Warum Beleuchtung im Büro Stress bedeutet?

Alle wollen unser Gutes und dennoch fühlen wir Stress, wenn es um die Beleuchtung im Büro geht. Wenn man die einschlägigen Zeitschriften liest, ist das Licht im Büro blendfrei und angenehm. Besser könnte sie gar nicht sein. So ähnlich ergeht es vielen auch mit der Klimatisierung. Wie kommt das eigentlich?

Vor langen Jahren musste ein Unternehmen ein wirklich minderwertiges Bürohaus bauen, deren Fertigstellung nur fünf Monate nach Planungsbeginn sein musste. Die Planung des Mutterhauses hingegen hatte mehrere Jahre gedauert und war in Begleitung eines Arbeitspsychologen optimal erfolgt. Der Arbeitgeber wusste nicht, wie er der Belegschaft beibringen sollte, dass manche  in die "Baracke" ziehen mussten. Er war schockiert, als alle dies wollten. Niemand wollte in dem nach allen Regeln der Kunst erbauten Büro bleiben.

Üblicherweise lastet man so etwas dem Architekten, dem Lichtplaner oder dem Klimatechniker an. In dem gegebenen Fall hatten sie aber ihr Bestes gegeben. In solchen Fällen wird die Schuld bei der Belegschaft gesucht. Sie wird dann beschuldigt, hysterisch zu reagieren, gar zu spinnen. Ein Patentrezept, das gegen solche Auswüchse geholfen haben soll, z.B. ein Klimaregler, der gar nicht angeschlossen ist, aber den Eindruck erweckt, etwas zu bewirken, ist über 50 Jahre alt aber immer noch nicht tot.

Nach jahrelanger Forschung in Büros habe ich den einwandfreien Beweis dafür, dass es an der Entmündigung des Nutzers liegt. Dieser ist der Benutzer des Büros und der Betreiber. Den Betreiber binden Regeln wie Normen, die er anwenden muss, will er den Anforderungen des Arbeitsschutzes genügen. Woher kommen aber diese?

Eigentlich ist die Sache sehr einfach. Jedes Gewerk befolgt Regeln für dieses, das von Fachleuten geschrieben worden sind. Dummerweise steht manchmal der Klimatechniker dem Lichttechniker im Wege. So entstanden vor langer Zeit Räume mit glatten Decken mit eingebauten Leuchten, damit die Luft gut verteilt wird. Solche Leuchten können aber nie Indirektbeleuchtung produzieren, die bei den Benutzern hoch angesehen ist. Alternativ kann man großflächige Leuchten installieren, die weniger blenden. Aber die verhunzen die Akustik.

Überhaupt Akustik. Die vielen Schallschirme, die man immer häufiger in die Büros pflanzt, machen die Arbeit des Lichtplaners zunichte.  Und verhindern auch die Luftzirkulation.

Wie eine Planung ideal laufen würde, hat die FGL (Fördergemeinschaft Gutes Licht) vor etwa 50 Jahren dargelegt. Das Bild zeigt die Kooperation aus Sicht des Lichtplaners.

Was das Bild nicht zeigt, ist dasselbe aus der Sicht der restlichen neun. Man kann also neun weitere Bilder wie hier erstellen und immer erneut die Anforderungen zur Gestaltung eintragen. Dann fehlen in dem Bild immer noch die Stakeholder "Benutzer", "Belegschaftsvertreter" und "Facility Management".

In dem Buch Genesis 2.0 - Schöpfung der elektrischen Sonne habe ich die Entmündigung des Benutzers und des Planers der Beleuchtung dargestellt (hier). In der Beschreibung werden die wichtigsten Gründe erläutert, darunter die Ignorierung der individuellen Unterschiede, die nachweislich in den 1950ern bekannt waren.

Es wäre ein schwacher Trost zu wissen, dass eine Malaise bekannt ist. Mein Institut hat aber auch untersucht, wie man Beleuchtung individuell gestalten und dabei sogar Geld wie Energie sparen kann. Die gesamte Studie ist hier erklärt und mit einer Reihe von zusätzlichen Dokumenten abrufbar. LichtundGesundheit_1998

Warum blenden Fahrräder am hellichten Tage?

Diesen Aufschrei eines Berliners druckte der Tagesspiegel letzten Samstag. Das ist keinesweg neu oder erstaunlich.

Vor langer Zeit stand in der gleichen Zeitung: "Trotzdem empfinde ich falsch eingestellte Fahrradscheinwerfer von Geisterradlern als viel störender als Autoscheinwerfer. Ich bin da oft sekundenlang im Blindflug unterwegs." oder sogar das:

"Blendende Fahrradscheinwerfer stören, stimmt und viele Sonntagsradler suchen damit scheinbar den Himmel ab. Aber Im Verhältnis zu den schon seit Ewigkeiten erlaubten Autoscheinwerfern sind sie echt ein Witz.

Kann man solche Aussagen mit dem Wissen über Blendung (s. hier ) erklären? In dem Buch "Genesi 2.0 - Schöpfung der elektrischen Sonne" wird das Thema zwar abgehandelt, aber weitgehend aus Sicht der arbeitendem Menschen. Wieso stören sich Leute auf der Straße an Fahrrädern, wo doch Autos viel größere und mächtigere Scheinwerfer haben?

Es liegt an der Größe "Leuchtdichte" (s. dazu die Ausführungen hier), mit der wir schlecht umgehen können. Daher ist die Beleuchtung von Fahrzeugen seit Jahrzehnten gesetzlich reglementiert. Sie unterliegt strengen Zulassungsbeschränkungen. Nicht nur das. Bei jeder einzelnen Prüfung beim TÜV wird die Einstellung der Scheinwerfer geprüft.

Sind Fahrräder keine Fahrzeuge? Das schon, aber während ihrer gesamten Geschichte vor der Einführung der LED verdiente deren Beleuchtung bestenfalls das Prädikat Funzel. Auch die LED-Scheinwerfer für Fahrräder geben wenig Licht im Vergleich zu denen der Autos ab. Blenden tut aber die Leuchtdichte. Und diese kann bei LED etwa die gleiche Größenordnung wie die Sonne erreichen. Kleiner ist lediglich die leuchtende Fläche. Daher nimmt man die Fahrradscheinwerfer nicht allzu ernst. (Mehr hier)

Wenn einem auf einer Straße ein Fahrrad entgegen kommt, sieht man selbst bei Sonnenschein eine Weile nichts in dessen Umgebung. Der Fahrer ahnt aber nichts davon, weil er nicht einmal merkt, dass das Licht an ist. Nur etwas schwächer sind die Schlusslichter der Fahrräder. Diese irritieren eher durch rotes Blinken.

An dem Beispiel der Kinderräder kann man sehen, was Technologie bedeutet. Sie besteht nicht nur aus Technik, sondern schließt Regelungen wie Prüfungen ein. Was ist LKW oder Autos recht gut funktioniert, versagt an Fahrrädern.

HCL Zukunft oder Vergangenheit?

HCL (= human centric lighting) ist nach der Darstellung der lichttechnischen Industrie ein Beleuchtungskonzept. Sie wollte die Aufregung um die Entdeckung eines neuen Lichtsensors im Auge nutzen, um Werbung für Licht zu machen. Eine solche Werbung hat mit der üblichen Werbung wenig zu tun, wie man an den früheren Maßnahmen dieser Art sehen kann, z.B. an den Broschüren von FGL (Fördergemeinschaft Gutes Licht). Sie illustrieren, was man alles mit Beleuchtung machen kann. Es geht um eine Absatzförderung mit positiven Beispielen.

HCL sollte aber mit Hilfe einer Argumentation gefördert werden, die die Gesundheit in den Vordergrund stellt. Die Wirkung sollte über eine Aktivierung von Hormonen erfolgen. Dies haben Mediziner umfangreich untersucht (s. insbesondere Die Legende vom gesunden Licht reloaded) so dass sachlich gesehen ein Anspruch begründet werden kann.

Das eine wesentliche Problem liegt in der Besonderheit des Arbeitsschutzes. Dieser ist Sache des Staates. Und der Staat wird sich immer schwer tun, wenn es um Eingriffe in den Hormonhaushalt von Arbeitnehmern gilt. Aber genau das wurde sogar in einem ISO-Standard zum Thema avisiert (ISO/CIE TR 21783 Light and lighting — Integrative lighting — Non-visual effects). Die Wirkung des "integrative lighting" beruht auf Melatonin.

Der Standard dreht sich um "integrative lighting", also um eine Beleuchtung, die physiologische wie psychologische Vorteile für Menschen bieten soll. In den Fussnoten ist zu lesen, dass man dies auch als HCL bezeichnet. Die Erkenntnisse, auf denen ISO/CIE TR 21783 basieren soll, stammen aus bestimmten Publikationen, von denen keine aus der Lichtforschung stammt, sondern aus folgenden Gebieten:

  • Therapie: 3 Objekte, davon eines Delirium
  • Krebsrisiko: 3 Objekte
  • Demenz: 4 Objekte
  • Lernerfolg: 3 Objekte
  • Hormonforschung: 2 Objekte
  • Gemütszustände: 6 Objekte
  • Schlaf und Schläfrigkeit: 21 Objekte (von insgesamt 63)
  • Gesundheit: 10 Objekte (im Titel oder Publikationsorgan)

 

Nachdem der Standard recht praxisfremde Schlussfolgerungen gezogen hat, haben die Chronobiologen noch eins darauf gesetzt und ein Zeitregime für die Anwendung von Beleuchtung mit Werten dafür veröffentlicht. Dieses zeigt das untere Bild:

So soll am Tage zwischen 06:00 Uhr und 19:00 Uhr ein Wert von 250 lx mel-Edi herrschen (Rechenbeispiel hier, mel kommt von Melatonin.) Wenn man dies in praktische Umgebungen umrechnet, kommt man auf ein Vielfaches der heute üblichen Installationen. Diese braucht man nach dem besprochenen Konzept am Tage!

Abends soll es zwischen 19:00 Uhr und 22:00 Uhr maximal 10 lx herrschen. Das wäre kein Problem, wenn die Menschen weder arbeiten noch Fernsehen würden. Allein der Computerbildschirm erreicht bis zum 7-fachen des Wertes ohne jegliche Beleuchtung.

Und nachts soll möglichst kein Licht ins Auge gehen. Was das alles bedeuten kann, habe ich z.B. hier dargestellt.

Diesem Regime können Menschen, die am Äquator leben, schon folgen, so sie abends weder arbeiten wollen noch irgend eine soziale Aktivität entfalten. Bereits nördlich des Mittelmeers, also Griechenland bis Spanien, wird es schwer. Denn am Abend um 19:00 Uhr herum finden dort die intensivsten sozialen Aktivitäten im Freien statt (italienisch Piazza). Außerdem kommt der Tag vor 06:00 Uhr morgens und ist um 19:00 abends immer noch da. Es sei denn, es ist Winter. Die Mittel- und Nordeuropäer werden die Sache noch skeptischer Sehen. In Deutschland (Hamburg) geht die Sonne um 04:50 Uhr auf, und der Tag dauert 17,05 Stunden (Sommersonnenwende). So geht die Sonne erst 21:53 Uhr unter. Im äußersten Osten von Deutschland findet das Ganze jeweils etwa 45 Minuten früher statt. Innerhalb von Deutschland unterscheidet sich zum gleichen Datum die Dauer eines lichten Tags in der Nord-Süd-Richtung um bis zu fast eineinhalb Stunden. Die vier Orte des deutschen Zipfelbundes, also der äußersten Gemeinden von der Mitte aus, gehören zwar zu Deutschland, und die Uhren stehen an allen vier Orten immer gleich. Die physiologische Zeit in Oberstdorf im Süden und Görlitz im Nordosten könnte aber nicht unterschiedlicher sein.

Mittlerweile hat die CIE sich das Konzept tiefergehend angeguckt und vorsichtig Abstand genommen. Insbesondere die Bedürfnisse des Menschen, der nachts arbeiten will oder gar muss, scheinen nicht berücksichtigt. Die CIE hat sich zwar nicht ganz klar geäußert dazu, dass man das künstliche Licht ausgerechnet während des Tages erhöhen soll, wenn die Sonne scheint. Umgekehrt soll das Licht möglichst gemieden werden in der Zeit, in der Menschen noch in vorgeschichtlicher Zeit künstliches Licht angewendet haben.

Vorerst scheint HCL eher Vergangenheit geworden zu  sein, ehe es in der Gegenwart angekommen war. Wenn nichts weiter passiert, wird sich das einzige Erbe in Einschlafpillen mit Melatonin erschöpfen. So wie die erste Welle von "Light and Health" vor 100 Jahren, der wir die Vitamin D angereicherte MIlch in den USA verdanken.