haben die Abgeordneten die Anwendung von Beleuchtungsnormen in ihrem Bereich abgelehnt, und die Lichtplanung erfolgte auf dem erfolgreichen Konzept. Mehr dazu in: Mambrey, P.; Vorwerk, E.; Wurch, G.: Computer im Deutschen Bundestag: Zur Informatisierung des politisch-administrativen Systems, VS Verlag für Sozialwissenschaften; 1991, ISBN-10 ‏ : ‎ 3810009342

Mitarbeiter bei einem Neubauprojekt. Dieser hatte zuvor bei der Erstellung eines Bürohaus alle Bedürfnisse der Belegschaft analysieren lassen, sie an der Planung beteiligt und die Wünsche angemessen berücksichtigt. Bei dem Nachfolgeprojekt hingegen handelte es sich um einen Notfall. Man musste für einen unerwarteten Zuwachs an Personal ein Bürogebäude binnen fünf Monaten planen und beziehen. Er wusste nicht, wie er der Belegschaft beibringen sollte, dass Teile von ihnen in die neue „Baracke“ einziehen mussten. Der Organisator meinte, die Leute würden das als eine Art Bestrafung empfinden. Denn das neue Gebäude hatte nicht einmal eine ordentliche Heizung, nur eine Versorgung mit Warmluft, die alte war vollklimatisiert. Und anstelle der computergesteuerten bildschirmgerechten Beleuchtung würden schnell herbeigeschaffte Leuchten ohne große Planung an die Decke geheftet werden. Die Sorgen waren umsonst, denn alle wollten in das neue Haus umziehen.

Wie kommt es, dass Menschen eine „fortgeschrittene“ Technik ablehnen, wo sie doch noch vor Beginn unserer Zeitrechnung sich mit echt primitiven Mitteln Licht geschaffen haben?

Falsche Vorbilder – Die Sonne und der Himmel

Man könnte meinen, die Lichtmacher hätten sich einst die Natur zum Vorbild genommen wie mittlerweile Bioniker. Diese sind Techniker, die etwas der Natur abgucken. So etwa um die Außenhaut eines Flugzeugs der Delphinhaut ähnlich zu gestalten, damit möglichst wenig Wirbel entstehen. Auch den Federn der Vögel kann man viel abgucken, um strömungsgünstige Elemente zu bauen. Doch der Flugapparat des Luftfahrtpioniers Otto Lilienthal hat nicht den Vogelflug ganz imitieren wollen.

In der Lichttechnik wollte man nicht von der Natur lernen, sondern diese kopieren, um sie zu übertrumpfen. Noch heute kann man z.B. über Beleuchtungsstärken lesen, dass sie in der Natur über 100.000 lx betragen können. Daher könnten Innenräume mit einem Niveau von 500 lx oder ähnlich logischerweise nicht störend wirken. In der Quintessenz geben alle Beleuchtungsnormen der Welt immer Mindestwerte an, man darf sie beliebig überschreiten. Je höher, desto besser. Warum sollten Menschen, die in einer natürlichen Umgebung mit sehr hohen Beleuchtungsstärken entstanden sind, einen mickrigen Bruchteil davon als zu viel empfinden?

Die Frage lässt sich leicht beantworten, wenn man sich „natürliche“ Lebensweisen anguckt. Selbst Löwen in der Wüste oder Kängurus in dem Outback in Australien flüchten sich in den Schatten, wenn die Sonne auch nur 50.000 lx erreicht. Menschen in natürlichen Umgebungen leben entweder in Wäldern, in denen niemals 100.000 lx herrschen, sondern eher 500 lx oder 1000 lx. Dort wo die Sonne gnadenlos niederbrennt, haben sie sich früher in Höhlen zurückgezogen. Heute machen sie Siesta. Denn die Sonne produziert nicht den gesamten lieben Tag lang die maximale Strahlung.

Selbst wenn sie das täte, hängt nicht der gesamte Himmel voller Sonnen, die in langen Reihen angeordnet  ständig leuchten. Es existiert nur eine, die über den Himmel wandert. So fällt das Licht immer aus unterschiedlichen Richtungen ein, und man kann sich entsprechend umdrehen, wenn es einem nicht gefällt. Wo man sich nicht wehren kann, beispielsweise beim Fahren gegen die untergehende Sonne, ist diese eine feindselige Beleuchtung. Das Vorbild Sonne ist für die Innenraumbeleuchtung das falsche. Wenn man schon einem Vorbild folgt, sollte man nicht eine (flüchtige) Eigenschaft als Vergleichsmaßstab wählen, die maximale Beleuchtungsstärke in einem tropischen Gebiet, mittags, etwa im Sommer und ohne Wolken.

Dass sich die Techniker nicht allzu viele Gedanken bei dem Vorbild gemacht haben, kann man z.B. daran sehen, dass niemand sagen wird, ob die 100,000 lx horizontal oder vertikal gemessen werden. Ob der Wert 100,000 beträgt, kann man auch nicht zuverlässig sagen.7Peter Boyce gibt in seinem Buch „Human Factors in Lighting“ (dritte Auflage) die 100,000 lx für eine klaren Himmel im Sommer ohne Wolken an. In der ersten Auflage des Werkes waren es noch 120.000 lx. Eine Richtung war in beiden Fällen nicht angegeben. Eine Angabe der Stärke des Sonnenlichts bei klarem Himmel ohne die Messrichtung ist bestenfalls für den Papierkorb geeignet. Die Zahl steht aber nicht nur in dem bekanntesten Buch von einem der bekanntesten Lichttechniker, sondern überall. Man kann auch in unseren Breiten ähnlich hohe Beleuchtungsstärken messen, wenn man den Sensor genau nach der Sonne ausrichtet. Was der so gemessene Wert aussagen soll, ist hingegen nicht bekannt. Man kann erleben, dass natürliche Umgebungen bei kleinerer Beleuchtungsstärke sogar heller erscheinen. So kann man in der Nähe des Nordkaps (71. Breitengrad) im Herbst eine viel hellere Natur erleben als zur gleichen Zeit in Deutschland (50. Breitengrad). Der Grund ist die tief laufende Sonne, die herbstliche Bäume anstrahlt, die in wunderbaren Farben leuchten.

Der Himmel hingegen ist nicht so falsch wie die Sonne als Vorbild. Würde man Aufenthaltsräume mit einem hohen Zelt darüber versehen, das hell leuchtet, kann man recht hohe Beleuchtungsstärken erzielen, ohne dass sich jemand geblendet fühlt. Wenn man diese aber aus energetischen Gründen nicht erzielen kann, sieht so ein Himmel grau und trüb aus.

Bleibt noch die Farbe. Der wolkenlose Himmel ist am Tage blau, hat also eine hohe Farbtemperatur von über 10.000 K. Will man diese im Innenraum realisieren, frieren die Menschen förmlich, weil sich das Licht kalt anfühlt. Selbst eine Beleuchtung mit 6500 K (CIE Normlichtfarbe für Tageslicht) wird sich in Innenräumen kaum realisieren lassen, weil sie kalt ausschaut. In der Natur sieht sie hingegen weiß aus. So empfinden Menschen das Licht der Glühlampe als „natürlich“, obwohl der von allen geliebte Himmel blaues Licht ausstrahlt. Summa summarum lässt sich sagen, dass die unterschiedliche Wirkung von Licht im Innenraum und in der Natur mit physikalischen und lichttechnischen Daten nicht erklären lässt. Nachahmungen ohne präzises Wissen über das Nachahmenswerte bleiben zum Scheitern verurteilt.

Hätte man die natürlichen Vorbilder richtig gewählt, wäre das Ergebnis nicht glücklicher geworden. Denn der hellere Teil eines Raums sollte die Arbeitsebene sein und nicht etwa die Decke. In der Natur ist es genau umgekehrt. Das rechte Bild zeigt, wie im 21. Jahrhundert eine Beleuchtung aussehen soll, wenn sie physiologisch (positiv) wirksam werden soll.

Die Einsicht kommt ein Jahrhundert zu spät. Zudem lässt sich eine solche Beleuchtung in vielen Fällen nicht realisieren, weil sie teuer ist. Außerdem muss die Decke eines Büroraums auch für was anderes herhalten, z.B. für die Klimatisierung. Zudem darf die Oberfläche nicht schallhart sein. Eine wahre Herausforderung für Leuchten aus Stahl, Glas und Aluminium.

Ingenieure sind listig – die Natur ist aber listiger

Die Ingenieurskunst beruht auf Technik, und Technik bedeutete in der Antike (techne =) Kunst, Gewerbe, Geschick, List. Der Techniker darf auch die Natur überlisten, ja muss sogar, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen. Und diese muss beherrscht werden, denn die Ingenieurskunst beruht auf dem Prinzip der Beherrschung. So ist es den Lichtmachern über Jahrtausende gelungen, stets gleichbleibendes Licht mit konstanten Eigenschaften zu realisieren und selbst die Lebensdauer zweckmäßig zu verlängern.

Die Natur hingegen brachte Lebewesen hervor, die Veränderungen ohne Schäden überstehen, ja diese brauchen. Der Mensch als Lichtwesen (homo diurnus) strebt nach dem Hellen, braucht aber die Finsternis zum Ausruhen, was übrigens nicht alle Lebewesen tun. Haie, die ohne Fortbewegung nicht leben können, und auch Tunfische, für die dasselbe gilt, schlafen mit der einen Gehirnhälfte. Die circadianen Vorgänge, also solche mit einem Takt von ca. eines Sonnentages, existieren auch in Wesen, die den 24-Stundentag nicht erleben, so z.B. die Rentiere, deren Umgebung für ca. zwei Mal im Jahr für jeweils zwei Monate keinen Sonnenaufgang bzw. Sonnenuntergang erlebt. Auch das Meeresplankton, steigt und sinkt im 24-Stundentakt, obwohl sich in der Tiefe kaum etwas sichtbar ändert. Der Dirigent all dieser Takte, das Melatonin, ist ein entwicklungsgeschichtlich altes Molekül, das nicht nur in Tieren, sondern auch in Bakterien, Algen und Pflanzen vorkommt. Selbst Einzeller werden von inneren Uhren gesteuert.

Bei Menschen, die den ewigen Sommertag mit gleichbleibendem Licht und gleichen Temperaturen erleben, bleiben die inneren Uhren mehr oder weniger stehen. Dies scheint eine neue Erkenntnis zu sein, ist aber nicht. Denn bereits die Protagonisten des fensterlosen Arbeitsraums wussten, dass der Mensch externe Reize braucht. Sie schrieb ein gewisser Weber, Autor von "Praktische Erfahrungen bei fensterlosen Arbeitsräumen" im Jahre 1969: "… richtige Dosierung folgender Reize: Eine Luftbewegung durch die Klimaanlage, akustische Reize durch die Maschinen, stärkere optische Gestaltung durch die Farbgestaltung sowie letztlich durch die Tätigkeit am Arbeitsplatz selbst." (s. Aufgang der elektrischen Sonne). Es hat nie einen Techniker gegeben, der es jemals fertiggebracht hat, Luftbewegungen durch eine Klimaanlage als ein Positivum zu realisieren. Akustische Reize durch Maschinen zu erzeugen, um fehlende natürliche Impulse zu ersetzen, wäre ein unvergleichlich schwierigerer Stunt. ."

Bleibt die stärkere optische Gestaltung durch die Farbgestaltung. Welcher Techniker mag das wohl realisieren? In den 1970ern wurde diese Idee von manchen Architekten tatsächlich angewandt. Es war die Hochzeit der Schockfarben, mit denen selbst Autos beglückt wurden. Aber schon am Ende des Jahrzehnts waren die Büros wieder „unbunt“, um nicht zu sagen grau.8Es ist kein Zufall, dass Büros, Büromaschinen, Büromöbel u.ä allesamt eher grau sind. Hierfür gibt es systematische Gründe. Zwei Firmen versuchten diesen Trend zu ändern. Apple Computer führte 1998 dem iMac in fünf Farbkombinationen ein. Dies wurde ein Riesenerfolg. Es entwickelte sich aber zu einem logistischen Desaster. Am Ende wurden auch Apple Computer grau. Sogar das Firmenlogo, das immer mit Regenbogenfarben glänzte, wurde am Ende grau. Die andere Firma war Nokia, ein Hersteller von Mobiltelefonen. Von ihr ist nicht viel mehr als der Firmenname übrig geblieben. Wer heute Farbe haben möchte, kann sich mit Schutzhüllen u.ä behelfen. Die einzigen Hersteller, die Büros mit farbigen Elementen bereichern, sind Stuhlhersteller.

Mit Systemen, die auf Veränderung beruhen, hat sich die Technik bislang nicht besonders hervorgetan. Ganz im Gegenteil, Menschen in klimatisierten Häusern wurde verboten, Fenster zu öffnen, so diese überhaupt öffenbar waren, weil dadurch die Beherrschung des Raumklimas beeinträchtigt werden könnte. Eine Ausnahme wäre im Bereich der Beleuchtungstechnik vorhanden, das dynamische Licht. Als „dynamisch“ wird eine Beleuchtung bezeichnet, wenn sie sich während des Betriebs in Bezug auf einen oder mehrere Parameter verändert – z. B. bei der Beleuchtungsstärke, der Lichtfarbe oder in der Lichtrichtung.9Aus Lichtlexikon @, abgerufen 13.01.2023

Dass dem bislang kein Erfolg beschieden war, hängt unter anderem damit zusammen, dass die denkbare Dynamik nicht allzu groß ausfallen kann. Denn die maximale Beleuchtungsstärke ist aus energetischen und wirtschaftlichen Gründen begrenzt und lächerlich klein im Verhältnis zur Natur. Die minimale wäre dadurch begrenzt, dass man kaum noch etwas sehen kann. In fotographischen Einheiten ausgedrückt, könnte man etwa eine Blendenstufe oder zwei dunkler werden. Ob das jemand überhaupt bei der Arbeit akzeptiert? Vor allem, wenn die Änderung auch noch unberechenbar eintritt.

Eine Veränderung der Lichtrichtung? Das wäre in der Diskothek oder im Theater keine Kunst. Bei der Beleuchtung von Arbeitsstätten aber ist den Planern nicht einmal bewusst, dass es überhaupt eine Lichtrichtung gibt. Oder Licht wird so geplant, dass es keine Richtung hat, so im Großraumbüro.

Bleibt noch die Lichtfarbe. Diese kann man auch nur begrenzt ändern, da man für die Beleuchtung „weißes“ Licht braucht. Wenn die Lichtfarbe verändert wird, ändern sich auch andere Eigenschaften (ungewollt) mit.

Beim dynamischen Licht liegt es nicht an mangelnden technischen Fähigkeiten, dass es nicht funktioniert. Diese sind vorhanden, wie man bei der Bühnenbeleuchtung oder gar auf jedem Jahrmarkt sehen kann. Das Problem ist die Zweckbindung von Arbeitsräumen. Dort müssen bestimmte Arbeiten über längere Zeiträume unter möglichst gleichen Bedingungen verrichtet werden. Selbst wenn man dynamisches Licht so steuert, dass für ein gutes Sehen erforderlichen Bedingungen nie unterstritten werden, kann man bei den Nutzern nicht das Gefühl vermeiden, die Sehbedingungen änderten sich zusehends.

Ein unmöglicher Umgang mit der wichtigsten Größe – Leuchtdichte

Die Leuchtdichte ist die überhaupt wichtigste lichttechnische Größe, was das Sehen angeht. Aber auch die Fotografie kommt ohne sie nicht aus. Der fotografische Film und dessen Nachfolger, der elektronische Lichtsensor, zeichnen Leuchtdichteunterschiede auf. Das menschliche Auge reagiert auch auf diese, Kontrast genannt, und zwar in der Fachsprache wie auch in der Umgangssprache. Wer optische Strahlengänge plant oder beurteilt, kommt an der Leuchtdichte nicht vorbei. Sie ist die Unveränderliche wie die Lichtgeschwindigkeit im Universum. Präzise gesagt, es gibt keine andere Technik, die einen entsprechenden Begriff aufweist. Sie müsste daher eigentlich die Nummer 1 unter lichttechnischen Größen sein. Das ist sie auch, aber nur in der Straßenbeleuchtung. Deren Technik beruht auf Leuchtdichten. Nur nicht bei der allgemeinen Beleuchtung. Und das ist einer der wichtigsten Gründe für die Verfinsterung der elektrischen Sonne. Denn die Leuchtdichte ist ein Merkmal einer leuchtenden Fläche, egal ob sie selbst leuchtet oder beleuchtet wird. Benutzt man hingegen statt deren die Beleuchtungsstärke als Grundlage, kann das Gesehene unterschiedlich ausfallen wie Tag und Nacht. Das Aussehen hängt vom Reflexionsvermögen des beleuchteten Objekts ab. Und dieses ist dem Planer einer Beleuchtung i.d.R. unbekannt.

Zunächst zu dem Gegenstand: was ist die Leuchtdichte? Laien wie Fachleute vereint in dieser Frage die Tatsache, dass sie diese Größe nicht verstehen. Die meisten Fachleute werden allerdings behaupten, sie wüssten, was das ist. Freilich wird keiner deren Definition vorsagen können. Denn sie ist lang und muss mit 10 zusätzlichen Erklärungen erläutert werden. Spaßeshalber habe ich mir eine Kopie von meinem Bildschirm mit der Definition erstellt. Dazu musste ich das Browserfenster verkleinern, weil die Seite auf einen großen 4K-Bildschirm nicht passte.10Aus e-ilv der CIE, Das elektronische Wörterbuch der Beleuchtungstechnik, @ abgerufen, 17.01.2023 Die Definition fällt nicht deswegen so lang aus, etwa weil die Fachleute mit der Präzision übertrieben hätten. Diese Größe ist tatsächlich kompliziert.

Man behilft sich in der Praxis damit, die Rolle der Leuchtdichte zu umschreiben. So gibt beispielsweise licht.de an: „Die Leuchtdichte (Kurzzeichen: L) kann vom Auge wahrgenommen werden. Sie bestimmt den Helligkeitseindruck einer Fläche, der von Farbe und Material abhängt.“ Sagen wir netterweise, ganz falsch ist diese Umschreibung nicht. Aber auch nicht richtig. Was soll ein Mensch unter einem Helligkeitseindruck verstehen, der vom Material abhängt? Was hat das Material mit der Helligkeit zu tun? Und Farbe? Dass manche Farben heller erscheinen als andere, kennt jeder. Wie soll denn eine Größe bestimmt werden, wenn sie vom Material abhängt? Gebe ich zu dem Messwert noch an, ob ich ihn auf Eisen oder Holz gemessen habe?

Da es den Leuten vom Fach bewusst ist, wie schwer diese und ähnliche Fragen zu beantworten sind, wenn einer verstehen will, was Leuchtdichte sein soll, wählt man den Weg über Bilder. Denn ein Bild sagt 1000 Worte und mehr. Manchmal sogar zu viele. Hier sind drei Beispiele zusammengefasst. Das erste Bild stammt von einer Berufsgenossenschaft, die zwei weiteren, wie leicht erkennbar, von Agrargenossenschaften.11Die tierischen Bilder sind übrigens falsch. Alle Begriffe sind für das menschliche Auge definiert. Tieraugen besitzen andere Empfangseigenschaften auf. So besitzt das menschliche Auge drei Farbempfänger (Trichromat), beim Schwein und bei der Kuh sind es nur zwei (Dichromat).

Im üblichen Leben kommen wir mit Dingen, die wir nicht so gut verstehen, häufig prima aus. So können hochkomplexe Smartphones sogar von Analphabeten benutzt werden. Zwar erfolgen die Einstellungen nur mühsam, aber man muss sie nicht dauernd ändern. Wer Auto fahren will, muss schon lange kein Ingenieur mehr sein bzw. einen beschäftigen. Es genügt, wenn man die Verkehrsregeln einigermaßen beherrscht. Wenn aber die Leute, die technische Produkte realisieren, gar nicht verstehen, womit sie da arbeiten, und auch nicht verstehen wollen, wenn man ihnen das Problem erklärt, baden die Nutzer deren Fehler aus. In der Lichttechnik fängt das Problem nämlich an, lange bevor ein einziger das Licht sieht, das ein Lampenentwickler oder Lichtplaner im Sinn hat.

Lampen bzw. Leuchtmittel, wie sie in der Fachsprache heißen, werden meist von Physikern entwickelt, es können auch Chemiker sein, die bestimmte Materialeigenschaften erforschen. Ob daraus eine Lampe wird, die man auch verkaufen kann, hängt von vielen Faktoren ab, aber vor allem von einem ungeschriebenen Gesetz: möglichst klein und möglichst effizient. Hiergegen ist im Prinzip nichts zu sagen, denn das Gesetz entspricht einem Grundsatz, dem alle Ingenieure folgen müssen, wollen sie erfolgreich sein: den Fußabdruck minimieren. Das bedeutet, gewinnen tut , wer an Raum, Material, Arbeit, Energie ... also mit Ressourcen spart, wenn er ein gegebenes Ziel erreichen möchte. Die Lichttechnik könnte mit ihrem Konzept der Lichtausbeute12Wie bereits dargestellt, gilt die Lichtausbeute sowie deren Steigerung als eines der wichtigsten Konzepte der Lichttechnik. Damit ging sie anderen Ingenieurswissenschaften voraus. Was heute als Energieeffizienz als neue Errungenschaft propagiert wird, ist in der Lichttechnik ein alter Hut. sogar die Weltmeisterschaft in dieser Disziplin für sich reklamieren. So wurde aus der Kohlefadenlampe die Halogenlampe, die bei etwa gleicher Leistung etwa ein Prozent des Raums einnimmt. Im Umkehrschluss heißt das aber, dass die Leuchtdichte etwa 100 Mal so hoch ist.

So lange kein Mensch oder keine Kamera eine Lampe sehen kann, ist die Höhe der Leuchtdichte unerheblich, aber die geringen Abmessungen sehr nützlich für die meisten Anwendungen. Wenn es aber um Blendung geht, sieht die Sache anders aus. Bei sonst gleichen Bedingungen steigt die Blendung etwa mit dem Quadrat der Leuchtdichte. Damit beschäftigte sich aber kein Lampenentwickler, denn die Entwicklung und die Produktion von Lampen wurde streng von der der Leuchten getrennt. So produzierte einst Osram nur Leuchtmittel, während das "Mutterhaus", das Siemensleuchtenwerk, über deren Verwendung entschied.

In diesem Sinne, also bezüglich der Beziehungen von Lampentechnik und Blendung, muss sich die Beleuchtungstechnik einen riesigen Vorwurf gefallen lassen. Sie hat sich nicht mit dem Thema hinreichend befasst. Ihre heutigen Methoden wurden in den 1960ern mit ungenügenden Mitteln erarbeitet, als die Lampen den Durchmesser hatten, den der gelbe Kreis darstellt (38 mm, T12). Später wurden die Leuchtstofflampen immer dünner. Die dünnsten entsprechen dem roten Ring (7 mm, T2). Bei gleicher Leistung und Länge heißt das, dass die Leuchtdichte dem Verhältnis der Flächen entsprechend angestiegen ist, also etwa 30 Mal. In der Praxis habe ich für entsprechende Typen von Lampen 2000 cd/m2 bzw. 40.000 cd/m2 gemessen. Daraus ergibt sich ein kleinerer Faktor von 20. Das hieße, bei gleicher Anordnung würde die Blendung theoretisch mit dem Quadrat von 20 steigen, also etwa 400 mal so hoch sein.13Die Leuchtdichte wird in der Einheit cd/m2 gemessen und bezeichnet. Die Blendung wird nicht nur von der Leuchtdichte bestimmt, sondern auch von der Größe der leuchtenden Fläche und ihrer Position im Gesichtsfeld. Wenn sonstige Bedingungen stimmen, steigt die Blendung mit dem Quadrat der Leuchtdichte an.
Blendung ~ L Q2• ΩQ (Q = Quelle, Ω = Raumwinkel der Quelle (räumliche Ausdehnung)
(s. Was ist mit unserem Wissen über Blendung?)

Es ist zwar kaum glaublich, dass eine Technik eine solch bedeutsame Größe nicht angemessen berücksichtigt. Die Realität ist viel schlimmer, denn sie wird auch noch falsch gemessen. Und durch eine solche falsche Messung entstanden die besagten BAP-Leuchten, die angeblich nicht blendeten.

Zunächst zur Nichtbeachtung. Die Blendungsbegrenzung in Deutschland14Das Bild stammt aus DIN 5035-1:1972-1 „Innenraumbeleuchtung mit künstlichem Licht - Allgemeine Richtlinien“, die zum ersten Mal eine Blendungsbegrenzung einführte. ging nicht von Leuchtdichten der Beleuchtung aus, sondern nur von solchen, die unter einem bestimmten Winkel gesehen werden können. Physikalisch gesehen konnten die Probanden die räumliche Verteilung der Leuchtdichten überhaupt nicht erleben, weil sie den von ihnen beurteilten Raum nur durch ein seitliches Guckloch sahen.

Ob man glaubt oder nicht, kein Leuchtenkatalog sagt irgendetwas über die Leuchtdichte aus. Man bekommt auf Datenblättern jede Menge technische Daten und eine "Lichtverteilungskurve" (Bild unten), die die Verteilung der Lichtstärke zeigt, aber nicht die der Leuchtdichte, die die Basis aller Betrachtungen der Sehleistung bildet.

Als störend angesehen wird eine Leuchtdichte, wenn der Benutzer in einem bestimmten Bereich unter der Leuchte sitzt (im Bild rot eingezeichnet). Wenn jemand noch weiter rechts sitzt, soll die Leuchte nicht blenden. Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dass jemand weiter weg sitzen kann. Denn der übliche Leuchtenabstand liegt zwischen 2,50 m und 3,0 m. Somit sitzt die Dame im Bild etwa 10 m von der Leuchte entfernt. Für alle, die im Bereich ± 45º unter der Leuchte sitzen, kann die Leuchtdichte noch so hoch sein, sie blendet nicht. Jedenfalls nach dem Postulat der Lichttechnik.

Die Lichttechnik hat bei diesbezüglichen Untersuchungen tatsächlich keine Blendung festgestellt, weil in dem Raum, in dem die Blendung untersucht wurde, niemand unter einer Leuchte sitzen konnte. Der Raum war ein kleiner Guckkasten, der Proband saß draußen und beurteilte, was er durch ein Guckloch hatte sehen können. So entstanden fein gezeichnete Kurven, denen man nicht ansieht, dass sie aus einem einfachen Laborexperiment stammen.

Nach diesen Kurven wurden dann Leuchten „gemessen“ und als „blendfrei“ bezeichnet. Doch es ist verdammt schwierig, an einer Leuchte Leuchtdichten zu messen. So wurden und werden Lichtstärken gemessen und in (fiktive) Leuchtdichten umgerechnet.15Die Lichtstärke ist die Intensität des Lichts, das aus einer leuchtenden Fläche in eine bestimmte Richtung abgestrahlt wird. Dabei ist es unerheblich, ob diese Fläche gleichmäßig leuchtet oder aus einem Patchwork besteht. Die Lichtstärke mittelt über alle Teile per Definition.

Anders mit der Leuchtdichte. Bei gleicher Lichtstärke stört eine gleichmäßig helle Fläche viel weniger als eine, die im Durchschnitt gleich hell ist, aber in sich sehr unterschiedlich leuchtet.  Was so gemessen wird, ist eine mittlere Größe über den gesamten Kasten, der Leuchte. Hat die gesehene Fläche eine gleichmäßige Ausstrahlung, kann die so ermittelte Größe für die Blendungsbewertung wirksam sein. Bei größeren Unterschieden von 1:5 müsste man jedes leuchtende Stück einzeln bewerten. Eine Leuchte mit unterschiedlicher Helligkeit blendet stärker als eine mit gleichmäßiger. Die Messung unterschlägt damit die reale Wirkung. Dem Lichtplaner stehen keine besseren Daten zur Verfügung.

Viel wichtiger sollte indes die Tatsache sein, dass der Benutzer mitten im Licht sitzt. Da er nicht dauernd auf den Tisch guckt, wie das Bild suggeriert, wird er viel stärker geblendet als postuliert. Insbesondere wenn er Brillenträger ist. Hat man Leuchten aus den 1970ern (Leuchtdichte etwa 2.000 cd/m2) durch stark „entblendete“ BAP-Leuchten ersetzt (Leuchtdichte etwa 8.000 cd/m2 bis 40.000 cd/m2) ersetzt, wird er viel stärker geblendet, denn von einer Entblendung profitieren, wenn überhaupt andere. Das sind die, die die Leuchte unter einem Winkel größer als 50º sehen.

Was man unter einem größeren Winkel als 50º sieht, soll eine nur geringe Leuchtdichte aufweisen, damit man die Leuchte nicht auch noch in seinem Bildschirm bewundern darf. Dafür wurde in den 1980ern die Größe 200 cd/m2 postuliert.16Die besagte Leuchte existierte bereits Ende der 1960er Jahre unter der Bezeichnung „Darklight-Leuchte“. Sie ist nichts anderes als eine langgestreckte Lichtquelle, dessen Licht eng gebündelt nach unten gerichtet ist. Ihre Leuchtdichte oberhalb von 50º zur Horizontalen soll 200 cd/m2 gewesen sein. Das ist eine fiktive Rechengröße. Richtig ist, dass sie wenig Licht oberhalb dieses Winkels abstrahlt. Sehen tut der Benutzer eine Ansammlung kleiner heller Flächen, die insgesamt eine geringe Helligkeit haben sollen, Das gilt aber nur rechnerisch. Dafür saß die Dame aus dem oberen Bild jetzt andersherum. Es wurde das Licht betrachtet, das sie von hinten erreicht. Wieder bleibt die Lampe über dem Kopf unbeachtet, denn sie wird vom Bildschirm weg reflektiert. Sie wurde aber von der Tastatur reflektiert und blendete dadurch.

Warum es mit der elektrischen Sonne ab der 1980er Jahre bergab ging, kann man mit der Geschichte dieser Leuchte wunderbar dokumentieren. Ihre Protagonisten hätten sogar sehen können, was kommt, wenn sie sich in ihrem Versuchsraum etwas kritisch umgesehen hätten. Denn bereits damals war bekannt, dass Decken und Wände nicht dunkel sein durften, weil das erstens blendet und zweitens dem Raum einen Höhlenlook verpasst. Und drittens hätten sie die Schatten an der Wand sehen müssen. Diese existieren seit etwa 1983 in Millionen Arbeitsräumen. Und viertens soll es oben (Himmel, Decke) heller sein als unten (Boden, Fußboden). Alles zu lesen in lichttechnischen Fachbüchern, die damals schon mehrere Jahre auf dem Buckel hatten.

Dieses Foto wurde mir persönlich vom Entwickler der Leuchte gegeben, um mich von den Untersuchungen zu überzeugen. Es zeigt den Versuchsraum mit dem Objekt, das die beste Bewertung erfuhr. Wie man sieht, arbeitet niemand hier. Wie man später lernte, wollte auch niemand freiwillig in solchen Räumen arbeiten. Das kümmerte die Lichttechnik kaum. Die Leuchte, die die oben gezeigte Raumwirkung erzeugt, wurde genormt. Die Arbeitgeber waren damit gezwungen, sie in ihre Arbeitsräume einzubauen. Heute findet man die Lichtverteilung in vielen Räumen, aber ohne das warme Holz an den Wänden. Und das sieht etwa so aus. Das Bild zeigt ein modernes Büro, in dem neue Elemente zu sehen sind, die kein Lichtplaner einkalkuliert hat: Technische Einrichtungen gegen den Bürolärm. Graue Akustikpaneele runden die katastrophale Entwicklung ab.

Etwa Mitte der 1990er Jahre war es so weit. Wir haben mit Feldstudien in einer großen Zahl von Betrieben nachgewiesen, dass die „entblendeten“ Leuchten nicht weniger blendeten als andere, sondern von allen verfügbaren Leuchtentypen am meisten.17Der Nachweis erfolgte auf der Basis des Europäischen Arbeitsschutzrechts, wonach man zwar störende Beleuchtung nicht unbedingt abschaffen kann, aber ein Nachweis im betrieblichen Umfeld genügt, dass es weniger belastende Techniken gibt. Die Publikation trug den Titel „Direktbeleuchtung am Bildschirmarbeitsplatz widerspricht Anforderungen des Arbeitsschutzes“ und ist unter https://docplayer.org/28640753-Direktbeleuchtung-am-bildschirmarbeitsplatz-widerspricht-anforderungen-des-arbeitsschutzes.html  verfügbar Das in diesem Bild gezeigte Ergebnis wird man in der lichttechnischen Literatur indes vergeblich suchen. Denn es will nicht passen, da die in der Norm bevorzugte Beleuchtung stärker stört als jede andere verfügbare. Dieses Bild hat zwar das formale Ende der tiefstrahlenden Beleuchtung eingeleitet. Das wahre Ende ist aber nicht abzusehen.

Auch die heutige Norm (DIN EN 12464-1) arbeitet mit einer Blendungsbewertung, in die man zwei unabhängige Verfahren aus den 1960ern auf dem Papier zusammengelegt hat (UGR18Das Blendungsbewertungsverfahren heißt UGR (= Unified Glare Rating). Es wurde aus zwei Verfahren zusammen gelegt, die nicht gut zusammen passen. Das eine wurde im Labor von Philips entwickelt und war im deutschsprachigen Raum verbreitet (Söllner-Kurven). Das andere wurde im Labor von General Electric von Guth entwickelt, und trägt seinen Namen.). Für den Bürobereich gilt UGR=19. Was dieses bedeutet, kennen nur Fachleute. Die Beleuchtung, die man schon vor 100 Jahren (Leffingwell) (s. Erbschaft der 1920er Jahre) als blendfrei angesehen hatte, die Indirektbeleuchtung, soll mit diesem Verfahren nicht bewertbar sein. So jedenfalls die Behauptung. Sie ist aber bewertbar und würde den UGR-Wert 0 tragen. Null wie nicht vorhanden. Aber auch das passt den Leuten nicht. Wie man es bezeichnen soll, dass etwas Bekanntes, was man auch ohne Weiteres ableiten kann, nicht genannt wird, will ich lieber nicht sagen. Dass eine Technik an einem unbeliebten Konzept bleiben wollte, das auch noch nachweislich unwirtschaftlich ist, das verstehe nur einer.19In der Technik gilt, dass eine direkte Beleuchtung „wirtschaftlich“ sei. Das wird mit dem offensichtlichen Verlust an Licht bei der Indirektbeleuchtung erklärt. Das hört sich zwar plausibel an, ist aber falsch. Die Vorstellung stimmt nur dann, wenn man eine einzelne Lichtquelle nimmt und diese auf ein Sehobjekt richtet. Dieses ist dann heller beleuchtet, als wenn man diese Lichtquelle auf die Decke richtet. Das Konzept der Allgemeinbeleuchtung mit Direktleuchten vergeudet aber das meiste Licht in dem Bemühen, überall die höchste Sehleistung erzeugen zu wollen.

Unternehmen, die das Konzept „2K-Opt“ realisiert haben, berichteten uns, dass sie etwa 20 % an Ressourcen sparen. Denn „2K-Opt“ ist kein Wundermittel, sondern eine Beleuchtung, die mit Indirektleuchten eine hinreichende Helligkeit für die meisten Sehaufgaben realisiert. Für Personen oder Sehaufgaben, für die mehr Licht gebraucht wird, wird mit lokalen Leuchten (Tischleuchte, Arbeitsplatzleuchte) mehr Licht bei Bedarf erzeugt. Das Konzept ist nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sehr erfolgreich. Wenn man ASR A3.4 Beleuchtung sorgfältig liest, findet es dort in den Anforderungen zur Beleuchtungsstärke.

Mit diesen Ausführungen wollte ich zeigen, warum eine stolze Technik, die einen großen Beitrag zum Leben und zur Industrialisierung geleistet hat und auch weiterhin leistet, eine geringe Akzeptanz im beruflichen Bereich besitzt. Hier sei noch einmal an die Studie von Linkedin erinnert, wonach das wichtigste für deutsche Führungskräfte ein Arbeitsplatz ohne künstliche Beleuchtung ist. Dass die geringe Akzeptanz eher nicht der technischen Beschaffenheit des Lichts zu verdanken ist, sondern der Philosophie der Lichtmacher, beweist die Tatsache, dass künstliches Licht im Privatleben eher in der Akzeptanz gestiegen ist. Aber auch das Bild über die Blendung verschiedener Beleuchtungsarten beweist das, denn die Art mit der besten Bewertung „2K-Opt.“ Ist nicht etwa eine neue Kreation, sondern etwas, was unsere Großväter und Großmütter kannten, aber halt mit optimaler Technik. Was das bedeutet,, erkläre ich im nächsten Abschnitt.

Entmündigung des Benutzers und des Planers

Ein Wort zur Eigenverantwortung und Planung

Planung von Beleuchtung im Eigenheim geschieht zu einem Großteil in Eigenverantwortung, braucht aber eine gute Vorarbeit vom Architekten und dem „Lichtplaner“. Der letztere ist keine Person, sondern eine Rolle, die alle zusammenfasst, die dazu beitragen können, dass ein Wunsch nach einer guten Beleuchtung gelingen kann. Das fängt bei der Verlegung der Leitungen und Anbringung der Steckdosen an und endet noch nicht bei der Wahl der Tapeten oder Wandfarben.

Das Licht kommt später aus Lampen, im Fachjargon Leuchten, die man sich selber aussucht. Der wahre Lichttechniker hält die meisten davon für Lichttöter, d.h. für Objekte, aus denen das erzeugte Licht zuweilen nur in geringem Maße austreten wird oder kann. Die einst fast „vorgeschriebenen“ Objekte mit fester Anordnung, z.B. der Lüster über dem Esstisch, gibt es praktisch nicht mehr, auch wenn das Haus unverändert steht. Das Licht geht mit der Zeit, und man kann es stündlich ändern.

All das ist keine Garantie fürs Gelingen. Man kann beliebig viele Beispiele dafür finden, dass Leute ihre Umgebung falsch beleuchten. Aber immerhin besteht eine Chance, eigene Wünsche zu realisieren, und bei einem Scheitern zu korrigieren. Vor allem hat ein Mensch die Möglichkeit, die Rolle der Lampen zu bestimmen. Diese dienen mitnichten alle der Beleuchtung, häufig gehören sie zur Dekoration und sind eigentlich Möbelstücke, die auch Licht abgeben, also leuchten ohne zu beleuchten. Die Rollenverteilung ist beliebig. So ist die berühmte Architektenleuchte ein funktionales Element, das zum Zeichnen gebraucht wird. Man kann sie aber genauso als Strahler benutzen, um eine Wand oder ein Bild auszuleuchten. Dekorativ sieht sie aber auch dann aus.

Niemand wird auf die Idee kommen, die Rollen eines Beleuchtungskörpers zu trennen und den Nutzern vorzuschreiben, wo und wann welches Element in welcher Rolle und welcher Zahl anzuordnen ist. Doch in der professionellen Beleuchtung tut man genau das. Und dass man es tun soll, stand ausdrücklich in der Beleuchtungsnorm, die die Grundsätze beschrieb und festlegte, DIN 5035-1:1979.20DIN 5035-1:1979 Innenraumbeleuchtung mit künstlichem Licht – Begriffe und allgemeine Anforderungen. Sie klammerte den Wohnbereich ganz aus und erklärte sich für unzuständig: „Die Gestaltung der Beleuchtung lässt sich nicht in Richtlinien festlegen.“ Die Norm gab auch keine Hinweise dafür, was man machen soll. Darüber hinaus machte die Norm einen Unterschied zwischen Arbeitsräumen und sog. „stimmungsbetonten“ Räumen. „In den stimmungsbetonten Räumen spielen gestalterische Gesichtspunkte und solche der Behaglichkeit eine Rolle.“, so die Norm in Abschnitt 3.5. Im Gegensatz dazu heißt es „In Arbeitsräumen muß die Beleuchtung eines müheloses Erkennen der Sehobjekte ermöglichen.

Die einzige Anforderung an die Beleuchtung von Arbeitsräumen ist somit funktioneller Art. Sie gilt, auch wenn die Beleuchtung nicht stimmungsbetont, sondern betont stimmungstötend ist. Tatsächlich muss man zuweilen unangenehme Dinge in Kauf nehmen, wenn man eine Funktion sonst nicht realisieren kann. So wäre es z.B. durchaus sinnvoll zu fordern, dass eine Person im Schreib-/Lesebereich vor ihr dort befindliche Sehobjekte erkennen kann. Aber mühelos erkennen? Dazu schraubt man die Anforderungen an die Beleuchtung so hoch wie möglich. Wie hoch? Bis jeder alles vor ihm Liegende ohne Mühe erkennen kann. Unbestimmter geht es nicht. Es geht aber schlimmer …

Und man muss die Anforderungen nicht nur dort erfüllen, wo man etwas sehen will oder muss, sondern es gilt: „in der Regel ist eine Allgemeinbeleuchtung von Räumen vorzusehen. Sie soll an allen Stellen im Raum etwa gleich gute Sehbedingungen schaffen und den Raum zur Wirkung bringen.” (DIN 5035-1:1979) Wenn man also nicht weiß, wo man sitzen will, muss man den ganzen Raum mit Stühlen füllen. Was durch diese Anforderung entstand, hat ein Wissenschaftler, Erwin Hartmann, der ansonsten mit vielen kritischen Anforderungen der Normen gewöhnlich einverstanden war, regelrecht verrissen: “(1) Das allgemeine Beleuchtungsniveau muß sich nach den höchsten Sehanforderungen richten, das bedeutet, daß auch dort ein hohes Beleuchtungsniveau herrscht, wo das von der Sehaufgabe her vielleicht gar nicht erforderlich ist. ...

(3) Wird der Raum im Interesse eines hohen Beleuchtungswirkungsgrades noch einheitlich hell möbliert und ausgestattet, führt die Allgemeinbeleuchtung nur allzu häufig zu einer Kontrastverarmung, die mit dem Schlagwort ‘Lichtsoße’ recht treffend gekennzeichnet ist. Gerade dieser letzte Punkt stellt sehr häufig die Ursache für Klagen über die Sehverhältnisse am Arbeitsplatz und die Beleuchtung dar, …“ 21Hartmann, E.: Optimale Beleuchtung am Arbeitsplatz. Kiehl Verlag Ludwigshafen 1977

Wenn es nur dabei geblieben wäre, könnten sich Menschen mit An- und Abschalten der Beleuchtung u.ä. behelfen. Erstens geht dies nur in kleinen Arbeitsräumen und zweitens wenn man darf. Denn der Arbeitsschutz, der die Normen ernst nahm, bestand häufig darauf, dass das Licht immer mehr als die als erforderlich angesehenen 500 lx generierte, das auch bei Tage. Zum anderen wurden Lichtschalter in nicht wenigen Fällen abgeschafft und die Lichtregelung dem Computer übertragen.

Somit entzog man nicht nur dem Nutzer, also dem Benutzer wie auch dessen Arbeitgeber, die Bestimmung über das Licht in der Arbeitsumgebung. Schlimmer noch, die Berufsgenossenschaften verlangten, dass man entweder keine individuellen Leuchten (Tischleuchten) benutzen darf, oder dass diese immer mit der Allgemeinbeleuchtung verschaltet werden müssen, damit sie nie allein leuchten.22Diese sich seltsam anmutende Forderung wurde nicht nur den Nutzern gestellt, sondern auch den Herstellern. Warum man beim Einschalten einer Tischleuchte gleich den ganzen Raum beleuchten muss, wird niemand verstehen können. Außer man analysiert gewisse Seltsamkeiten des deutschen Rechts und Arbeitsschutzes. Man wollte mit der Forderung vermeiden, dass eine Tischleuchte allein benutzt wird. Dass sie dann blendet, war schon Leffingwell bekannt. Warum blendet sie aber tagsüber, wo das Tageslicht dominiert? Dieses war aber in der Arbeitsstättenverordnung von 1975 nicht vorgesehen, denn die Beleuchtung durch das Tageslicht galt als Ländersache. Somit existierte das Tageslicht für die Berufsgenossenschaften nicht als Beleuchtung. Diese sind nicht für die Bauordnungen zuständig. Daher die kuriose Vorstellung, dass beim Einschalten einer Tischleuchte gleich der ganze Saal beleuchtet werden müsse.

Die Bestimmung über das Licht in der Arbeitsumgebung wurde aber auch dem Lichtplaner entzogen. Dieser muss für die Arbeitsstätten die Normen anwenden. Die Anwendung wird von den Berufsgenossenschaften und auch von der Gewerbeaufsicht geprüft. Die letzteren können sogar die Inbetriebnahme eines Gebäudes untersagen, wenn das Beleuchtungskonzept nicht stimmt.23Die Gewerbeaufsicht ist die Staatspolizei für den Arbeitsschutz. Die Beleuchtung ist eine bauliche Maßnahme. Daher kann die Gewerbeaufsicht verlangen, dass die Beleuchtung der Arbeitsstättenverordnung entspricht. In einem eklatanten Fall war ich Gutachter für ein Gebäude mit 150.000 m2 Bürofläche, dessen Inbetriebnahme nicht genehmigt wurde, bis das Beleuchtungskonzept „Allgemeinbeleuchtung“ realisiert wurde. Der Bauherr hatte für das hochwertige Objekt einen renommierten und hochdekorierten Lichtplaner beauftragt, der eine bessere Beleuchtung geplant hatte. Diese war zwar tatsächlich besser, aber nicht wenn die Anforderung heißt „Allgemeinbeleuchtung“. Auch heute sind die Anforderungen der Normen so kleinteilig und detailliert, dass dem Lichtplaner kaum ein Freiheitsgrad verbleibt.

Der Staat ist zu Maßnahmen berechtigt, wenn Produkte oder Dienstleistungen seine Bürger gefährden. Er ist sogar dazu verpflichtet. Was mag wohl an dem Produkt des Lichtplaners für eine Gefahr stecken? Was kann ein Arbeitgeber falsch machen, wenn er eine falsche Beleuchtung installiert oder betreibt? Was tut denn ein Arbeitnehmer falsch, wenn er bei der Arbeit das Licht falsch bedient?

Wer diese Fragen für sich beantworten möchte, kann die einzelnen Stationen im Verlauf der Bahn der elektrischen Sonne noch einmal durchgehen. Besonders wichtig für deutsche Verhältnisse ist dabei, dass in Deutschland der Staat Licht für seine Zwecke instrumentalisiert hatte, und zwar um die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu erhöhen. Das ist zwar schon lange vorbei, aber die Lichtmacher versprechen immer noch eine höhere Arbeitsleistung. Bei den Aufgaben der Beleuchtung heißt es „Die Beleuchtung beeinflußt durch ihre Qualität die Sehleistung, die Aktivierung, die Arbeitssicherheit und das Wohlbefinden des Menschen.

Und wie diese Qualität denn aussieht, wollen die Hersteller von Leuchten bestimmen. Der eigentliche Hersteller der Beleuchtung, der Lichtplaner, ist in den Gremien, die die Qualität vorgeben, nicht einmal vertreten. Lichtplanung vorzugeben ohne Beteiligung der Lichtplaner - ein erstklassiges Rezept, das ein Scheitern garantiert.

Entzug der Eigenverantwortung für die Arbeitsumgebung

Wenn Lichttechniker die Historie ihrer Profession studiert und insbesondere die Hawthorne Erfahrungen verinnerlicht hätten, müsste man hier nicht ein Wort darüber verlieren, wie wichtig nicht-technische Arbeitsbedingungen alias Human Relations sind. Im weiteren Verlauf der Geschichte hat man gelernt, dass eine effektive Kontrolle über die eigenen Arbeitsbedingungen den Menschen nicht nur gesund erhält, sondern auch hilft, belastende Bedingungen besser zu ertragen. Kontrolle heißt dabei, dass eine Person seine Arbeitsbedingungen eigenen Präferenzen entsprechend beeinflussen kann.

Aus diesem Grunde wurde die Methode Partizipation im Betrieb seit Ende der 1960er Jahre eingeführt, deren Bedeutung seither stetig gestiegen ist. Sie ergänzt die kollektive Mitbestimmung durch gewählte Vertreter. Allerdings bedeutet weder Partizipation noch Mitbestimmung, dass Betroffene nach eigenem Gusto verlangen dürfen, wie Licht, Luft, Lärm in ihrer Umgebung sein sollen. Man muss methodisch vorgehen. Hierbei muss man eventuell vorhandene Vorschriften des Staates wie auch gesicherte Erkenntnisse aus dem betrieblichen Geschehen berücksichtigen. Hierbei spielen staatliche Vorschriften für den Arbeitsschutz eine große Rolle. Allerdings ist man seit einiger Zeit schlauer. Denn das Vorgehen ist mit vielen Tücken behaftet.

Das Bemühen, mit Vorschriften und Richtlinien für gute Arbeitsverhältnisse zu sorgen, machte über lange Jahrzehnte das einzige Konzept aus, das dem Staat bzw. seinen Arbeitsschützern einfiel. Das war auch nötig, weil viele Arbeitsbedingungen existierten, die Menschen nicht nur belasteten, sondern krank und kaputt machten. Ein Beispiel dazu ist Lärm. Noch bevor gesundheitsschädliche Arbeitsplätze in großer Zahl überhaupt existierten, hat kein geringerer als Robert Koch vorhergesagt, dass der Lärm eines Tages die Stelle von Pest und Cholera einnehmen wird.24Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso bekämpfen müssen wie Pest und Cholera“, Robert Koch, Nobelpreisträger, 1843 - 1910 Die Prophezeiung wurde schneller wahr als Robert Koch vermutet hätte. Heute ist der Stadtmensch zuweilen selbst in seiner Wohnung Lärm ausgesetzt, der in der Natur als Dauerschall nur selten vorkommt. Umgebungen wie ICE-Züge oder Flugzeuge, die für ein behagliches Reisen gedacht sind, übersteigen im Lärmpegel alle natürlichen Dauerschallquellen.

Für die Arbeitswelt wurden Grenzwerte für Schall eingeführt. Diese stehen nicht etwa allein in der Landschaft, sondern werden von mehr als ein Dutzend Verordnungen, gesetzlichen Bestimmungen u.ä flankiert. Kein Geber privater Normen (DIN, VDI u.ä), der keine Richtlinien zu Lärm hätte. Ein Großteil der Mittel der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) flossen Jahrzehnte lang in den Lärmschutz. Was ist erreicht?

Was erreicht wurde, ist zwar immens. Aber auch was nicht erreicht wurde. So lange es ergonomische Forschung für Büroarbeit gibt, gibt es auch die Erkenntnis, dass Lärm der störende Umweltfaktor Nummer 1 ist. Dies hat nichts mit den Lärmbedingungen zu tun, die das Ohr schädigen können. Vielmehr ist es das paradoxerweise Ergebnis erfolgreicher Schallschutzarbeit. Die Büros sind so leise geworden, dass auch kleine Geräusche stören. Gegen solche Wirkungen mit Vorschriften und Regeln vorzugehen, scheint absurd, wenn an anderen Arbeitsplätzen die Menschen von solchen Verhältnissen nur träumen können. So ist das Problem Lärm im Büro etwa ein halbes Jahrhundert bekannt, eine Lösung aber immer noch nicht.

Ähnlich wie beim Lärm kann man auch zum Licht am Arbeitsplatz argumentieren, was ich in der Praxis tatsächlich häufig erlebt habe. In einem Autowerk konnte der Betriebsrat nicht einsehen, dass den Kollegen am Bildschirm die Augen weh taten, während sich die Schweißer sogar mit schädigendem Licht abfinden mussten. Bei einer Werft fanden die Arbeitsschützer die Furcht vor einer Bildschirmstrahlung absurd, weil die Kollegen in der Technik Magnetfeldern ausgesetzt waren, deren Stärke Millionenfach größer war als die vermeintliche Bildschirmstrahlung. Wenn man dies fortsetzt, müsste der Staat bei seinen Vorschriften zunächst die am schlimmsten Betroffenen berücksichtigen, was sogar richtig ist. Dummerweise bleiben dann aber viele unberücksichtigt. So gibt es bezüglich der Lärmbelastung seit 2003 eine Arbeitsschutzrichtlinie der EU, die in jedem Mitgliedsstaat ins eigene Recht übernommen worden ist.25RICHTLINIE 2003/10/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 6. Februar 2003

über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (Lärm)

(17. Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 derRichtlinie 89/391/ EWG)
Diese schützt das Gehör und legt bestimmte Lärmgrenzwerte fest. Sie liegen allesamt oberhalb von Lärmwerten, die man in Büros und auch in den meisten Betrieben messen kann.26RICHTLINIE 2003/10/EG legt in Artikel 3 folgende Werte fest:
Für diese Richtlinie werden die Expositionsgrenzwerte und die Auslösewerte in Bezug auf die Tages-Lärmexpositionspegel und den Spitzenschalldruck wie folgt festgesetzt:
a) Expositionsgrenzwerte: LEX,8h = 87 dB(A) bzw. Ppeak = 200 Pa b) Obere Auslösewerte: LEX,8h = 85 dB(A) bzw. Ppeak = 140 Pa c) Untere Auslösewerte: LEX,8h = 80 dB(A) bzw. Ppeak = 112 Pa
Demnach könnte man in allen Büros auf den Lärmschutz verzichten.

Dem ist es aber nicht so. Denn das oberste Prinzip lautet nicht, dass man einen physischen Schaden verhindern muss, sondern dass der Lärm so gering wie möglich gehalten werden soll. Genau hier greift die neue Methode, wonach man im Betrieb analysiert, ob ein gegebener Faktor eine physische oder psychische Gefährdung darstellt. Die Gefährdungsanalyse ist in der Arbeitsstättenverordnung festgeschrieben. Wenn man Arbeitsplätze wie eine Bibliothek, ein Büro im Innendienst und ein Büro mit Publikumsverkehr so analysiert, wird man sehr unterschiedliche akzeptable Lärmwerte ermitteln, die eine Maßnahme erforderlich machen. Solche Maßnahmen können sich auch auf die Eigenverantwortung richten, wie man es aus Lesesälen von Bibliotheken kennt. Sie müssen so leise sein wie möglich. Hingegen erübrigen sich viele Maßnahmen im Büro mit Publikumsverkehr, weil der Lärm durch diesen selbst entsteht.

So weit, so gut. Was tut ein Betrieb mit Licht? Können sich die Mitarbeiter auf eine Gefährdung berufen, wenn sie sich geblendet fühlen? Wie ernst ist es zu nehmen, wenn sie sich durch Licht gestresst fühlen? Kann man von den Normen abweichen, wenn Einzelne oder gar mehrere Mitarbeiter gar kein Licht haben wollen? Kann man bei einer Neuplanung den Lichtplaner verantwortlich machen, wenn sich die Mitarbeiter beschweren?

Mit solchen Fragen habe ich mich über vier Jahrzehnte beschäftigen müssen, weil ich mich hauptsächlich mit der Arbeit am Bildschirm beschäftige, und diese ist immer mit Augenbelastungen verbunden. Daher steht die Beleuchtung immer im Verdacht, ursächlich für Augenbeschwerden und Ermüdung zu sein. Das ist aber nur teilweise wahr. Allerdings wurde der Verdacht ja von dem einstigen Vorsitzenden des Normenausschusses Lichttechnik persönlich geäußert, indem dieser nicht nur eigens eine Leuchte entwickelt hat, die die Probleme der Benutzer von Bildschirmgeräten lösen sollte. Er hat auch dafür gesorgt, dass eigens hierfür eine Norm geschrieben wurde (DIN 5035-7:1988). Darin wurde ein neues Gütemerkmal für die Beleuchtung eingeführt – das erste neue seit 1935!

Diese Norm stellte den Gipfel der Entmündigung aller Betroffenen dar, denn sie hat von den Reflexionsgraden der Wände bis hin zur Aufstellung der Arbeitsplätze im Raum praktisch alles vorgegeben, was ein Architekt, ein Raumplaner, ein Büroorganisator gestalten könnte. Die Norm hat sogar die Farbe der Oberkleidung kommentiert.

Aber allzu praktisch fiel das Ergebnis nicht aus. Kein Betrieb kann es sich leisten, große Teile von Arbeitsräumen frei zu lassen, damit irgendwelche Sichtgeometrien stimmen. Schon gar nicht, bestimmte Arbeitsplätze in die zweite Reihe verbannen, wo sich alle nach einem Fensterplatz sehnen. Wie erfolgreich wäre die Einführung von Computern in der deutschen Wirtschaft verlaufen, wenn man den Belegschaften dargelegt hätte, dass jeder Bildschirmnutzer Abschied vom Fensterplatz nehmen müsse?

Die Frage, ob man den Lichtplaner verantwortlich machen kann, wenn sich die Mitarbeiter beschweren, ist somit auch klar beantwortet. Wenn dieser seine Planung nach der Norm DIN 5035-7 durchgeführt hat, kann der Betrieb die Bedingungen nicht einhalten. Und dann betrifft der Mangel nicht mehr den Planer. Dies ist nicht etwa eine theoretische Feststellung. Es war Gegenstand mehrerer Prozesse bei den Arbeitsgerichten und Einigungsstellenverfahren.

Ignorieren individueller Unterschiede wider besseres Wissen

Seit langem gibt es keine Arbeitsstätten, in denen man ohne künstliche Beleuchtung arbeiten kann. Und selbst bei Einzelzimmern, die von einer einzigen Person benutzt werden, muss der Planer die Beleuchtung so vorsehen, dass bereits am nächsten Tag eine andere Person dort tätig werden kann. Der größte Teil der Arbeitsstätten wird aber von mehreren Personen besiedelt. Daher scheint eine Berücksichtigung einer Individualität recht fraglich. Auch in der Ergonomie war es lange Zeit Usus, dass Arbeitsplätze wie Produkte für den „mittleren“ Menschen gestaltet wurden, weil man nicht wusste, wer denn der spätere „User“ sein wird.

Dieses Konzept wurde beginnend in den 1970ern aufgegeben. Zunächst wurde festgelegt, dass man für etwa 90% der Benutzer gestalten solle.27Die Zahl 90% leitet sich etwa daraus ab, dass man alle Menschen vom 5. Perzentil bis zum 95. Perzentil berücksichtigt. Ganz genau ist die Zahl nicht, weil Männer und Frauen nicht überall in gleichen Zahlen arbeiten. Bei der Kleidung oder den Schuhen geht man weit detaillierter vor. Wenn man allerdings alles passgenau gestaltet, liegt man bei der kleinsten Änderung schon falsch, was man in Kleiderschränken häufig beobachten kann. Später wurde die Vorstellung von der „Accessibility“, also Zugänglichkeit, vom Bauwesen auf alle wichtigen Lebensbereiche übertragen. Das bedeutet, dass ein möglichst großer Kreis an Benutzern einkalkuliert werden muss.

Eine solche Vorstellung ist der Lichttechnik nicht fremd. Man kann sogar nachweisen, dass die Beleuchtungstechnik viel früher als andere die Unterschiedlichkeit der Menschen thematisiert hatte. Auf jeden Fall hat die in diesem Bild gezeigte Kurve eine längere Historie als die Zugänglichkeit und fast alle ergonomischen Konzepte. Das zeigt das untere Bild, eine viel ältere Version. Die Aussage dieses Bildes kann man bei vielen ergonomischen Studien ebenso finden: Ein bestimmter Umweltfaktor findet Akzeptanz in der Form einer bestimmten Kurve, die dem Mathematiker Gauß zugeschrieben wird, z.B. die Temperatur der Luft im Raum. Bei geringen Temperaturen finden sie fast alle zu kalt, es gibt einen optimalen Bereich, und mit zunehmender Temperatur finden viele sie zu warm. Bei Licht muss man nur „zu kalt“ durch „zu dunkel“ ersetzen und „zu warm“ durch „zu hell“. Was tut man aber mit dieser Erkenntnis, wenn man sie als richtig akzeptiert? Die Frage ist so neu nicht, und auch nicht selten, denn auch Stadtplaner, Architekten, Hersteller von „Straßenmöbeln“ wie Parkbänke mussten sich mit dem Thema immer wieder befassen.

Die Art Konsequenz, die Stadtplaner und Architekten gezogen haben, kann man z.B. an öffentlichen Treppen sehen. Deren Stufen sind so gewählt, dass die am stärksten Betroffenen noch damit umgehen können. Also weisen die Stufen eine relativ geringe Höhe auf. Da dies für Gehbehinderte immer noch zu hoch ist, müssen barrierefreie Bauten einen Zugang ohne Stufen vorsehen. In den Städten werden Bordsteinkanten abgesenkt.

Wenn also eine bestimmte Anpassung an alle nicht möglich ist, kann oder muss man die am schlimmsten betroffene Gruppe bevorzugen. Etwas anders geht man bei der Raumtemperatur vor. Die ziemlich wenig geeignete Lösung ist eine Klimatisierung, bei der man die Temperatur so wählt, dass die Zahl der Zufriedenen am höchsten ist. Leider ist es dann für 15% zu warm und für weitere 15 % zu kalt. Exakt in dieser Situation befindet sich der Beleuchtungsplaner, der eine Allgemeinbeleuchtung realisieren soll. Welche Beleuchtungsstärke er auch immer wählt, es wird immer theoretisch 30% Unzufriedene geben. Dabei ist die Beleuchtungsstärke nicht das einzige Gütemerkmal der Beleuchtung. Je nach Jahreszahl gab es in der Vergangenheit immer fünf bis sieben.

Geht man von dem Konzept aus, das Allgemeinbeleuchtung beschreibt, muss man an allen Stellen etwa gleiche Sehbedingungen schaffen. Das lesen die Techniker so, dass die physikalischen Bedingungen gleich sein sollen. Findet dann jeder Arbeitnehmer die gleichen Sehbedingungen vor? Und sind sie für jeden gleich gut? Dass dem nicht so ist, kann man erstens in den Normen lesen und zweitens aus der Literatur ableiten.

Zuerst zur Literatur. Man kann allenthalben lesen, dass Ältere mehr Licht bräuchten. Das stimmt zwar, aber klingt verwunderlich, denn nirgendwo in den Anforderungen steht, dass sie nur Jüngere berücksichtigen. Das tun sie aber, denn sonst ist die Empfehlung sinnlos. Aber nicht alle Jüngeren werden berücksichtigt. Denn es heißt: „Die Zuordnung eines bestimmten Wertes der Nennbeleuchtungsstärke zu einer Sehaufgabe bezieht sich auf normalsichtige Personen.“28Aus DIN 5035-1:1979 4.1. Nennbeleuchtungsstärke

Hier kann man bereits erkennen, dass die Lichtmacher nicht etwa die von Sehaufgaben am schlimmsten Betroffenen bedienen, sondern die es am besten haben. Ein klarer Verstoß gegen die Grundsätze, nach denen man vorgehen soll, wenn man nicht alle angemessen berücksichtigen kann. Aber auch die Abhilfe, die man der Literatur entnehmen kann, sorgt dafür, dass die so benachteiligten, es noch schlimmer trifft. Denn Ältere sollten mehr Beleuchtungsstärke bekommen. Dadurch werden sie aber stärker geblendet. Denn Ältere brauchen mehr Licht u.a. weil sich die Augenmedien trüben. Und genau deswegen sind sie auch empfindlicher für Blendung.

Wenn man vor über 60 Jahren festgestellt hat, dass sich der Lichtbedarf der Menschen sehr unterschiedet (aus den Kurven kann man zwischen 20 lx und 10.000 lx ableiten), und noch sehr viel früher gewusst haben will, dass Menschen gleiche Sehbedingungen brauchen (Allgemeinbeleuchtung ist ein Konzept aus den 1930ern), ist es mehr als fahrlässig, für alle die gleichen physikalischen Bedingungen vorzusehen. D.h., der Stress, den viele bei der Arbeit mit Licht und Sehen erleben, geht auf systematische Wurzeln zurück.

Es gibt auch einen untrüglichen Beweis dafür, dass das Konzept der Allgemeinbeleuchtung nicht funktionieren kann. Diesen Beweis hat jüngst ein lichttechnisches Gremium, auch wenn ungewollt, erbracht. DIN EN 12464-1 gibt nicht mehr nur eine Größe für die Beleuchtungsstärke für eine Arbeit an, sondern eine Wahl auf der Basis von sog. „kontextabhängigen“ Modifikatoren.[29Die Phrase „kontextabhängige Modifikator“ hört sich sehr abhoben an, ist aber nicht. Die Arbeitsstättenverordnung von 1975 schrieb vor: „Die Beleuchtung muss sich nach der Art der Sehaufgabe richten.“ ArbStättV von 1975 § 7 (3). Etwa 15 Jahre später schrieb die Europäische Bildschirmarbeitsrichtlinie 90/270/EWG Beleuchtungsbedingungen vor, die man „auf die Art der Tätigkeit und die sehkraftbedingten Bedürfnisse des Benutzers“ anpassen muss. Die internationale Norm für visuelle Ergonomie ISO 8995:1989 gab für jede Sehaufgabe einen Bereich vor, in dem man die zu realisierende Größe nach Sehaufgabe wählen konnte: „Schuhproduktion: Beleuchtungsstärke 500 – 750 – 1000 lx, Blendungsklasse A – B“. Diese Norm wurde im Jahr 2002 unter der gleichen Nummer völlig verändert und mit dem Vorläufer von EN 12464-1 praktisch identisch erlassen. Dort stand für jede Sehaufgabe nunmehr nur noch ein Wert. Runde 20 Jahre später führte man die „kontextabhängigen Modifikatoren“ ein, die dasselbe tun wie ISO 8995 zuvor, aber schlechter, weil die möglicherweise unterschiedliche Blendung wird nicht erwähnt. Was sich hinter dem monströsen Begriff verbirgt, kann man schnell verstehen, wenn man diese genannt bekommt:

  • die Sehaufgabe ist kritisch für den Arbeitsablauf
  • Fehler können nur unter hohen Kosten behoben werden
  • Genauigkeit, höhere Produktivität oder erhöhte Konzentration sind von großer Bedeutung
  • die Sehfähigkeit des Arbeitnehmers liegt unter dem üblichen Sehvermögen

Es sind insgesamt sieben Bedingungen, die eine andere Beleuchtung erfordern als die vorgegebene. Und keine der angeführten „Kontextmodifikatoren“ war in der lichttechnischen Literatur unbekannt. Noch nie hat jemand besser nachgewiesen, dass das Grundkonzept der Beleuchtungsnormen falsch war. Aber das Ergebnis steht allein in Deutschland an ca. 45 Millionen Arbeitsplätzen. Schlimmer noch: die Betriebe und deren Planer lernen nicht so schnell um.

Lichtverschmutzung – Die andere Hausnummer

Als das künstliche Licht ein knappes Gut war und gar ein Novum, wäre niemand auf die Idee gekommen, dass es eines Tages eine solche Vorstellung überhaupt geben würde, Licht als Müll. Aus der einstigen Offenbarung ist eine Art Pest geworden, für die aber die Technik höchstens mittelbar verantwortlich ist. Oder in manchen Fällen sogar die Ignorierung der Empfehlungen aus der Technik schuld. Beispielsweise existieren Straßenleuchten, die man vom Flugzeug aus als Schatten sehen kann, schon mehrere Jahrzehnte. Diese wurden u.a. entwickelt, um die Blendung für Autofahrer zu reduzieren, aber auch um die Umwelt vor ungewollter Beleuchtung zu schützen. Dennoch kann man bei einem Flug über eine Stadt deutlich erkennen, ob die Verkehrsplaner ihre Aufgaben gemacht haben. Immer wenn helle Lampen vom Flieger aus zu sehen sind, ist die Beleuchtung falsch.

Eine in 2019 durchgeführte Studie des GFZ Potsdam hat gezeigt, dass 26 % ±4% des irdischen Lichts, das man vom Satelliten aus messen kann, von der Straßenbeleuchtung stammt.30GFZ Potsdam Straßenlaternen tragen weniger zu nächtlichen Lichtemissionen einer Stadt bei als erwartet, @, abgerufen 23.01.2023

Kyba, CCD; Ruby, A.; Espey, B. Direct measurement of the contribution of street lighting to satellite observations of nighttime light emissions from urban areas, Lighting Research & Technology, 53 – 3 , https://doi.org/10.1177/1477153520958463, Barrentine, J. C. et al Recovering the city street lighting fraction from skyglow measurements in a large-scale municipal dimming experiment, Journal of Quantitative Spectroscopy and Radiative Transfer, 253 , 2020, https://doi.org/10.1016/j.jqsrt.2020.107120

Astronomen beklagen seit Langem, dass ihre Arbeit durch nächtliches Licht gestört wird bzw. unmöglich geworden ist. Während die GFZ Studie feststellt, dass die Straßenbeleuchtung eigentlich weniger zur Lichtverschmutzung beiträgt als vermutet, fragen sich andere, woher das restliche Licht von der Erde in den Himmel kommt.

Im Prinzip bedeutet praktisch alles Licht, was man nachts von oben, also von den Bergen oder aus Flugzeugen und Satelliten sieht, verschwendete Energie oder gar Blendung. Nur ein geringer Teil besteht aus reflektiertem Licht von Sehobjekten (z.B. Flughäfen) oder Straßen. Dies ist unvermeidbar und entsteht als Folge einer nützlichen Anwendung. Da aber die Straßen einen nahezu schwarzen Asphaltbelag haben, ist die Intensität gering.

Die Zahlen besagen, dass der größte Teil des Störlichts nicht einem Nutzen entspricht. Der Vergleich des Nachthimmels über einer ländlichen Gegend (oben) und über einer Stadt (unten) zeigt, dass wir nicht einmal als Normalbürger die Milchstraße oder die Planeten sehen können.31Bild Jeremy Stanley, Wikimedia Creative Commons Das ist aber leider nicht alles, denn durch die Lichtverschmutzung kann der chronobiologische Rhythmus von Menschen, Tieren und Pflanzen erheblich gestört werden. Dies hat beispielsweise zur Folge, dass der natürliche Wachstumszyklus von Pflanzen durcheinandergebracht wird und Zugvögel und Fischschwärme die Orientierung verlieren. Insekten sind sogar mehrfach betroffen, weil einmal ihr eigener Rhythmus durcheinander kommt, und zum anderen ihre Fressfeinde ihr Jagdverhalten ändern.

Die größten Verursacher von Lichtverschmutzung sind Großstädte und Industrieanlagen, die die Nacht durch Straßenbeleuchtung, Industriebeleuchtung, Leuchtreklame, hohe Videowände und Flutlichtanlagen erhellen. Selbst in einst unwegsamen Teilen der Erde sieht man vom Flieger aus helle Städte. Orte wie Las Vegas kündigen sich lange vor der Ankunft durch ihre Lichtglocke an. Die Nacht scheint verloren.

Waren es einst nur die Astronomen oder Umweltschützer, die sich Gedanken um die Lichtverschmutzung machten, gehören heute auch Mediziner dazu, weil die Auswirkungen der fehlenden Nacht unüberschaubar geworden sind. So empfehlen Chronobiologen, die für den Tag möglichst viel Licht schaffen wollen, für den Abend dafür eine starke Begrenzung und für die Nacht gar Dunkelheit. LAN = light at night hat sich zu einem Dauerthema in der Medizin entwickelt. Allerdings zu keinem erfreulichen, denn das Licht steht für allerlei Unbill bis hin zum Förderer von Krebs. Die Nacht zum Tage machen, steht nicht mehr für einen Menschheitstraum.

Die Vorstellung, dass Licht eine Verschmutzung sein kann, zusammen mit vielen negativen Erfahrungen aus dem beruflichen Bereich hat den Glanz der elektrischen Sonne erheblich verblassen lassen. Wurde das künstliche Licht vor einem Jahrhundert in den Himmel gelobt, betrachten wir es heute viel nüchterner, zumal es alltäglich und wirklich billig geworden ist.

Systematik des Abstiegs oder Stolpern über selbstgelegte Steine

Wenn sich eine äußerst erfolgreiche Technologie, deren Produkte über die gesamte Geschichte hinweg gefragt waren im buchstäblichen Sinne des Wortes, auf dem absteigenden Ast befindet, kann es an den Umständen liegen. So wird der Benzinmotor, einst Sieger im Wettkampf gegen den Elektromotor bei Autos, seinen Platz nicht wegen erwiesener Mängel räumen, sondern wegen der Klimakrise. Technologisch ist er aber an seinem Zenit der Perfektion.

Das künstliche Licht hingegen dürfte über Steine stolpern, die seine Macher über fast eineinhalb Jahrhunderte selber gelegt haben. Diese will ich in den nächsten beiden Kapiteln behandeln. Das erste davon handelt von einer ungewöhnlichen Tätigkeit für Ingenieure und Techniker, einer Legendenbildung statt Wissensakkumulation. Diese orientiert sich an einer launischen Rede eines international bekannten Lichttechnikers mit sehr ernstem Hintergrund.

Noch ernster fällt die Darstellung des methodischen Vorgehens aus, das eine Wissensakkumulation meist bewusst verhindert, indem es wissenschaftliche Methoden entgegen ihrem Erfindungszweck einsetzt. Das Unvermögen, ein fundamentales Problem, die Frage der Blendung, zu lösen, behandle ich getrennt, weil man sich damit gesondert beschäftigen muss.

Wer die Zukunft der Technik des Lichtmachens aktiv mitgestalten will, begibt sich auf einen steinigen Weg, der mit den unten beschriebenen Problemen gepflastert ist. Deren Geschichte reicht zurück bis in die Geburtsjahre der elektrischen Sonne. Nicht zuletzt werde ich darstellen, was uns die 20er Jahre hinterlassen haben – die 1920er Jahre.