Nach langen Irrungen und Wirrungen hat die Lichttechnik die Bedeutung des Tageslichts für den Menschen anerkannt. Leider ist kaum jemandem klar, wovon man spricht, wenn von Tageslicht die Rede ist. Dies habe ich u.a. hier thematisiert.
Zum einen geht es darum, dass in der Lichttechnik nur ein Teil des Tageslichts als Licht aufgefasst wird. Diesen Teil hat aber nie ein Mensch oder ein Tier erlebt. Pflanzen schon gar nicht. Das Problem geht aber weiter, weil das Wort "Tageslicht" z.B. zur Bezeichnung von Lampen verwendet wird, deren Licht in keinerlei Hinsicht etwas mit Tageslicht zu tun haben kann.
Aber auch ein mit vielerlei Tricks in Arbeitsräume eingeführtes Licht wird Tageslicht genannt, so auch das hier abgebildete.
Die vielen Spiegel reflektieren das Licht, dass die Prismen über dem Fenster vom Himmel in den Raum umlenken. Die Prismen sammeln aber nicht das Sonnenlicht, sondern das Licht vom Zenit, weil es dort konstanter ist. Dort finden sich zuweilen Wolken, deren Farbtemperatur je nach Wolkenart variiert. Sie kann sich von 2000 K bis 3000 K (gegen Abend) über 5000 K bis 7500 K (hohe Wolken, mittags) auf bis 9000 K bis 12000 K (dünne Wolke oder wolkenloser Himmel) ändern. Ohne Wolken liegt die Farbtemperatur meist oberhalb von 10000 K und reicht bis 17000 K.
Die angegebenen Farbtemperaturen sind "Natur". Was empfindet aber der Mensch als "natürlich"? Die Erfahrung sagt, dass die Empfindung draußen und drinnen sehr unterschiedlich ist. Während man einen strahlendblauen Himmel (über 10.000 K) häufig mit Wärme verbindet, weil gleichzeitig die Sonne scheint, empfinden Menschen die Lichtfarbe "neutralweiß" (4000 K) im Innenraum als kalt. Als "natürlich" wird die Glühlampe erlebt, an der bestimmt nichts natürlich ist.
Seit 2018 wird die biologische Wirkung von Beleuchtung auf das Tageslicht bezogen, und zwar auf ein Licht mit der Farbtemperatur von 6504 K. Dieses Licht ist im Vergleich zum blauen Himmel sehr warm! Aber kaum jemand möchte es in seinem Arbeitsraum sehen.
Das Unterfangen, Tageslicht oder was es sein soll, mit physikalischen Größen zu charakterisieren und die Empfindungen der Nutzer damit zu erklären, ist zum Scheitern verdammt. U.a. deswegen geben Beleuchtungsnormen, die ansonsten sehr detaillierte Angaben zu verschiedenen Beleuchtungsstärken machen, keine Empfehlung zu Lichtfarbe bzw. Farbtemperatur. So steht es in der letzten Beleuchtungsnorm DIN EN 12464-1:
"Die Wahl der Lichtfarbe ist eine Frage der Psychologie, der Ästhetik und dem, was als natürlich angesehen wird. Die Auswahl hängt von der Beleuchtungsstärke, den Farben des Raums und der Möbel, dem Umgebungsklima und der Anwendung ab. In warmen Klimazonen wird im Allgemeinen eine kühlere Lichtfarbe bevorzugt, wohingegen in kaltem Klima eine wärmere Lichtfarbe bevorzugt wird."