Niemand wird zu Unmöglichem verpflichtet – Über den (Un)Sinn einer globalen Beleuchtungsnorm

Damit das Licht so hell scheint,
muss die Dunkelheit vorhanden sein.

Francis Bacon

In einem der besten Bücher für Philosophie, Der kleine Prinz, fragt der Protagonist den Herrscher eines Planeten, warum er der Sonne morgens befiehlt, aufzugehen und abends unterzugehen. Der König sagt: Könige befehlen nur das, was man einhalten kann. Richtig. Wir müssen von jedem fordern, was er leisten kann", sagte der König, "Autorität beruht in erster Linie auf der Vernunft."

Des Königs Weisheit steht eigentlich als fundamentaler Grundsatz über jedem deutschen Gesetz: Ad impossibilia nemo tenetur (Zu Unmöglichem kann keiner gezwungen werden.) Eigentlich müssten alle Normer diesem Grundsatz folgen, auch wenn sie kein Recht setzen. Meistens ist es ohnehin irrelevant, weil eine Norm einer Anerkennung bedarf, um eine „anerkannte“ Regel der Technik zu werden.

Leider sind diese Zeiten vorbei, seit fast alle Normen international erstellt werden. Wer soll wo feststellen, ob die Allgemeinheit eine Norm annimmt? Bei Beleuchtungsnormen wurde dies einst durch eine internationale Zusammenarbeit erreicht. Normen, die eine globale Wirkung entfalten sollten, wurden von der CIE erstellt. Davon die wohl wichtigste, die V(λ)-Kurve, wurde 1924 präsentiert und blieb bis heute. Regeln, die lokal bedeutsam sind, so etwa Beleuchtungsstärken in Arbeitsstätten, wurden in nationalen Normen festgelegt und häufig angepasst. Heute beträgt die Periode fünf Jahre. So gab es Normen wie DIN 5035 nur national. Das machte Sinn, weil Beleuchtung Teil der Architektur ist, und Architektur international zu normen, wäre eine Schnapsidee, auf die man noch nicht gekommen ist. (Das besorgen internationale Architekten auf eigene Faust.)

Die Normungsorganisationen haben sich auf eine Internationalisierung eingeschworen, wogegen nichts einzuwenden ist, außer es macht keinen Sinn, etwas international zu regeln. DIN erklärte im Jahr 2001 folgendes Ziel: „Die Wirtschaft und der Staat brauchen zur Stärkung des freien Welthandels harmonisierte Normen. Die internationale Normung hat daher Vorrang vor der europäischen und diese wiederum vor der nationalen ….“ (“Grundlagen der Normungsarbeit des DIN”, DIN-Normenheft 10; 7. Auflage, Beuth-Verlag, Berlin, 2001). Dieses Ziel war bereits mehr als ein Jahrzehnt schon Richtschnur gewesen. Das DIN hatte sich schon in den 1980er Jahren an einem der größten Normungsprojekte aller Zeiten beteiligt, die den Europäischen Binnenmarkt mit einheitlichen Normen versorgt und damit die technische Grundlage eines einheitlichen Marktes geschaffen haben. Was mit 28 Staaten erfolgreich verlief, sollte auch global möglich sein?

Aber Normen haben nicht immer die gleichen Ziele und den gleichen Charakter. So legen sog. „Schraubennormen“ haargenau fest, welche Eigenschaften eine bestimmte Schraube aufweisen muss. Tatsächlich war die allererste DIN-Norm eine über Kegelstifte, konische Verbindungselemente, die Maschinenteile zusammenhalten. Die Normung war unter anderem durch die Notwendigkeit der Vereinheitlichung in der Waffenproduktion während des Ersten Weltkriegs motiviert, um die Austauschbarkeit von Einzelteilen zu gewährleisten.

Solche Normen richten sich an Fachleute, z.B. Ingenieure, die ein Studium absolviert haben, bei dem sie den Einsatz eines Kegelstifts gelernt haben. Sie sagen allerdings nichts darüber aus, ob der Ingenieur mit diesem Teil einen Kinderwagen oder ein AKW bestückt. In der Lichttechnik gehören zu Normen ähnlicher Zielsetzung beispielsweise DIN EN 60529 (IP-Schutzarten), die den Schutz gegen das Eindringen von Fremdkörpern und Wasser regelt. Sie informiert den Lichtplaner über die Schutzklasse, damit dieser die Eignung einer Leuchte für den vorgesehenen Zweck ( = Qualität) beurteilen kann. Die Norm ist also für den geschulten Anwender geschrieben worden. Ob sie lokal (nur Deutschland) oder EU-weit (nur ein bestimmter Bereich) oder global gilt, ist unerheblich. Wasser ist überall auf der Erde Wasser, und Sand ist immer Sand.

Gilt dieser Gesichtspunkt auch für Beleuchtungsnormen? Daran hatte ein Kenner der lichttechnischen Literatur, Prof. Gall, mächtige Zweifel. Sein Papier aus dem Jahr 2003 ist immer noch lesenswert (Download hier). Solche Normen richten sich insbesondere an zwei Anwendergruppen. Die Ersteren sind diejenigen, die für eine normgerechte Beleuchtung verantwortlich sind. Die anderen sind die, die eine solche Beleuchtung realisieren sollen. Ich nenne die Lichtdesigner, auch wenn die wenigsten Beleuchtungsanlagen jemals einen Lichtdesigner gesehen haben. Ein Autor, der sehr lange die lichttechnische Normung beherrscht hat, Prof. Hentschel, erklärt den Adressaten wie folgt: „“Es ist nicht die Aufgabe dieser Norm, Rezepte für die Lösung einzelner Beleuchtungsprobleme zu geben. Sie enthält deshalb Regeln, die vom Beleuchtungsingenieur auf den individuellen Fall richtig angewandt zu einer guten Beleuchtung führen. Dazu wird auch die Erfahrung mit für den Erfolg ausschlaggebend sein. In diesem Sinne enthalten die Leitsätze nicht nur Interpretationen wissenschaftlicher Grundlagen, sondern auch praktisch erprobte, für gut befundene und allgemein gültige Erfahrungsgrundsätze.” (Hentschel “Innenraumbeleuchtung mit künstlichem Licht”, Lichttechnik (1962) 5, S. 253 -257)

Anm.: Entgegen guter Normungs-Praxis wird in den lichttechnischen Normen meistens keine Zielgruppe angegeben. Zudem ist Lichtdesigner bzw. Lichtplaner kein normierter Begriff. In Deutschland verlangen die Berufsgenossenschaften, dass Beleuchtungen von Sachkundigen bzw. Fachkundigen erstellt werden. Ein Sachkundiger in der Beleuchtungstechnik ist eine Person, die aufgrund ihrer fachlichen Ausbildung und praktischen Erfahrung über die notwendigen Kenntnisse verfügt, um Beleuchtungsanlagen, insbesondere an Arbeitsstätten, zu beurteilen, messen und zu prüfen.

Demnach braucht es zur Anwendung globaler lichttechnischer Normen Beleuchtungsingenieure mit praktischer Erfahrung. Gibt es diese? Nicht einmal in Deutschland gibt es genug Lichtingenieure, um die Beleuchtung von 45 Millionen Arbeitsplätzen zu planen. Wie schaut es mit der praktischen Erfahrung aus? Wer ich immer eine Beleuchtung plant, müsste erst einmal die richtige Lichtfarbe wählen. Was sagt aber die globale Norm dazu aus: „Die Wahl der Lichtfarbe ist eine Frage der Psychologie, der Ästhetik und dem, was als natürlich angesehen wird. Die Auswahl hängt von der Beleuchtungsstärke, den Farben des Raums und der Möbel, dem Umgebungsklima und der Anwendung ab. In warmen Klimazonen wird im Allgemeinen eine kühlere Lichtfarbe bevorzugt, wohingegen in kaltem Klima eine wärmere Lichtfarbe bevorzugt wird." Deswegen kann die Norm eines der wichtigsten Merkmale der Beleuchtung nicht einmal ansatzweise vorgeben. Was macht der Lichtingenieur mit Psychologie, Ästhetik, Raumfarben, Möbeln und Raumklima?

Was bedeutet dieser Satz: „In warmen Klimazonen wird im Allgemeinen eine kühlere Lichtfarbe bevorzugt, wohingegen in kaltem Klima eine wärmere Lichtfarbe bevorzugt wird.“? Dieser Spruch stammt noch aus der Zeit, als die Menschen in warmen Klimazonen dort blieben, die in den kalten Ländern auch dort blieben. In der EU dürfen aber Menschen aus den Tropen, Karibik, Französisch Guayana, Reunion, Nordfinnland oder Schweden, ihren Arbeitsplatz frei aussuchen. Was macht der Lichtingenieur mit dem Spruch?

Der wird allerdings noch viel größere Probleme mit etwas anderem haben. Denn die Norm beruht auf Beleuchtungsstärken und sagt aus: „Die Beleuchtung kann durch Tageslicht, künstliche Beleuchtung oder eine Kombination aus beidem erfolgen.“ Das ist leicht dahergesagt. Denn in Arbeitsstätten kommt das Licht - global - von der Decke. Das Tageslicht fällt je nach geographischer Höhe aus ganz anderen Richtungen ein. So sehen z.B. die höchsten Grade aus, die die Sonne erreicht. (Bilder Paulina Villalobos)

Was dies für den Lichteinfall in den Raum bedeutet, zeigt das nächste Bild. Sehr dumm, wenn die Beleuchtung nicht allein dazu dient, den Aktenordner in der Mitte eines Schreibtisches zu beleuchten.

Die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Beleuchtungsstärke unter Berücksichtigung des Tageslichts sind schon in Deutschland immens (Ausdehnung ca. 800 km in der Nord-Süd-Richtung), in den Grenzen des Geltungsgebiets der Norm ziemlich unmöglich. Wie soll man einen Arbeitsraum in der Arktis mit einem auf dem Äquator vergleichen? Und das ist bei der Aufstellung einer globalen Beleuchtungsnorm erst die halbe Miete. Denn mittlerweile haben Mediziner herausgefunden, dass die so bestimmte Beleuchtung die Gesundheit der Menschen gefährdet: "Der Lichteinfall ins Auge übt wichtige Einflüsse auf die menschliche Gesundheit und das Wohlbefinden aus, indem er die Tagesrhythmen [der Hormone] und den Schlaf ebenso wie kognitive und neuroendokrine Funktionen verändert. Vorhandene Beleuchtungen genügen diesbezüglichen Anforderungen nicht. (Original hier)

Will man den Forderungen der Medizin folgen, bedeutet das den Abschied von der Basis aller Beleuchtungsnormen, die mehr oder weniger auf der Horizontalbeleuchtungsstärke beruht haben. Die „melanopische“ Wirkung dieser ist exakt Null: Wenn Licht von der Decke nach unten geht, dringt es nicht ins Auge ein und kann daher keine "melanopische" Wirkung auslösen. Wer eine melanopische Wirkung auslösen will, schickt das Licht einfach waagrecht. So einfach ist das allerdings nicht, wenn die Leuchten an der Decke sitzen.  Also brauchen wir einen Richtungswechsel.

Der Ausschuss, der die Norm ISO/CIE 8995 erarbeitet hat, hatte sich folgendes vorgenommen (mehr hier):

  • Neues Wissen über die gesundheitliche Wirkung des Lichts einarbeiten.
  • Altes Wissen, das nachweislich zu einer Gefährdung der Gesundheit geführt haben soll, beibehalten.
  • Tagsüber die Beleuchtung um ein Vielfaches erhöhen.
  • Nachts den Menschen das Arbeiten ermöglichen, obwohl das Licht dann ihre Gesundheit gefährdet.

Nichts dergleichen ist passiert. Stattdessen hat er für jeden Arbeitsplatztyp 8 Anforderungen gestellt und dies über 62 Tabellen auf ebenso vielen Seiten. Über manchen Begriff wird selbst jemand stolpern, der sich bestens in der lichttechnischen Nomenklatur auskennt, so z.B. Wartungswert der mittleren zylindrischen Beleuchtungsstärke. Wenn man diese an der Decke der Abfertigungshalle eines Flughafens realisieren soll, wie die Norm es vorgibt, dürften fast alle Lichtingenieure ihre Schwierigkeiten damit haben. Aber viel schlimmer ist das fast komplette Ignorieren der Tatsache, dass etwa die Hälfte der Arbeitsplätze mit Computern bestückt sind.

Wenn man solche Seltsamkeiten noch toleriert, werden gewissenhafte Planer eher über hehre Ziele stolpern wie dieses im Geltungsbereich der Norm: „Recommendations are given for good lighting to fulfil the needs of integrative lighting“ (Es werden Empfehlungen für eine gute Beleuchtung gegeben, um den Anforderungen einer integrativen Beleuchtung gerecht zu werden. d. Autor). Was mag das wohl sein? Es ist die "integrierte" Beleuchtungsplanung (integrative lighting) und bedeutet, dass man bei der Planung der (künstlichen) Beleuchtung neben ihrer Wirkung zum Sehen auch die gesundheitlichen Folgen berücksichtigen muss. Erstens tut die Norm das nicht. Zweitens müsste der Lichtingenieur bestimmte Qualifikationen besitzen, die er nicht hat. Denn dort, wo diese Beleuchtung definiert wird (ISO/TR 21783), steht dies zu lesen: „Wichtig: Die positiven Wirkungen der integrativen Beleuchtung können nur erreicht werden, wenn sie von qualifizierten Planern entworfen und sachgerecht betrieben werden. Ebenso wichtig ist die korrekte Bedienung des Beleuchtungssystems durch die Beteiligten." Es heißt weiterhin: „Zu diesem Zwecke wäre es ideal, wenn der Lichtplaner in einem multidisziplinären Team mitwirken würde, in dem Experten für Sicherheit und Gesundheit, Psychologen und andere mitwirken würden.

Ich lasse Psychologen und andere mal weg und berücksichtige die Mediziner, die in einem Memorandum das gesunde Licht (hier) definiert haben: hohe Beleuchtungsstärken zwischen 06:00 Uhr und 19:00 Uhr, stark reduzierte Beleuchtungsstärken zwischen 19:00 Uhr und 22:00 Uhr und möglichst kein Licht zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr morgens. Und die CIE, die diese Norm publiziert hat, hat in ihre Programme geschrieben: Das richtige Licht zur rechten Zeit. (CIE Position Statement on Non-Visual Effects of Light: Recommending Proper Light at the Proper Time: hier 2015 und da 2019 und dort 2024).

Niemand wird zu Unmöglichem verpflichtet - Wenn man dieses Prinzip auf CIE/ISO 8995-1 anwendet, kann man jeden Lichtplaner weltweit davon freisprechen, die Norm anwenden zu müssen.

Zwielicht – Wie eine krude Theorie die Praxis bestimmte

Damit das Licht so hell scheint,
muss die Dunkelheit vorhanden sein.

Francis Bacon

Die Theorie

Licht mit unterschiedlichen Farben wird im Auge unterschiedlich gebrochen (chromatische Aberration). Daher wird es, wenn es auf Weiß eingestellt ist, bei Rot weitsichtiger und bei Blau kurzsichtiger.

Lichtquellen mit unterschiedlicher Lichtfarbe (Leuchtstofflampe, Glühlampe, Tageslicht) führen zu Augenbeschwerden, wenn nicht eine davon dominiert. Es herrscht Zwielicht.

Ursprung der Theorie

Der genaue Ursprung lässt sich nicht mehr lokalisieren. Die Theorie wird in einem Buch vom Sehphysiologen Prof. Hartmann beschrieben (Optimale Beleuchtung am Arbeitsplatz) Vermutlich stammt die Idee von Hartmanns Lehrer Prof. Herbert Schober.

Hartmann beschreibt die Theorie ausführlich mit einem ganzen Kapitel: „… In ähnlicher Weise sprechen wir auch vom Zwielicht, wenn ein Arbeitsplatz deutlich erkennbar Licht verschiedener Lichtfarbe von zwei oder mehr örtlich getrennten Lichtquellen erhält. …“ Daraus leitet er auch eine Empfehlung ab: „Im übrigen ist es wohl selbstverständlich, daß in ein und demselben Raum keine Lichtquellen unterschiedlicher Lichtfarbe oder Farbwiedergabe verwendet werden dürfen.

Auswirkungen

Da Hartmann als Nachfolger des Sehphysiologen Schober in seine Fußstapfen getreten war, und weiterhin auch viele Dinge schriebt, die der lichttechnischen Industrie gefielen, folgten seinen Empfehlungen wahre Taten:

  • Verbannung von Tischleuchten aus dem Büro: Die sog. Tischlampen müssen relativ klein sein. Da es keine kleinen Leuchtstofflampen gab, mussten die Tischlampen weg, weil die Industrie die Leuchtstofflampen bevorzugte.
  • Tageslichtlampen“ als bevorzugte Lichtfarbe: Da die meisten Büros in Deutschland Fenster haben, wurden die Lampen bevorzugt, die dem Tageslicht ähnlich aussahen. Allerdings mochte kein Büromensch die Lichtfarbe „Tageslichtweiß“ (Farbtemperatur über 5000 K). So blieb man bei „neutralweiß“, eine Lichtfarbe, die die meisten Menschen mit kalt verbinden.
  • Fensterlose Räume: Viele Anhänger der fensterlosen Räume führten die Zwielicht-Theorie an, um Arbeitsräume ohne Tageslicht und natürliche Belüftung zu propagieren. Hartmann gab denen den Segen im gleichen Buch: "Es gibt wenige Probleme im Zusammenhang mit Kunstlicht, die so umstritten sind, wie der fensterlose Arbeitsraum. Dabei wird in aller Regel mehr emotionell als sachlich argumentiert. Die Licht- und Beleuchtungstechnik kann heute jede vernünftige spektrale Zusammensetzung des Lichtes realisieren … und die Klimatechnik bietet heute so hervorragende Lösungen an, daß es - zumindest aus physiologisch-optischer Sicht - keine Bedenken gegen fensterlose Arbeitsräume gibt."

Experimenteller Nachweis?

Da der Nachweis der Theorie bestenfalls in den Büchern von Hartmann zu finden war, versuchte ich die Wirkung experimentell nachzuweisen. Wenn die Annahme stimmt, dass das Fehlen einer dominanten Beleuchtung bei zwei unterschiedlichen Quellen Probleme verursacht, muss diese Wirkung im Laufe des Tages in Abhängigkeit von der Entfernung eines Arbeitsplatzes vom Fenster unterschiedlich auftreten. Dazu habe ich in Großraumbüros die Arbeitsplätze nummeriert, den Standort in einen Belegungsplan eingetragen. Die Mitarbeitenden wurden zu verschiedenen Tageszeiten (= andere Raumzonen mit Zwielicht). zu ihrem Befinden, Augenbeschwerden und sonstigen Beschwerden befragt.

Das Ergebnis war eindeutig. In bestimmten Bereichen der Räume beschwerten sich die Leute signifikant stärker als in anderen. Und das in allen Fällen. Dummerweise hatte das Ergebnis nichts mit Licht zu tun. Wir deckten auf, dass in den Büros manche Stränge der Klimaanlage abgeschaltet waren, ohne dass dies jahrelang aufgefallen war. Dafür blies sie in den anderen Bereichen stärker und verursachte so mehr Augenbeschwerden. In einem Fall hatte sich die Isolierung des Gebäudes verkrümelt. Das Haus musste komplett saniert werden. Von Zwielicht war keine Spur. Da fielen mir die übigen Worte von Hartmann in demselben Buch zu Kunstlicht und Kunstklima ein.

Wenn überhaupt, kann man mit solche Studien eher feststellen, dass die Mitarbeitenden mit ihrer Umgebung am zufriedensten sind, wenn sie direkt am Fenster sitzen. Das gilt selbst dann, wenn die Arbeitsplätze nicht einmal einen vernünftigen Sonnenschutz haben. Nicht nur Augenbeschwerden, sondern auch andere gesundheitliche Beschwerden folgen dem gleichen Muster.

Das letzte Wort hatte der selige Hajo Richter, seinerzeit der Vorstand der LiTG, gesprochen: "Glauben Sie mir, es gibt kein Zwielicht in Innenräumen.“ Ich denke, sein Wort gilt.

Ob diese Lampe in diesem Raum jemanden je gestört hätte?

(Für Freunde des Themas habe ich diese Blogbeiträge geschrieben:

Zwielicht zu Twilight
Was aus Zwielicht wurde

Für den Fall, dass man KI fragt, bekommt man solche Antworten
Beleuchtungstheorie a la KI

 

Ausreißer – Wie die Wissenschaft wertvolle Entdeckungen verschenkt

Damit das Licht so hell scheint,
muss die Dunkelheit vorhanden sein.

Francis Bacon

In jeder Wissenschaft, die mit Zahlen umgeht, gibt es eine methodische Vorgehensweise, die eigentlich gut begründet ist: Weicht eine Beobachtung stark von dem Rest der Beobachtungen ab, lässt man diese unberücksichtigt. Leider führt das zuweilen dazu, dass man eine Entdeckung verschläft. Ich möchte an einem Beispiel dies deutlich machen.

Ein Versuch, durchgeführt von Robert A. Millikan (und Harvey Fletcher) im frühen 20. Jahrhundert, gehört zu einem fundamentalen Experiment der modernen Physik, bei dem man die Elementarladung ermitteln wollte. Dabei wurden immer ganzzahlige Vielfache der Elementarladung festgestellt. Millikan konnte so nachweisen, dass die elektrische Ladung immer als ganzzahliges Vielfaches eines kleinsten Betrags, der Elementarladung, auftritt. Dieses Ergebnis lieferte den entscheidenden Beweis für die Existenz des Elektrons als ein Teilchen mit dieser festen Ladungsmenge und legte eine wichtige Grundlage für das Verständnis der atomaren Struktur.

In Millikans Tagebüchern wurden seltene Sichtungen von einem Drittel dieser Elementarladung notiert. Diese können Quarks gewesen sein. Deren Entdeckung blieb späteren Generationen vorbehalten. So blieb eine fundamentale Erkenntnis unerkannt, weil die Forschenden die Beobachtungen für einen Fehler gehalten hatten.

Im Allgemeinen entfernt man einen Eintrag komplett aus einem Datensatz, wenn dieser fehlerhaft zu sein scheint. Wenn man knapp 1000 Leute für eine repräsentative Studie befragt, sind drei weggelassene statistisch gesehen irrelevant. Was aber, wenn die relevante Information nicht die berücksichtigten 997 gegeben haben, sondern die weggelassenen drei? In einem Experiment von mir war nur ein Einziger weggelassen worden.

Im Jahr 1972 sollte ich die Auffälligkeit der Warnkleidung für Straßenarbeiter untersuchen. Der Auftraggeber hatte uns 10 Jacken geliefert, wovon eine die damals übliche „Öljacke“, auch Ostfriesennerz genannt, war.  Zu meinen 10 Probanden gehörte auch mein Hiwi, der „Rot-Grün-blind“ war. Seine Bewertungen sollten aber unberücksichtigt bleiben.

Am Ende des Experiments zeigte sich, dass die favorisierte Jacke mit dem Feuerwehrrot von allen neun Probanden als am auffälligsten erkannt wurde. Bei allen Durchgängen wählte die Person mit der Rot-Grün-Schwäche die unauffälligste gelbe Jacke. Hingegen war für diese das Feuerwehrrot am unauffälligsten.

Ergebnis: Da ca. 8 % der autofahrenden Männer von dieser Schwäche betroffen sein können, reicht eine einzige Farbe nicht aus, um eine für alle auffällige Kleidung zu erstellen. Seit dieser Zeit sind die Schutzwesten bunter geworden. Hätte ich die eine Person weggelassen, hätte die Erkenntnis noch länger warten müssen.

Der vermutlich tragischste Opfer eines Ausreißers ist Prof. Rüssel Foster von der Universität Oxford geworden. Foster hatte im menschlichen Auge eine relativ kleine Zahl von Zellen mit einem abweichenden Verhalten entdeckt. Da er nicht glaubte, dass nach 200 Jahren Forschung am Auge noch etwas Wichtiges entdeckt werden könnte, überließ er die Entdeckung des Jahrhunderts der photosensitiven retinalen Ganglienzellen (pRGCs), die dritte Klasse von Photorezeptoren in der Netzhaut von Säugetieren (einschließlich des Menschen), die keine Stäbchen oder Zapfen sind. anderen. Nichts hat die Erforschung des Lichts seit einem Jahrhundert so beflügelt wie diese Entdeckung.

Kompensation statt Kapitulation – Eine kurze Geschichte der Sichtverbindung nach außen

Damit das Licht so hell scheint,
muss die Dunkelheit vorhanden sein.

Francis Bacon

Wie wichtig Licht für das Zusammenleben in Deutschland ist, lässt sich auch daran messen, dass selbst Juristen in politischen Spitzenpositionen übergeordnete Rechtsprinzipien vergessen, wenn es um eine bestimmte Vorschrift geht, um § 7 Absatz 1 der Arbeitsstättenverordnung von 1975. Sie hört sich eigentlich harmlos an:

Arbeits-, Pausen-, Bereitschafts-, Liege- und Sanitätsräume müssen eine Sichtverbindung nach außen haben.“

Um diese wurde lange gekämpft, weil zu dem Zeitpunkt der Erstellung der Vorschrift die Lichttechnik wie die Arbeitsmedizin der Meinung waren, Arbeitsräume müssten überhaupt keine Fenster haben. Das Licht könne man besser elektrisch erzeugen. Ein gewisser Matthew Luckiesh hatte 50 Jahre zuvor postuliert, man könne sogar besseres Licht erzeugen als die Sonne es je können wird (hier)

Den Stadtplanern und Immobilienhändlern ging es eher um die Verdichtung der Städte. Wenn man Arbeitsstätten ohne Fenster bauen darf, kann man kompakter bauen. Wie dies einst ausgesehen hatte (hier  Krankheiten der Finsternis) war längst vergessen, obwohl die Häuser noch stehen.

Den Arbeitgebern ging es eher darum, eine Vorschrift abzuwehren, die sie nicht immer erfüllen konnten. Was tun?

Heutige Regelungen im Arbeitsschutz weichen in einem Punkt wesentlich von ihren Vorgängern ab. Wenn ein notwendiges Schutzziel nicht erreicht werden kann, wird alternativ ein Ausgleich vorgegeben.

Dies war zu Zeiten der ehemaligen Begründung des Arbeitsschutzes anders. Historisch gesehen war die Gewerbeordnung die zentrale gesetzliche Grundlage für den frühen Arbeitsschutz: Der frühe Arbeitsschutz beruhte insbesondere auf dem § 120 der Gewerbeordnung (GewO) in seiner historischen Fassung. Er diente als Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Verordnungen zur näheren Regelung des Arbeitsschutzes, so auch für die Arbeitsstättenverordnung. Diese verpflichtete den Arbeitgeber zu bestimmten Maßnahmen, ließ aber offen, was zu tun sei, wenn dieser eine bestimmte Maßnahme nicht realisieren kann. So heißt es bezüglich Lärm (§ 15): „In Arbeitsräumen ist der Schallpegel so niedrig zu halten, wie es nach Art des Betriebes möglich ist.“ Was ist, wenn es nicht möglich ist?

So gab es in der ArbStättV zwar auch die Vorschrift, dass alle Arbeitsplätze eine Sichtverbindung nach außen haben müssen, aber bestimmte Gewerbe können diese nicht realisieren, weil die Arbeitsbedingungen sie nicht zulassen. Bestes Beispiel: Fotolabor. Sichtverbindung herstellen würde die Tätigkeit dort nicht ausführbar machen. So schrieb man die Ausnahme in die Vorschrift oder in den Kommentar. Gut war es damit.

Mir wurden im Laufe der Jahre mehrere Tätigkeiten bekannt, bei denen es zwingende Gründe dafür gab, auf die Sichtverbindung zu verzichten. So etwa beim Bundeszentralregister, bei dem die Arbeitsplätze gegen Maschinengewehrfeuer geschützt sein müssen. Später wurde es noch ernster. Auch die Warten von Kernkraftwerken sind schätzenswert (gewesen) auch gegen Flugzeugabstürze. Was ist, wenn dort die Sichtverbindung nach außen fehlt?

Die Konsequenz ist, dass die Mitarbeiter (alle männlich) ihren circadianen Rhythmus verfehlen. Das wäre nicht ratsam wegen der Sicherheit der Arbeit für die Betroffenen und der Gesellschaft allgemein. Zudem hatten Gutachter, die die Katastrophe von Three Mile Island analysiert hatten, empfohlen, die Beleuchtungsstärke kräftig zu erhöhen, damit die Mannschaften bei der langweiligen Arbeit nicht wegdösen*.

*Kein Scherz. Die amerikanische Aufsichtsbehörde hat es mal geschafft, in ein gut geschütztes AKW einzudringen und die ganze Mannschaft beim Schlafen zu erwischen. Das Werk wurde abgemahnt.  Eine Weile danach wiederholte sich der Vorgang.

Was tun? So haben wir als Gutachter die Rolle der Sichtverbindung nach außen wiederholt analysiert. Wenn das Wichtigste darin besteht, dass der Mensch seinen Tagesrhythmus beibehält, lässt sich das Ziel auch damit erreichen, dass man die Verbindung zum Tag zeitweilig herstellt. So habe ich dem betroffenen Betrieb zur Auflage gemacht, die Pausenräume und die Kantine mit viel Tageslicht auszustatten. Das war 1987 und der Beginn der Vorstellung, wie man heute mit nicht erreichbaren Zielen im Arbeitsschutz umgeht. Einen Ausgleich für nicht realisierbare Schutzmaßnahmen schaffen.

Wie kommt man aber auf eine solche Idee? Ob man glaubt oder nicht, sie steht wörtlich geschrieben in der ArbStättV von 1975: § 4 Ausnahmen besagt, dass die zuständige Behörde eine Ausnahme erlassen kann, wenn … der Arbeitgeber eine andere, ebenso wirksame Maßnahme trifft …

Die ArbStättV ist aber nicht die Quelle der Weisheit. Sie ist viel älter und ist ein übergeordneter Grundsatz des deutschen Rechts. Niemand muss eine Vorschrift erfüllen, wenn er das gleiche Ziel mit anderen Maßnahmen erreichen kann. Dieses Prinzip müsste jeder befolgen, der Arbeitsschutz betreibt. Da man aber mittlerweile weiß, dass selbst Juristen dabei scheitern und fragen: „Wo steht das geschrieben?“, schreibt der Arbeitsminister in jede von ihm veröffentlichte ASR (Technische Regeln für Arbeitsstätten): „Bei Einhaltung der Technischen Regeln kann der Arbeitgeber insoweit davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen“. Dieser Satz ist eigentlich vollkommen überflüssig. Er wird aber in jeder ASR stehen, weil Leute die wichtigsten Grundsätze immer wieder vergessen.

So hatten zwei sehr wichtige Politiker die Sache mit der Sichtverbindung auch vergessen. Sie schufen sie aus der ArbStättV in 2004. Die Herren hießen Clement und Stoiber. Der Erstere war für den Arbeitsschutz zuständig, als es das einzige Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland keinen Arbeitsminister gab. In dieser Zeit wurden die Zuständigkeiten des bisherigen "Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung" auf andere Ministerien aufgeteilt:

  • Der Bereich Arbeit (Arbeitsmarktpolitik, Arbeitsrecht) wurde in das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit integriert.
  • Der Bereich Soziales (Sozialversicherung, Rente) wurde in das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung integriert.

Der Super-Minister für Wirtschaft und Arbeit Wolfgang Clement wollte auch die ArbStättV „deregulieren“ und schaffte die Vorschrift einfach ab. Sein Gehilfe Stoiber war damals der Ministerpräsident von Bayern und wollte die Arbeitsstättenverordnung als Bundesgesetz ohnehin komplett loswerden. So kam es, dass eine allgemein gesicherte Erkenntnis aus einem Gesetz verschwand. Was die beiden Herren aber nicht bedacht haben, ist, dass solche Erkenntnisse gültig bleiben, auch wenn kein einziges Gesetz sie enthält. Auch das ist ein übergeordneter juristischer Grundsatz.

So kehrte die Sichtverbindung 2014 in die Arbeitsstättenverordnung zurück (hier) und verursachte Unglaubliches. Der Kanzleramtsminister kassierte den vom Parlament und vom Bundesrat abgesegneten Entwurf und hielt ihn zwei Jahre lang unter Verschluss. Anlass war eine Kampagne des Präsidenten der Deutschen Arbeitgeberverbände. Dieser behauptete, die ArbStättV würde für Toiletten eine Sichtverbindung nach außen vorschreiben.

Ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse. Zwar hatte derselbe Passus bereits 1975 in der ersten Fassung der ArbStättV gestanden (s. Zitat ganz oben in diesem Beitrag). Aber wer liest schon alte Vorschriften.

Die Sache endete 2016 durch eine Intervention des Bundesrates, die die ungesetzliche Aktion des Bundeskanzleramtes beendete. So bekam eine Gruppe, zu der auch ich angehörte, den Auftrag, die Sichtverbindung in die zuständige ASR einzuarbeiten. Die Gruppe arbeitete einvernehmlich und zügig. Als es aber dazu kam, das Ergebnis zu veröffentlichen, fielen die Arbeitgeber ihren Vertretern in den Rücken. Noch einmal zwei Jahre vergingen, bis die Sichtverbindung wieder im Amt und in Würden war. So kehrte die Sichtverbindung in voller Schönheit in die Vorschriftenwelt mit der Revision von ASR A3.4  Beleuchtung und Sichtverbindung erst im Mai 2023 zurück. (download der letzten Version)

Auch dieser letzte Akt war bedingt durch das Vergessen eines übergeordneten Grundsatzes: Impossibilium nulla obligatio est. Auf Deutsch: „Niemand wird zu Unmöglichem verpflichtet." So wäre eine Verpflichtung des Arbeitgebers, Toiletten im Betrieb mit einer Sichtverbindung auszustatten, folgenlos geblieben.

Was lange währt, wird am Ende gut. Ist es so? Ich denke ja. Jetzt gibt ein Anhang eine Entscheidungshilfe, ob die Anforderung an eine Sichtverbindung nach Nummer 3.4 Absatz 1 des Anhangs der ArbStättV für einen konkreten Raum gilt. Wenn die Anforderung für einen Raum nicht gelten sollte, erklärt ein weiterer Anhang mögliche Ausgleichsmaßnahmen bei unzureichender Sichtverbindung. Diese kopiere ich hier ein, weil viele Betriebe oder Menschen diese brauchen:

Ausgleichsmaßnahmen können eine unzureichende Sichtverbindung nicht vollständig kompensieren. Auch dort, wo Anforderungen nach Nummer 3.4 Absatz 1 Satz 2 des Anhangs der ArbStättV nicht bestehen, gilt das Minimierungsgebot. Zur Minderung der negativen Folgen des Fehlens der Sichtverbindung können folgende Maßnahmen dienen. Beispielhafte Aufzählung in Abhängigkeit der Tätigkeit:

  • Begrenzung des Aufenthalts in dem betroffenen Raum,
  • Aufgabenwechsel mit Aufgaben in Arbeitsräumen mit Sichtverbindung nach außen oder im Freien,
  • Tageslicht (z. B. durch Oberlichter, wenn Fenster nicht möglich sind),
  • regelmäßige Erholungszeiten in Räumen mit Sichtverbindung nach außen oder im Freien,
  • Kantinen mit Sichtverbindung nach außen, oder
  • Pausengestaltung in Räumen mit Sichtverbindung ins Freie oder im Freien.

Ein künstlicher Sonnentag in der Wohnung

Damit das Licht so hell scheint,
muss die Dunkelheit vorhanden sein.

Francis Bacon

Die elektrische Sonne, die sich heute für wenig Geld aus dem Baumarkt in die Wohnung holen kann, musste einst überhaupt technisch realisiert werden. So einfach war das allerdings nicht, denn Luckiesh, der Erfinder von Licht und Gesundheit, hatte die Latte sehr hoch ausgelegt. So hoch, dass die Technik sie nach 100 Jahren immer noch nicht erreicht hat.

Luckiesh lobte zunächst die heilenden Strahlen der Sonne. Er musste keine neuen Jünger gewinnen, sie waren bereits da als Gefolge von Sozialreformen, Städtebauern und Progressiven. Luckiesh musste nur auf den fahrenden Zug aufspringen. Er proklamierte, der Mensch müsse nicht nur Helligkeit haben, sondern Farben wie bei Tageslicht sehen. Das war ein Seitenhieb auf die CIE, die kurz davor in 1924 die V(λ)-Kurve normiert hatte. Diese beschränkt die Wirkung des Lichts auf die Helligkeit. Von Farben ist dabei keine Rede. Sie wurden später hinzugefügt.

Aber Luckiesh‘ Konzept ging in einer Hinsicht weit über das von CIE hinaus: UV-Strahlung. Diese war für Luckiesh für die Gesundheit unerlässlich. Hingegen hat die CIE UV nie als Licht akzeptiert. Also war Licht im Jahr 1926 gemäß Luckiesh praktisch alles, was von der Sonne auf der Erde ankam und mit optischen Geräten erfasst werden konnte. Für die CIE zählte nur diejenige Strahlung als Licht, die das Auge als Helligkeit wahrnimmt. So etwas hat noch nie ein Lebewesen je erlebt, ist aber wissenschaftlich postuliert.

Man hatte 1926 die Erfahrung der Glasmacher mit der UV-Strahlung hinter sich, die Pleite mit der UV-durchlässigen Verglasung (s. Vita Glass). Ergo musste die elektrische Sonne sichtbares Licht wie UV gleichzeitig erzeugen. Und das sah technisch so aus:

Zu der Glühlampe, die Licht zum Sehen produzierte, musste noch eine Entladungslampe hinzugefügt werden, um Licht sowohl für das Sehen als auch für die Gesundheit zu schaffen. Fertig war das „Dual-purpose-Light“. Davon wurden mindestens zwei Modelle von General Electric gebaut, S-1- und S-2-Lampen. Der Werbespruch lautete übersetzt etwa „So nahe bei der Natur wie es geht …“. So nahe bei der Natur, wie es geht - Das kann viel bedeuten oder gar nichts.

So ähnlich wie einst Luckiesh denken manche Lichttechniker immer noch und wundern sich, warum sich Menschen bei 500 lx im Raum geblendet fühlen, aber draußen 5000 lx möglicherweise als Zeichen für ein nahendes Gewitter halten. Den Unterschied kann man mit dem folgenden Bild erklären.

Die elektrische Sonne mag hier beide Teile des Lichts im Spektrum enthalten. Es kommt aber aus einer relativ konzentrierten Fläche. Das Tageslicht wird hingegen von der Himmelskuppel erzeugt, wozu das direkte Sonnenlicht hinzukommen kann oder aber auch nicht. Das Äquivalente im Innenraum wäre eine großflächig angestrahlte Decke sowie ebenso angestrahlte Wände. Die Quelle des Lichts ist im Innenraum sehr dominant, in der Natur relativ selten. Selbst in Wüsten, wo die Sonne vom Wasser und von den Wolken ungefiltert niederbrennt, stammt ein erheblicher Teil der Strahlung vom Himmel. Einige Quellen deuten darauf hin, dass die gestreute UV-Strahlung an einem wolkenlosen Sommertag zur Mittagszeit einen Anteil von bis zu 50% der gesamten UV-Strahlung ausmachen kann. Übrigens, bei allen Betrachtungen über die Naturnahe der künstlichen Beleuchtung fällt nie das Wort Blau, blau wie der Himmel. Wer die Szene in diesem Bild für eine Nachbildung der Natur hält, müsste seine Wahrnehmungsfähigkeit prüfen lassen.

Bei sichtbarem Licht ist die Sonne bei klarem Himmel dominant (bis 80%). Bei leichter bis mittlerer Bewölkung etwa gleich bis dominant. Bei bewölktem Himmel bzw. im nebligen Wetter dominiert die diffuse Strahlung bis über 90%.

Was simuliert nun die elektrische Sonne? Sowohl für UV als auch für das sichtbare Licht dominiert die Quelle. So werden die Kinder auf der rechten Seite das Licht auf den Kopf bekommen, wo die Haare das UV-Licht reduzieren werden. Die Kinder auf der anderen Seite bekommen es zwar ins Gesicht, wo das UV-Licht die gewünschte Wirkung entfalten kann. Aber allzu lange werden ihre Augen da nicht mitmachen. Denn das lebenswichtige UV ist gleichzeitig eine gefährliche Strahlung.

Dieses Bild zeigt Kinder an einem fiktiven Strand. Hier kann sich die UV-Strahlung besser auswirken. Aber das Problem mit der fehlenden Diffusität bleibt. Ebenso die zeitliche Kopplung von Sehen und Empfangen von „gesunder“ Strahlung.

Als die Menschen nahezu wahnsinnig auf die UV-Strahlung reagierten, gab es manche denkwürdige Erfindung, so auch dieses Gebäude, das Menschen mit der gesamten Umgebung nach der Sonne dreht (mehr hier).

Wer so etwas in die Wohnumgebung transferieren will, handelt gegen die Jahrtausende alte Lebenserfahrung, wonach die Gebäude nicht nur vor Wind und Wetter schützten, sondern auch vor der UV-Strahlung. Der Mensch kann diese weder riechen noch schmecken. So hat das Lernen mit dem Umgang mit UV sehr lange gedauert und ist den meisten Menschen nicht bewusst.

Das Tageslicht wurde bereits in der Bibel an den Anfang der Schöpfungsgeschichte gestellt (Genesis). Dessen Vorteile habe ich in Licht und Gesundheit (hier download) ausführlich dargestellt. Das will aber nicht heißen, es wäre die ideale Beleuchtung in allen Lebenssituationen. Alle lebensnotwendigen Elemente, Licht, Luft, Wasser, können sich auch tödlich auswirken. UV war zu Beginn der Geschichte der Erde für alles Leben so tödlich, dass es sich nur im Wasser entwickeln konnte. Das Leben konnte sich erst nach der Bildung des Ozonringes aus dem Wasser bewegen. Aber auch das Ozon ist ein giftiges Gas. Es hat aber das Leben auf dem Land überhaupt möglich gemacht.

Man muss sich genau überlegen, was man da ins künstliche Heim holt. Kein Wunder, dass der Hype um das UV-Licht im Raum, der viele Jahrzehnte gehalten hat, heute nur noch an der Milch zu erkennen ist. Diese heißt in den USA fortified milk, weil sie mit Vitamin D angereichert ist. In den nordischen Ländern bekommen die Kinder Lebertran, weil hoch im Norden die Sonne nie UV produziert.

Das Elend mit der Farbwiedergabe

Die Wahrheit ist selten rein und nie einfach.

Oscar Wilde

Wenn jemand sich für Lichtfarben interessiert und dabei an farbige Lichter denkt, irrt er sich oder sie. Denn alle Namen für Lichtfarben bezeichnen Lampen, die mehr oder weniger weißes Licht produzieren. Das ist so gewollt, denn der Lichttechniker möchte mit der Beleuchtung nicht das Farbklima in einem Raum vorgeben. Dies sollen diejenigen machen, die den Raum gestalten. Die Lampe soll in ihrem Spektrum möglichst alle Farben haben und somit deren Wiedergabe ermöglichen, so sie der Designer wünscht.

Das weiße Licht soll in der Lage sein, die Farben der Objekte möglichst gut wiederzugeben, wobei man sich immer wieder streiten kann, was gut heißt. Soll z.B. die Beleuchtung eines Rembrandt-Bildes das wiedergeben, was der Künstler beim Malen gesehen hatte? Soll ein Schminkspiegel die Künstlerin in ihrer Garderobe möglichst gut scheinen lassen, sodass sie sich später auf der Bühne sicher fühlt? Oder lieber schlechter aussehen lassen, damit sie auf der Bühne immer besser ausschaut?

Die Technik geht nicht so tief in die Materie hinein und belässt es bei der Wiedergabe bestimmter Farbmuster. Auf der Basis der ersten acht Muster wird der sog. allgemeine Farbwiedergabeindex berechnet Ra. Die Hersteller von Lampen (Leuchtmitteln) sind dafür verantwortlich, den „CRI“-Wert ihrer Produkte gemäß diesen Normen zu messen und im Produktdatenblatt anzugeben. Die Messung ermittelt den Unterschied der Farben unter einem Referenzlicht und unter der fraglichen Lichtquelle. (Bezüglich der „Farben“ siehe hier) Gesättigte Farben sind nicht darunter. Nicht einmal die Wiedergabe der menschlichen Haut wird geprüft.

Da man von allem Guten lieber mehr hat als nur eines, gibt es zwei Referenzlichtquellen, für die CRI bestimmt wird, Glühlicht (ehemals Normlicht A) und Tageslicht mit genormtem Spektrum (Für Lichtquellen mit einer Farbtemperatur von 5000 K  und höher (neutralweißes bis tageslichtweißes Licht)).

So weit, so gut geregelt. Leider nicht gut genug. Denn wir sind es gewohnt, dass viele Gegenstände ihre Farben mit optischen Aufhellern gewinnen (Papier, Wände, Stoffe,…). Das ist keine neue Erscheinung, sondern bestimmt mehr oder weniger stark die Realität seit der Einführung der Rosskastanie in Europa. Die Rosskastanie hat eine direkte historische und chemische Verbindung zu optischen Aufhellern, da sie den Naturstoff Aesculin enthält. Mit ihrem Sud wurde einst der weißen Wäsche Weiß reingetrieben.

Aesculin ist eine fluoreszierende Substanz. Es absorbiert nicht sichtbares ultraviolettes Licht (UV-Licht) und wandelt diese Energie in sichtbares, blaues Licht um. Dieses emittierte blaue Licht kompensiert den leichten Gelbstich, den Textilien und Papier oft von Natur aus oder durch Vergilbung annehmen. Dadurch erscheinen die Materialien für das menschliche Auge strahlender und weißer. Heute sind optische Aufheller in Waschmitteln vorhanden, sie werden von der Textilindustrie und Papierindustrie eingesetzt. Sie sind in Kunststoffen und Farben zu finden.

Die Wirkung von UV auf das Erscheinungsbild von Farben wird bei der Bestimmung von CRI ignoriert. Einige ältere oder günstige LED-Lichtquellen erzeugen kaum UV-Anteil und können daher optisch aufgehellte weiße Kleidung oder Papier fahl oder gelblich erscheinen lassen, selbst wenn der Ra-Wert hoch ist. Es ist praktisch nicht möglich, zwischen LEDs zu unterscheiden, die Farbaufheller entsprechend aufhellen oder nicht.

Das Problem mit den Farbaufhellern gilt auch für veredelte Fassadengläser, die alle Strahlung außerhalb des sichtbaren Bereichs wegfiltern. Diese werden bei energetischen Sanierungen eingesetzt. Zwar gibt es Gläser, die mit CRI = 97 eine fast perfekte Farbwiedergabe vortäuschen. Aber satte Farben und strahlend weiße Hemden oder Bettwäsche sieht man in energetisch sanierten Gebäuden nie mehr. Überhaupt: Satte Farben wurden von dem Index Ra nicht erfasst, weil künstliches Licht weit entfernt davon war, diese wiederzugeben.

Es ist eher schlimmer, die Fassadengläser können das Tageslicht so filtern, dass ihre CRI bei 77 liegen kann, also schlechter als bei Dreibandenlampen, deren Spektrum sich niemand trauen wird, als ideal zu loben. (s. ISO/TR 9241-610) Das unten abgebildete Spektrum ist besser als in den Normen gefordert. Ein volles Spektrum sieht anders aus.

Ach, ja. Da ist noch die Frage des Referenzlichts. Bei beiden Referenzlichtern kann eine Lichtquelle einen Ra von 100 erreichen. Dass die Farben sich ähneln, ist damit nicht gesagt. Nur die Zahl ist gleich. Perfekt ist aber keine der Referenzlichter. Normlichtart A (Farbtemperatur 2856 K) verleiht allen Objekten eine Stimmung wie die untergehende Abendsonne. Das „Tageslicht“ (D50 oder D65) ist kein Tageslicht, sondern es entspricht dem Nachmittagshimmel über Wien abzüglich der Sonne (teilweise). Dass das Tageslicht keine Farbtemperatur hat, wissen die wenigsten Experten. Es ändert sich ständig über den Tag und hängt sehr stark von der geographischen Lage ab. Daher muss für bestimmte Zwecke eine Normierung erfolgen, z.B. für Farbbemusterung, Fernsehaufnahmen, Fotografie, Druckwesen. Auch für die Betrachtung von farbigen Objekten muss eine Normierung erfolgen. So sind Computermonitore auf 9300K voreingestellt.

In der Technik ist es üblich, vom Tageslicht zu sprechen, wenn nur eine Eigenschaft einer Lichtquelle höher ist als 5000 K, die Farbtemperatur. Vor 100 Jahren postulierte Luckiesh, dass nur das Tageslicht eine gute Farberkennung ermögliche und das gesunde Licht mit dem Erkennen von Farben zusammenhänge. Da dieses Licht aber nicht immer zur Verfügung stünde, müsste es künstlich erzeugt werden. Wie man sieht, sind wir von diesem Ziel recht weit entfernt.

Mit der Einführung der LED hat sich das Problem verschärft, weil übliche LED keine Anteile von UV in ihrem Licht haben. Eigentlich ist es eine gute Eigenschaft der LED, dass beim Erzeugen von Licht unerwünschte Teile des Spektrums nicht als Konterbande entstehen. Für die optische Aufhellung muss das Spektrum durch UV ergänzt werden.

Man will sich seit Jahren von den 8 Testfarben verabschieden. Leider ist dieser Abschied so einfach nicht. So hat es mehrere Versuche gegeben, die noch kein endgültiges Ergebnis erbracht haben.

CIE hat 2017 den Index General Color Fidelity Index (Rf) eingeführt. Dieser neue Index wurde in der CIE 224:2017 eingeführt und soll den älteren Allgemeinen Farbwiedergabeindex (Ra) – besser bekannt als CRI (Color Rendering Index) – in Zukunft ersetzen. Er basiert auf 99 Testfarbproben (gegenüber 14 beim Ra), deren Verteilung optimiert ist, um die Farbwiedergabeeigenschaften von LED-basierten Lichtquellen genauer zu erfassen.

Dazu gibt es den CIE Color Gamut Index (Rg). Dieser Index wird oft zusammen mit dem Rf angegeben. Er bewertet, ob die Farben unter der Testlichtquelle gesättigter oder ungesättigter erscheinen als unter der Referenzlichtquelle (Farb-Sättigungsgrad oder Gamut).

Die Sache war wohl nicht so perfekt, wie sie schien. In den USA gilt ein neuer Standard IES TM-30. Die aktuelle Version ist ANSI/IES TM-30-20 (ursprünglich TM-30-15/18), ein umfassendes System, das die Mängel des alten CRI (Ra) behebt, insbesondere im Umgang mit modernen LED-Lichtquellen.

Die TM-30-Methode liefert drei Hauptkomponenten zur Bewertung der Farbwiedergabe:

  • Farbtreue-Index (Rf) – Fidelity Index
  • Farbsättigungs-Index (Rg) – Gamut Index
  • Farbvektorgrafik (Color Vector Graphic)

Das Letztere ist eine grafische Darstellung, die visuell zeigt, wie stark und in welche Richtung sich die Farbtöne und die Sättigung in 16 Farbbereichen (Farbtönen) des Farbraums verschieben. Sie ist ein wichtiges Werkzeug für Lichtplaner, um schnell zu erkennen, welche Farben (z. B. Rottöne oder Grüntöne) verstärkt oder abgeschwächt werden.

Die IES TM-30-Methode eine wesentlich präzisere und umfassendere Bewertung der Farbwiedergabequalität von Lichtquellen und wird in der Lichtplanung zunehmend zum empfohlenen Standard. Leider setzte sie sich sehr langsam durch, weil sich die Methoden der Farbwiedergabe in vielen Normen, Regeln, Verordnungen und Gott-weiß-wo-noch verewigt haben.

 

Die Methode Wissenschaft, mit der man Wissenschaft verhindert – Ignorieren – Der Architekt

Die Wahrheit ist selten rein und nie einfach.

Oscar Wilde

Der vermutlich wichtigste Ignorant des lichttechnischen Wissens ist der Architekt. Dieser ist etwa seit dem Ende der Eiszeit Gesamtverantwortlicher für den umbauten Raum. Später auch für den öffentlichen Raum wie z.B. Hippodamos von Milet. Er war zwar Staatstheoretiker, wurde aber auch als Architekt und Baumeister bezeichnet. Er ist bekannt dafür, dass er Licht in die Stadt gebracht hat.

In Genesis 2.0 - Schöpfung der elektrischen Sonne beschreibe ich, dass die Geschichte des künstlichen Lichts sich auch etwa in die Eiszeit zurückreicht. Da müsste der Architekt doch gemerkt haben, dass das Licht die Architektur formt. Den Spruch „Licht schafft den Raum“ kann man doch ohne Gewissensbisse unterschreiben.

Doch die Realität ist nicht so. Man kann bereits im Sprachgebrauch einen Unterschied zwischen dem Architekten und dem Techniker feststellen: Der Techniker spricht von Beleuchtung, der Architekt von Belichtung. Wer unterschiedlich über dasselbe spricht, könnte auch Unterschiedliches meinen. Dem ist tatsächlich so. Ein gut belichteter Raum ist auch in der Nacht gut belichtet, auch wenn dunkel, weil sich das Wort auf die Raumeigenschaften insgesamt bezieht. Ein gut beleuchteter Raum ist aber sofort dunkel, wenn man das Licht ausschaltet. Der Architekt ist auch heute derjenige, der für die Belichtung verantwortlich zeichnet. Ob er auch so über die Beleuchtung denkt?

Damit sich Architekten und Lichttechniker gut verständigen können, hatte bereits Albert Speer versucht, diese in eine kooperative Beziehung zu bringen. Denn es war bereits 1935 sonnenklar, dass künftig die künstliche Beleuchtung eine größere Rolle spielen würde. Mit der Kooperation hat es nicht geklappt. Selbst die Normung ging getrennte Wege. Die Tagesbeleuchtung (oder Belichtung?) und die künstliche Beleuchtung werden seit 1935 in getrennten Normen geregelt (DIN 5034 und DIN 5035). Bei der Normung des Tageslichts waren Architekten nicht nur stärker beteiligt, sie hatten über die Gesetzgebung (Bauordnungen) einen entscheidenden Einfluss. Hingegen entwickelten hauptsächlich Techniker die Normen für Kunstlicht, bis zum Ende des Jahrhunderts sogar unkoordiniert miteinander.

Gegen Ende der 1960er Jahre gab es ein versöhnendes Konzept, die Tageslichtergänzungsbeleuchtung. Es (oft abgekürzt als TGE) ist ein Beleuchtungskonzept, bei dem künstliches Licht (Kunstlicht) gezielt eingesetzt wird, um das natürlich einfallende Tageslicht in Innenräumen zu ergänzen und zu optimieren. Das nach dem Konzept benannte Forschungsprojekt wurde von der Lichtindustrie totgeschlagen, weil sie nicht die zweite Geige spielen wollte. Kurz danach kam die Industrie mit DIN 5035 (1972), womit sich die künstliche Beleuchtung als autarke Größe etablieren wollte. Ganz folgenlos blieb das Projekt indes nicht. Die Vorschrift der Verordnung für Arbeitsstätten von 1975, dass alle Arbeitsräume eine Sichtverbindung nach außen haben müssen, und die genaue Beschreibung der Eigenschaften in der ASR 7.1 sind eine direkte Folge davon.

Die getrennten Wege des Lichts in Arbeitsräume, hier über Fenster via Bauordnung, dort künstliches Licht von der Decke via technische Normung, führte 1975 zu der kuriosen Situation, dass für die Arbeitsstätten in Deutschland Tageslicht nicht als Beleuchtung zählte. Dumm nur, dass praktisch alle Arbeitsstätten Bauten sind und den Landesbauordnungen unterliegen. Da die Tageslichtsituation von der jeweiligen Bauordnung geregelt war, verzichtete der Bund darauf, Tageslicht in der Verordnung für Arbeitsstätten zu regeln: “Da eine gleichmäßige und stets gleichbleibende Beleuchtung der Arbeitsplätze, Arbeitsbereiche und Verkehrswege über den gesamten Tag nur durch künstliche Beleuchtung zu erreichen ist, wird in der Arbeitsstättenverordnung die allgemeine Forderung des § 120 a Abs. 2 GewO nach genügendem Licht nur für die Beleuchtung mit künstlichem Licht im einzelnen präzisiert.” (Opfermann, R.; Streit, W.: Arbeitsstätten - Arbeitsstättenverordnung und Arbeitsstätten- Richtlinien mit ausführlicher Kommentierung, Loseblattsammlung, Forkel Verlag, 1999)

Hätte ein Architekt jemals für eine „gleichmäßige und stets gleichbleibende Beleuchtung der Arbeitsplätze, Arbeitsbereiche und Verkehrswege“ plädiert? Ich denke, nein. Hier ist ein Statement, allerdings von einem der besten Architekten von Deutschland, über die Experten der künstlichen Beleuchtung: „Für sie [Licht-Ingenieure, zumeist Elektrotechniker] gab und gibt es überwiegend nur zwei Kriterien: die Ausbeute der Lichtmenge gemessen in Lichtstärke und den Aufwand im Verbrauch gemessen in elektrischer Energie. Wir hatten sehr schnell gelernt, dass die Beschränkung auf diese beiden Parameter für die Gestaltung der Architektur und die Erzeugung von Raumstimmung die kurzsichtigsten, um nicht zu sagen unsinnigsten Messgrößen darstellen.  (Meinhard von Gerkan: „Die Gestaltkraft des Lichts in der Architektur“, in: Flagge, I. (Hrsg.): Jahrbuch Licht und Architektur 2000, Müller, Köln, 2000)

Meinhard von Gerkan war kein Ignorant, sondern einer, der die Kooperation gesucht hatte. Andere, die sich nicht äußerten, stimmen mit den Füßen. Wenn über künstliches Licht diskutiert wird, wird man kaum einen Architekten sehen oder hören. Erst in jüngerer Zeit hört und liest man von „integrierter“ Planung, also einer Planung der Lichtsituation unter Berücksichtigung von Tageslicht und Kunstlicht (mehr hier)

Und die „lichttechnische“ Gesellschaft von Deutschland hat im November 2023 beschlossen, ihren Namen zu ändern. Sie heißt nicht mehr „Deutsche Lichttechnische Gesellschaft e. V.“, sondern „Deutsche Gesellschaft für LichtTechnik + LichtGestaltung.“  Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung, mehr Architekten in den Bereich Licht anzulocken. In anderen Ländern brauchte man diesen Schritt nicht. So hieß und heißt die entsprechende Gesellschaft von Norwegen Lyskultur wie Lichtkultur. In ganz Skandinavien spielt das Licht (oder der Mangel daran) aufgrund der geografischen Lage eine existenzielle Rolle in der Architektur. In diesen Ländern hat sich oft eine Design- und Planungskultur entwickelt, in der Lichtgestaltung als integraler Bestandteil des architektonischen Entwurfs betrachtet wird. In anderen Ländern mit starker Design-Tradition (z. B. Niederlande, Italien) wird Licht oft als "Baumaterial" und zentrales Gestaltungselement verstanden, was den Einfluss von Architekten und Lichtdesignern auf die tatsächliche Anwendung von Konzepten der Beleuchtung – auch jenseits der reinen Normerfüllung – sehr hoch macht. In der Türkei bestimmen eher die Architekten die Beleuchtung.

In Deutschland kann man bestimmte Traditionen nicht einfach abschaffen. So ist zwar die Kunst des Ingenieurs auch älter als unsere Zeitrechnung, aber die Grundsätze der Architektur nach Vitruv, geschrieben 70 v.Chr. für Architektur, mit Firmitas (Festigkeit), Utilitas (Nützlichkeit, Usability) und Venustas (Schönheit), gehen über die Konzepte der Ingenieurskunst hinaus. Venustas wie Schönheit ist nicht messbar. Hingegen will man in der Lichttechnik alles auf das Messbare reduzieren, daher das Statement von von Gerkan. Wer Schönheit messen will, sollte den Rat des Bundeskanzlers Schmidt annehmen und einen Arzt aufsuchen. Allerdings hatten die Autoren der ersten Norm für die künstliche Beleuchtung als (ein) Ziel hierfür tatsächlich Schönheit angegeben.

Ob man mit Messbarem oder dem Gegenteil davon umgeht, lässt sich die Physik nicht verleugnen. So entstehen Gebäude unter Ignorieren bestimmter lichttechnischer Erkenntnisse, unter denen die Arbeitenden mächtig leiden. Beispielsweise weigerten sich z.B. Architekten lange Jahre lang, Außenjalousien einzubauen. Ich lernte Lichttechnik in einem solchen Gebäude, wo wir am Nachmittag bis 33 °C hatten, zuweilen auch im Winter. Der Architekt des Gebäudes war ein Freund des Planers, unseres Professors. Nach dem Bezug des Gebäudes nicht mehr. Deutschen Abgeordneten, deren Arbeitsplätze ich im Langen Eugen eingerichtet habe, ging es noch schlechter. Bei denen kam zu der Sonne noch die Computertechnik, so dass die Temperatur bis 40° ansteigen konnte. Die Angestellten des Bundestages verließen dann die Arbeitsräume, die Politiker und deren politischen Mitarbeiter mühten sich weiter ab. Änderungen an der Fassade wurden lange durch den Urheberschutz des Architekten verhindert. Erst die „beherzte“ Sanierung des Gebäudes (2002–2006) für den UN-Campus wurde behutsam und in Abstimmung mit den Denkmalschutzauflagen durchgeführt, um die Gesamtkonzeption Eiermanns zu erhalten.

Leider kann ich die damalige Lage nicht bebildern, aber das folgende Bild sagt viel darüber aus, was aus dem Ignorieren des lichttechnischen Wissens entstehen kann.

Der Raum gehört einem sehr bekannten Bürohaus, das einst als mustergültig fortschrittlich angesehen wurde, weil das gesamte Gebäude mit einem Doppelboden versehen wurde, um dem kommenden Computerzeitalter zu dienen. Zum Zeitpunkt des Baus herrschte in der Architektur der Glaube, dass Schwarz schick und edel sei. Die gesamte Beleuchtung des Raums ist darauf ausgerichtet, dass Licht nur die Sehobjekte treffen soll. So proklamiert durch Designer. Das Ergebnis dieses Raumdesigns ist aber, dass das Tageslicht bereits an einem trüben Novembertag blendet. Die schwarzen Möbel reflektieren nicht nur den Himmel, sondern insbesondere die Downlights. Wer jemals solche Leuchten gemessen hat, weiß, dass höchstens die Hälfte des darin erzeugten Lichts aus ihnen herauskommt. Solche Objekte werden in der Lichttechnik als „Lichttötungsmaschinen“ bezeichnet. Wer ihre Erscheinung als blendend bezeichnet, meint es nicht nett. Die grauen Stellwände sind übrigens neueren Datums.

Dass man einen solchen Raum nicht bauen sollte, hätte man damals aus zwei lichttechnischen Normen ableiten können. Warum guckt aber ein erfolgreicher Architekt nicht in eine DIN-Norm? Die Antwort fällt so aus, dass man sie schwer glauben kann. Normen von Bauwesen und vom Bereich Licht (NABau, Gründung 1947; FNL, Gründung 1941) wurden bis in die 1990er Jahre hinein nicht abgestimmt, obwohl es bestimmt kein Gebäude ohne künstliches Licht gibt. Es gibt keine finanziellen Anreize für einen Architekten, sich tiefer mit der künstlichen Beleuchtung zu beschäftigen. [Die Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen enthält nur wenige Anreize für den Architekten, sich mit der künstlichen Beleuchtung zu beschäftigen. Dafür dürfen Ingenieure gestalterische Arbeiten nicht abrechnen. Sie auch https://www.gesetze-im-internet.de/hoai_2013/] Um den Bauschein (auch Baufreigabeschein genannt) zu erhalten, muss der Architekt nachweisen, dass das geplante Bauvorhaben alle relevanten öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfüllt (z. B. Bebauungsplan, Baurecht, Statik, Brandschutz). Ob die Normen der Lichttechnik dazu gehört haben?

Leute, die Erkenntnisse aus der Lichttechnik ignorieren, führen oft an, ihre Studien seien alt. Und meinen, sie seien obsolet. Wann hätte aber ein Student der Lichttechnik die Chance, einen solchen Raum in einer Diplomarbeit zu untersuchen? In dem Baujahr des Gebäudes (etwa 1976) garantiert nicht, denn da gab es die 10:3:1 Regel so lange, dass keiner mehr darüber nachdenken würde. Diese Regel besagt, dass der Bereich der Sehaufgabe am hellsten sein soll (10). Die nähere Umgebung soll nicht viel dunkler sein (3). Die fernere Umgebung soll auch aufgehellt sein (1). Manche Leute vermuten, dass die Regel in den 1940er Jahren aufgestellt worden sei. Man kann aber nach tiefergehender Suche bereits in dem Buch von Leffingwell aus dem Jahr 1925 das Wissen entdecken, das eine solche Raumgestaltung verboten hätte.

Die besagte Regel bestimmt damit mehr oder weniger stark die technische Kultur der Beleuchtung. Dass sie falsch sei, kann man nicht nachweisen. Wer sie dennoch ignoriert, schafft Räume wie den oben, in denen sich die Menschen später über die Beleuchtung beschweren.

Die Ignorierung des lichttechnischen Wissens durch den Architekten beruht auf sehr tiefen Wurzeln.

(Gesamtheit aller statistischen und methodischen Kniffe hier zu lesen)

Die Methode Wissenschaft, mit der man Wissenschaft verhindert – Ignorieren – Hired Guns

Die Wahrheit ist selten rein und nie einfach.

Oscar Wilde

Im Jargon des Wilden Westens war der hired gun ein Revolverheld, den man mieten konnte. Die schlimmste Art unter denen war der Auftragskiller. So schlimm sind die hier angeführten Herrschaften nicht. Sie haben sich nur vor den Karren nicht honoriger Interessen spannen lassen. Bei einem habe ich sogar den Lohn erfahren: 250.000 $. Bei anderen müsste man spekulieren.

Ich kannte aber auch einen, den man für einen solchen hielt. Er nahm den Auftrag an, führte ihn auftragsgemäß aus. Als dem Auftraggeber das Ergebnis nicht schmeckte, geschah Unglaubliches. Man verbot ihm, über das Projekt zu reden. Es wurde eine Presseerklärung herausgegeben, das Projekt hätte das gewünschte Ergebnis erbracht. Ganz hinterhältig war die Veröffentlichung des Forschungsberichts mit seinem Inhalt, aber einem Executive Summary mit der Meinung des Auftraggebers. Man wusste, dass die meisten es dabei belassen, die Zusammenfassung zu lesen.

Die beiden ausgesuchten Fälle weisen mehrere Gemeinsamkeiten auf. Die Auftraggeber kamen aus der Computerindustrie. Die hired guns waren Professoren der Lichttechnik. Es ging um eine Regel, die beide in ihren Publikationen mehrfach hochgehalten hatten. Deswegen konnten sie nicht versuchen, sie zu falsifizieren. Ergo wählten sie den scheinbar sicheren Weg, die Regel für irrelevant zu erklären.

Dieses betraf den dunklen Bildschirm im hellen Raum. Den Computerherstellern ging es darum, aufzeigen zu lassen, dass dieser kein Problem für die Augen darstellt. Aber bereits die Vorfahren der damaligen Lichttechniker hatten festgestellt, dass zu große Helligkeitsunterschiede zwischen Teilen des Gesichtsfeldes Blendung bedeuten. Was ist aber zu groß?

Nach den Studien des Lehrers des einen Professors, des Herrn Bodmann, wäre ein Verhältnis von 1 : 10 gleichbedeutend mit einer Erscheinung von Schwarz für den dunkleren Teil. Dieses kann man aus der Dynamik des Auges ableiten. Dieses Organ kann sich zwar auf Leuchtdichten in einem Umfang von 10 hoch 11 anpassen. In Worten: Der Unterschied zwischen der untersten Leuchtdichte und der obersten, an die sich das Auge anpassen kann, liegt bei einem Faktor von 100 Milliarden. Wenn es dies häufig tun muss, reagiert es mit diversen Erscheinungen wie Augenbrennen, Tränenfluss oder gar mit Kopfschmerzen. Daher wurde die relative Gleichmäßigkeit der Helligkeiten zu einem wichtigen Gütemass einer Beleuchtung erklärt. Wenn der Bereich der Sehaufgabe eine Leuchtdichte von 10 hat, soll deren Umgebung bei mehr als 3 liegen. Ergo, ein Verhältnis von maximal 3:1 wäre nicht zu unterschiedlich in diesem Sinne.

Genau auf dieser Vorstellung basierte z.B. das Konzept der Allgemeinbeleuchtung, das seit den 1920ern empfohlen wurde und spätestens 1972 schriftlich in DIN 5035 festgelegt. Auch aus diesem Grunde erklärte man die Schreibtischleuchten für unzulässig. Von den moderneren Arbeitsplätzen mit Bildschirmen wurden diese in einer Sicherheitsregel der Berufsgenossenschaften 1980 sogar verbannt: „Einzelplatzbeleuchtung (Verwendung von Tischleuchten) an Bildschirm-Arbeitsplätzen ist im allgemeinen zu vermeiden.“ (aus ZH1/618 Sicherheitsregeln für Bildschirmarbeitsplätze, 1980)

Bei der besagten Regel geht es leicht erkennbar um das Konzept der Beleuchtung gemeinhin. Dieses besagt, dass ein hohes Leuchtdichteniveau für eine bessere Sehleistung sorge. In Abrede gestellt hat dies noch niemand. Würde das Auge aber gleichzeitig zwei Niveaus ausgesetzt werden, zwischen denen es wechseln muss, leide die Sehleistung. Auch dieses stellt niemand in Frage. Dennoch wäre es möglich, dass das Konzept insgesamt falsch wäre. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich eine Wissenschaft irrt.

Ob sich die Berufsgenossenschaft auch vertan hat? Folgendes Video zeigt das Gegenteil. Hier wurde ein Auge in einem hellen Raum gefilmt, in dem es zwischen einem dunklen Bildschirm und einem helleren Blatt Papier wechselt. Den Leuchtdichteunterschied habe ich auf 1 : 3 gestellt, also noch annehmbar gering.

Wie man klar erkennt, reagiert die Pupille heftig bereits auf akzeptierte Unterschiede. Die Pupille ist der primäre Schutz des Auges gegen Helligkeitsschwankungen und reagiert am schnellsten. Danach folgt mit etwas Verspätung die neuronale Adaptation, die Veränderung der Empfindlichkeit der Netzhaut. Ganz am Ende folgt die photochemische Reaktion. Das ist die Regeneration bzw. Ausbleichung der Sehfarbstoffe (Rhodopsin in den Stäbchen und Iodopsin in den Zapfen).

Im normalen Leben macht dies nichts aus, für das Auge ist es sogar angenehm, Unterschiede in der Umgebung wahrzunehmen. Nur nicht, wenn dies erzwungen mit einem Takt bis zu 0,8 Sekunden passiert und bis 33.000 Mal am Tag. Dieses haben meine Mitarbeiter aus 40 Stunden Filmmaterial ausgearbeitet, in dem der Wechsel des Blicks und der Leuchtdichte am Arbeitsplatz gemessen wurde. Als Konsequenz zog die Berufsgenossenschaft den Schluss, dass unsere Empfehlung, dass die Bildschirme etwa so hell sein müssten wie die Arbeitsumgebung, befolgt werden müsse: Die Lösung hieß: Positivdarstellung, also helle Bildschirme mit dunkler Schrift. Heutige Menschen kennen praktisch nur noch solche.

Begründet wird die Vorschrift mit diversen Vorteilen der Positivdarstellung:

  • weniger Störungen durch Reflexionen
  • Angleichung der Leuchtdichten der Informationsträger und des Bildschirms
  • weniger Belastung durch den ständigen Wechsel der Helligkeiten (weniger Adaptation)
  • bessere Lesbarkeit der Zeichen durch die höhere Leuchtdichte des Untergrundes

Wie sah die Realität aus? Die Bildschirme hatten etwa 1/20 der Umgebungsleuchtdichte und waren dann laut Bodmann schwarz. Da die Designer auch die Gehäuse farblich ähnlich machen wollten, waren diese ebenso dunkel, die Tastatur eingeschlossen. Deswegen glänzten diese besonders schlimm. Auch auf schwarzen Bildschirmen sieht man die Umgebung wunderbar gespiegelt. Also eine Lose-lose-Situation. Insbesondere die schwarzen Tastaturen führten zu starken Augenbeschwerden. Die Lösung dafür musste nicht erst gefunden werden, sie gab es in alten Werken der  Lichttechnik.

Das Computerunternehmen mit den dunkelsten Bildschirmen beauftragte Prof. X mit einer „Lösung“. Da dieser aber an der 3 :1-Regel hing, musste die Lösung etwas anders lauten. Er ließ die Arbeitsleistung bei einem Test (d2-Test von Brickenkamp) untersuchen und stellte fest, erst bei einem Leuchtdichteunterschied von 100: 1 leide die Leistung. Welche? Danach fragte aber keiner.

Das ist so verwunderlich nicht, denn der Test ist validiert und ist robust gegen Umgebungseinflüsse. Gemessen wurde die Leistung im Test. Aber der Ersteller des Tests hatte dafür gesorgt, dass diese nur von persönlichen Merkmalen des Probanden abhängt.  Der sogenannte d2-Test ist ein standardisierter, neuropsychologischer Leistungstest zur Erfassung der Aufmerksamkeit und Konzentration unter Zeitdruck. Der d2-Test wurde ursprünglich entwickelt zur Eignungsauslese von Kraftfahrern. Somit war es unwahrscheinlich, dass der Test etwas anderes erbringen konnte als das gewünschte Ergebnis, nämlich dass der Bildschirm des Auftraggebers nicht zu dunkel sei. Allerdings wird man bei allen Lesetests stets dasselbe feststellen, weil Menschen in Versuchssituationen gleich gut lesen, wenn die Schrift nicht gerade auf Unleserlichkeit getrimmt ist.

Prof. Y hatte einen Auftraggeber, dem die vorgeschriebenen Farben für Gehäuse und Tastaturen Sorgen machten. Er musste für Deutschland graue Gehäuse anbieten (computerschmuddelgrau), während seine Designer schwarz liebten. Ein logistisches Problem eigentlich, man musste das gleiche Modell in zwei Farben vorhalten.  Das kostet! So kam der Auftrag zustande. Prof. Y hatte die besagte Regel auch in diversen Publikationen besungen. So zog er vor, den Einfluss der Gehäusefarbe des Bildschirms auf die Sehschärfe der Probanden zu studieren.

Die Sehschärfe ist ebenso robust gegen Umgebungseinflüsse. Dass der Test keinen Unterschied zwischen unterschiedlichen Gehäusefarben feststellen würde, hätte man gleich sagen können. Denn der Test von Prof. Y zeitigte auch keinen Unterschied beim Lesen von 6p-Schriften und 12p-Schriften, die so aussehen wie hier

Hier sind die Originaltexte der Studie von Prof. Y, dessen Test keinen Unterschied zwischen den abgebildeten drei Schriftblöcken feststellen konnte.

Wenn Probanden keinen Verlust an Lesevermögen bei solchen großen Unterschieden des Sehguts erleiden, was vermögen Gehäusefarben wohl ausmachen, die der Benutzer nur begrenzt sieht? Damit stand das Urteil von Prof. Y fest: „Die Leuchtdichte von Gehäusen von Computern spielt keine Rolle."

Lustigerweise musste man dem Herrn nicht einmal widersprechen. Denn er hatte drei Gehäusefarben untersucht, die nach den Regeln der Berufsgenossenschaft zulässig wären. Ihm ist das nicht aufgefallen, den Auftraggebern auch nicht (das Ganze ist hier zu lesen). So lautete das Fazit eines Forschungsprojektes, das sich mit diesem Urteil von Prof. Y beschäftigte: „Der Forschungsbericht bestätigt im Wesentlichen die Vorgaben der Normen, wie sie bereits im Jahre 1981 festgelegt worden waren.“

Das sind zwei Beispiele dafür, dass und wie vernünftiges lichttechnisches Wissen und dessen Anwendung ignoriert werden. Die Folgen können mehr Augenbelastung oder Unannehmlichkeit sein. Es bleibt aber zuweilen nicht bei solchen Auswirkungen.

In einem besonders eklatanten Fall wollte der Auftraggeber eine Absolution für eine Massnahme haben, die die Sicherheit der Republik gefährden könnte. Es ging um die Beleuchtung der Warten von Kernkraftwerken. Man fragte einen Professor für Lichttechnik, ob man im Falle einer Havarie die Beleuchtung auf ein Drittel reduzieren dürfe, weil man die Leistung der Notstromdiesel für andere Zwecke bräuchte. So kam diese Ausnahme in eine KTA-Regel (KTA 3904) .Das ist ein sicherheitstechnischer Standard des Kerntechnischen Ausschusses.  Die wichtigsten Regeln zur Ergonomie in der Warte (Kontrollraum) in kerntechnischen Anlagen finden sich in der KTA-Regel KTA 3904 des Kerntechnischen Ausschusses.

Diese Regel trägt den Titel "Warte, Notsteuerstelle und örtliche Leitstände in Kernkraftwerken" und befasst sich umfassend mit der Gestaltung dieser Bereiche unter Berücksichtigung ergonomischer Aspekte, darunter auch die Beleuchtung. Da solche Regeln sehr relevant sind, wurden in deren Entwürfen Aussagen von Einzelpersonen festgehalten, weil sie in diesem Stadium nicht vom gesamten Ausschuss verantwortet werden.Dumm nur, dass die Sache bei einer Havarie erfolgen sollte. In dieser Situation geht es darum, Schadenabwehrmaßnahmen zu planen. Dazu holt man stapelweise Schaltpläne mit zum Teil winzigen Details und muss diese in der schlimmsten Krisensituation auswerten, die man sich vorstellen kann. Ein drohender GAU in 20 Minuten. Wie unbedenklich ist die Reduzierung des Lichts auf ein Drittel? Der Experte wusste in anderen Situationen wohl davon zu berichten, dass die Sehleistung von der Beleuchtungsstärke abhängig sei. So hat er bei seiner Abschiedsvorlesung vor geladenen Gästen versucht, den Unterschied zwischen 500 lx und 250 lx für die Sehleistung zu demonstrieren. Derselbe Mann hatte aber für einen Standard für nukleare Sicherheit begründet, dass die Absenkung auf 150 lx in der Schaltwarte nichts ausmache.

Die wahre Situation in einem AKW war sogar schlimmer, als die Regel erlaubte. Die Planer haben nicht die Beleuchtung insgesamt auf ein Drittel herabgesetzt, sondern jeweils ein Drittel der Beleuchtung einer Phase gehängt. D.h., bei einer Havarie wären zwei Drittel der Warte ohne Beleuchtung gewesen.

Als wir diese Situation feststellten, war das Werk schon 17 Jahre in Betrieb, wobei Notübungen alle 3 Monate stattfanden. Dazu werden alle Notstromdiesel angeworfen und die Notfallsituation durchgespielt. Offenbar ohne Zeugen. Irgendwem müsste doch aufgefallen sein, dass zwei Drittel der Warte ohne Beleuchtung waren.

Im einem anderen Fall toppte die Situation der Technik alles Dagewesene. Bei dem Kernkraftwerk Krümmel kam es im Jahr 2007 zu einem bedeutenden Störfall, als nach einem Kurzschluss im externen Netz zwei von vier Notstromdieseln aufgrund mechanischer Probleme nicht richtig funktionierten. Es gab keine Kupplung zwischen der Turbine und dem Generator. Auch das war lange Jahre niemandem aufgefallen. Notstromdiesel sind keine Fahrraddynamos für Leute, die nur bei Tage  fahren. Sie werden für Leistungen für 3 bis 8 MW gebaut und alle 3 Monate geprüft. Offenbar nicht gründlich genug …. In Krümmel ist den Leuten nicht mal ein Licht aufgegangen, als kein Licht angegangen war.

Es mutet sich bizarr an, dass das Ignorieren von harmlos scheinenden Regeln der Lichttechnik, die Studenten im ersten Semester lernen, derartige Folgen nach sich ziehen kann. Die beschriebenen Fälle sind dabei nur wenige aus einer großen Zahl, die mir bekannt sind.

Was kümmert uns die Beleuchtung, wenn man nur den Schalter umdrehen muss, und gleich kommt Licht!

(Gesamtheit aller statistischen und methodischen Kniffe hier zu lesen)

Die Methode Wissenschaft, mit der man Wissenschaft verhindert – Ignorieren – die Patentlösung zum Ersten

Die Wahrheit ist selten rein und nie einfach.

Oscar Wilde

Die wirksamste Methode, die Wissenschaft zu behindern, besteht im Ignorieren. Man nimmt Erkenntnisse einfach nicht zur Kenntnis. Gemeint sind nicht die Fälle, wo geprüft und zu leicht befunden wird, sondern das bewusste Ignorieren. Dieses wird in zwei Arten praktiziert: passiv durch Nichtwahrnehmen und aktiv durch sinnlose Gegenstudien.

Als ich zu diesem Thema ein Beispiel aus der Praxis der Lichttechnik suchte, fielen mir lauter Beispiele ein, bei denen die Lichttechnik eher Opfer, denn Täter war. Deutlicher gesagt, ich musste für mehrere Jahrzehnte dafür kämpfen, dass die Erkenntnisse meines allerwichtigsten Forschungsprojekts bei Computerfirmen und Gerätedesignern Akzeptanz fanden. Die Erkenntnisse stammten hauptsächlich aus dem Bereich der Lichttechnik und wurden von Ergonomen und Arbeitsschützern gerne aufgenommen. Die Computerfirmen behaupteten hingegen immer wieder, es gäbe keine Literatur, die meine Erkenntnisse unterstütze. Da half nicht, dass man gleich eine Reihe Studien zitieren konnte. Wenn es nicht passt, wird eben ein ganzes Fachgebiet ignoriert.

Wenn die Sache aber bedeutsam scheint, reagiert man mit Gegenstudien, die ganz raffiniert von sogar renommierten Wissenschaftlern erstellt werden. Diese wissen manchmal nicht, wem sie da dienen. In den meisten Fällen aber stellen diese ihre methodischen Fähigkeiten denen zur Verfügung, die unliebsame Erkenntnisse loswerden wollen. Nicht ganz kostenlos.

Jemand, dessen Institution diesbezügliche Attacken seit fast einem Jahrhundert erleiden musste, Linda Rosenstock, die Präsidentin der US-amerikanischen Arbeitsschutzbehörde NIOSH, hat die Methoden wunderbar dokumentiert (in: Contributions to the History of Occupational and Environmental Protection, Antonio Grieco, Sergio Iavicoli and Giovani Berlinguer, Elsevier Science, ISBN 0 4445 0255 6, pdf zum Download hier) Dabei war das Aufhalten des Verbots von Asbest über 100 Jahre nicht mal das Schlimmste. Schlimmer noch ist die systematische Instrumentalisierung der Wissenschaft, um Wissen zu unterdrücken. Das ist das aktive Vorgehen, mit dem ich anfange.

In meiner Dissertation hatte ich nachgewiesen, dass die psychologische Blendung in der Sportstättenbeleuchtung keine Rolle spielte, wie sie in der Lichttechnik betrachtet wurde. Bemühungen, diese zu vermeiden, würden sogar dazu führen, dass sich die Fußballspieler stärker geblendet fühlten. Und dies hatte ich nicht nur mit den Stimmen von 70% der Profis der ersten Bundesliga belegt, sondern auch mit Berechnungen, gegen die niemand etwas sagen konnte. Das war kein Gefühl, sie sahen schlechter.

Das lichttechnische Wissen von damals sagte, um die Blendung durch die Scheinwerfer zu reduzieren, müsse man die Umgebung heller machen. (Diese Weisheit gilt immer noch, aber nicht immer.) Außerdem würden die Unterschiede der Leuchtdichte des Feldes und der Tribünen Ermüdung bei den Zuschauern und Spielern hervorrufen. Deswegen müssten die Tribünen beleuchtet werden wie das Feld. Beides stand in einer LiTG-Publikation herausgegeben von dem zuständigen Technisch-Wissenschaftlichen Ausschuss des Vereins. (LiTG-Fachausschuß „Sportstättenbeleuchtung". Beleuchtung von Sportstätten für das Farbfernsehen. LICHTTECHNIK 20 (1969) Nr. 11, S. 125 A.)

Weder damals noch heute konnte aber jemand Ermüdung bestimmen. Also war die Behauptung aus der Luft gegriffen. Zudem sagte die anwendbare lichttechnische Regel nicht aus, dass alles die gleiche Helligkeit haben müsse, sondern dass das Sehobjekt (hier das Feld) nicht heller sein soll, als der dreifachen Leuchtdichte der Umgebung entspricht. Die weitere Umgebung kann etwa um den Faktor 10 in der Helligkeit abfallen. Die Faustregel ist als solche seit den 1940ern bekannt als 10:3:1-Regel. Sie muss aber in den 1920ern bewusst geworden sein, z.B. Leffingwell (hier: Die unausgewogene Leuchtdichteverteilung oder wie eine Technik ihre Reputation verlor).

Die Regel darf aber nicht dazu verwendet werden, um schlechtere Sehverhältnisse herzustellen. Und diese wurden tatsächlich von den Fußballern beanstandet, weil hell beleuchtete Tribünen den Ball teilweise unsichtbar machen können. Dies kann man fotografisch nachweisen und auch berechnen. Die helle Tribüne sieht insbesondere bei Regen wie ein bunt geschecktes Fell aus, vor dem der Ball mal einen Kontrast hat und mal nicht. Wenn msn seine Flugbahn verfolgt, sieht er aus, als ob er hüpft. Der Effekt lässt sich mit einfachen Mitteln nachbilden.

Hinzukommt, dass die Beleuchtung mit Hochdrucklampen betrieben wurde, deren Licht nicht überall im Raum über dem Stadion ständig leuchtet. Bei der Olympiade in München 1972 hatten viele Sportfotografen schwarze Fotos bei 4000 lx geschossen, weil das Licht für Sekundenbruchteile wegbleibt. Die Kameras schossen aber mit 1/1000 bis 1/4000 Sekunden. Der unwiderlegbare Beweis des Effekts ist dieser Ball, der in sich scheckig ist, damit ein Stück von ihm immer Kontrast hat. Mittlerweile gibt es ihn nicht mehr, weil die Beleuchtung besser geworden ist.

So habe ich empfohlen, die Tribünen möglichst nur mit Streulicht zu beleuchten und relativ dunkel zu lassen. Dies würde den Zuschauern wie den Spielern zugutekommen und dazu die Kosten gewaltig reduzieren, weil die Beleuchtung der Tribünen eingespart wird. So wird es heute auch gemacht.

Das war der Firma Philips, damals Wortführer in der Normung, zu viel. Sie beauftragte einen Doktoranden, die psychologische Blendung bei Sportstätten zu untersuchen. Mein Doktorvater, einer der führenden Köpfe der Lichttechnik, schrieb die Firma an und empfahl, die Arbeit nicht zu beginnen, weil diese Art Blendung nachgewiesenermaßen irrelevant wäre. Die Firma ignorierte die Warnung wortlos. Der Doktorand sollte später höhere Weihen erklimmen und wurde Professor und sogar CIE-Präsident und bekam einen Lifetime Award für seine Forschung, der noch später nach ihm benannt wurde. Die KI liefert mehrere Dutzend Publikationen unter seinem Namen, in Google Scholar umfassen seine Publikationen mehr als zehn Seiten. Aber über seine Dissertation konnte ich nichts finden.

Als hochdekorierter Experte durfte er 2009 eine Keynote-Rede vor einem europäischen Kongress halten, die zukünftige „heiße“ Fragen der Lichttechnik thematisierte (Lux Europa, 2009). Er nannte dazu drei Aspekte. Hiervon war der erste Aspekt psychologische Blendung. (Lighting tomorrow: what’s hot: „For indoor lighting, the UGR system is used for glare evaluation. The empirical research from both USA and Europe, on which the UGR system is based, dates mainly back to the late fifties and early sixties of last century (e.g. Luckiesh, Hopkinson, Guth, Sollner, Bodmann, Fischer)). Ignorieren lohnt sich also doch nicht.

Einen schlimmeren Fall erlebte ich mit einem Computerhersteller, der ein Prüfzeichen für einen Laptop bekommen wollte. Für das deutsche Prüfzeichen (GS = geprüfte Sicherheit) musste er einen matten Monitor nachweisen. Das schwedische Zeichen (TCO) bekam man ohne diesen auch nicht. Beides aus gutem Grund. Danach sollten wir beauftragt werden, nachzuweisen, dass der Monitor nicht glänzt. Dieser war aber absichtlich glänzend gemacht worden. So bot ich an, man solle nicht versuchen nachzuweisen, dass der Monitor nicht glänze, sondern dass der Glanz nicht störe, weil die Nutzer auch etwas Positives darin sähen. Aber dass Glänzendes nicht glänze, könne man nicht nachweisen. Kann man das?

Dieses Kunststück brachte ein Institut der Universität Loughborough fertig. Allerdings erfolglos. Denn beim zuständigen deutschen Ausschuss war der Vorgang bekannt. Und die Verantwortlichen der TCO weigerten sich, das Gutachten in Kenntnis zu nehmen.

Das Papier war zwar zwecklos, verschwand aber nicht, wo es hingehörte. Es wurde in einem wissenschaftlichen Journal eines der vier größten Verlage der Welt publiziert und gilt seitdem als seriöse Quelle. Die Autoren hatten allerdings „vergessen“, den Sponsor der Arbeit zu nennen. Eigentlich ein Grund, die Publikation zurückzuziehen. Für uns war der Auftraggeber erledigt. Wir für den auch.

Etwa 10 Jahre danach wurde das Papier für einen internationalen Normungsantrag als Beleg eingereicht. Wissenschaftliche Studien der Universität Loughborough hätten gezeigt, dass … Als ich dagegen Einspruch einlegte, fragte der zuständige Leiter der zuständigen Kommission, ob ich zu einem Protest befugt sei. Ein Drang zur Wahrheitsfindung sieht anders aus.

Hier könnte eine lange Liste von Versuchen folgen, eine eindeutige Sachlage zu ignorieren und trotzdem eine angebliche Erkenntnis durchzusetzen, die den eigenen Interessen besser passt. Es gibt Wissenschaftler, die sich für solche Zwecke anheuern lassen, die auf Englisch hired guns genannt werden, also Auftragskiller. Sie bringen niemanden um, nur die Wahrheit. Bei der modernsten Art braucht man keine Wissenschaftler mehr, sondern nur zu diesem Zweck gegründete Verlage, die Bücher und Zeitschriften herausgeben und Kongresse veranstalten. Alles auf dem Papier, Pardon, im Netz. Eine (nicht vollständige) Liste heißt Beal's List of Potential Predatory Journals and Publishers (hier)

(Gesamtheit aller statistischen und methodischen Kniffe hier zu lesen)

Die Methode Wissenschaft, mit der man Wissenschaft verhindert – zum Dritten: SHARKing

Die Wahrheit ist selten rein und nie einfach.

Oscar Wilde

Die Meister des HARKing sind aber solche, die sich ebenso in SHARKing auskennen. Das ist das Entfernen einer Hypothese, nachdem man weiß, dass kein positives Ergebnis (also nach p-hacking) herausgekommen ist. Die Hypothese verschwindet ganz leise. Und niemand merkt es, weil niemand ihr nachweint.

SHARKing steht im allgemeinen Sprachgebrauch für aggressives, unfaires Verhalten und stammt aus dem Pool-Billard. Das Wort wird auch bei sexuellen Missbrauchsfällen angewendet. Bei wissenschaftlichen Studien wird die Methode häufig angewendet, um das Bekanntwerden peinlicher Resultate zu vermeiden. Eigentlich gibt es in der Methodenlehre keine peinlichen Resultate. Wenn eine Studie methodisch richtig angelegt und durchgeführt wird, ist das Ergebnis gleichgültig. Peinlich ist nur das Unterdrücken davon, denn von nichts lernt die Wissenschaft besser als von Fehlern. Dass eine Studie verschwindet, kommt einer Fälschung gleich. Leider sind auch Forschende Menschen und wollen nicht ständig erfolglos geforscht haben. Deswegen dürfte SHARKING viel weiter verbreitet sein, als man wahrnehmen will.

In der Lichttechnik soll sogar ein komplettes Projekt so verschwunden sein. Es hieß PLACAR und sollte dazu dienen, Lampen zu entwickeln, die die melanopische Wirkung von Licht unterstützen täten. Das Projekt wurde von den Größten der Branche initiiert, vom Forschungsminister finanziert und ist… unauffindbar! Es sollte einem Dilemma nicht nur der Lichttechnik abhelfen: der (behaupteten) kanzerogenen Wirkung der nächtlichen Beleuchtung.

Wie in der Literatur seit etwa Mitte 1985 belegt, steht Licht in einer nachweisbaren Beziehung zur Entstehung und Fortentwicklung von Krebserkrankungen. Wer mehr wissen will, kann unter dem Suchwort ALAN (artificial light at night) oder LAN (light at night) viele Quellen finden (hier). Frühere Studien haben gezeigt, dass die Häufung von Krebserkrankungen nördlich wie südlich des Äquators ähnlich zunehmen.

Die Beziehung der Krebsentwicklung zur Beleuchtung wurde für die Lichttechnik relevant, als die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, Nachtarbeit im Jahr 2007 als „wahrscheinlich karzinogen“ einstufte. Eine Begründung dafür beruht auf der Wirkung des nächtlichen Lichtes auf die Entwicklung des Melatonin im Blut, die durch die Beleuchtung gehemmt wird. Da der Stoff als Krebszellenfänger gilt, liegt es nahe, dass sein Fehlen im Blut die Entstehung von Krebserkrankungen fördert. Tatsächlich gibt es Studien, die dies belegen (Al-Naggar, R. A., & Anil, S. (2016). Artificial Light at Night and Cancer: Global Study. Asian Pacific Journal of Cancer Prevention: APJCP) (Weiteres wird in dem internationalen Standard ISO/TR 9241-610 - Impact of light and lighting on users of interactive systems ausführlich dargelegt). Eine komplette Dokumentation zur Nachtarbeit bietet die WHO hier an.

In der Lichttechnik war das Entsetzen aus zwei Gründen groß: Zum einen hatte man versucht, mit viel Licht in der Nacht die Leistung von Arbeitern zu erhöhen. Dazu gab es eine großangelegte Studie in einem VW-Werk, nach deren Ergebnissen man die Arbeit in der Nacht mit 2000 lx sicherer machen würde. Zum anderen aber möchte kein Unternehmer Produkte verkaufen, die der Gesundheit schaden. Gerade die Lichttechnik fühlte sich betroffen, weil sie immer behauptete, Beleuchtung diene der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Und nun das!

Da man weder die Nachtarbeit verbieten kann noch auf die Beleuchtung verzichten, wurde nach einer Lösung gesucht, bei der die Beleuchtung das Sehen fördert, aber keine anderen physiologischen Wirkungen entfaltet, also das Melatonin im Blut nicht beeinflusst.

Die Lösung hieß PLACAR. PLACAR steht für „Plasma LAmpen für CirCAdiane Rhythmen“. Diese Lampen sollten den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus unterstützen. Zu Beginn sah es sehr gut aus für das Vorhaben: „Ein Fernziel der PLACAR-Forscher ist es unter anderem, die Voraussetzungen zu schaffen, um die derzeitigen Lichtquellen zumindest teilweise durch intelligente Lichtquellen bzw. Beleuchtungssysteme zu ersetzen, die in Abhängigkeit von der Tageszeit unterschiedliche Lichtspektren mit unterschiedlichen Intensitäten aussenden. Bereits zur Halbzeit, dem sogenannten 1. Meilenstein, des dreijährigen Projektes konnten nun sehr gute Ergebnisse präsentiert werden.“[https://www.scinexx.de/news/technik/intelligentes-licht-macht-muede/]. Im Buch wird dem Thema ein ganzes Kapitel gewidmet, weil Planar die letzte Plasmalampe sein wird, die je entwickelt wurde (hier).

Es existiert nach einem Forschungsprojekt mit einer Laufzeit über mehr als drei Jahre ein dürfter Abschlussbericht von 12 Seiten. Darin wird ausgeführt, man habe eine „Morgenlampe“ entwickeln wollen. Diese sollte eine Hochdrucklampe sein, die bläulicheres „Morgenlicht“ produzieren sollte. Die Lampe ändere aber während der Brenndauer ihr Spektrum und müsse noch daher weiterentwickelt werden. Eine Natriumdampfhochdrucklampe, die Nachtlampe, sollte noch weiterentwickelt werden, um einen Farbwiedergabeindex von 80 statt von 20 zu erreichen. Der Bericht endet mit dem Statement: „Erst bei den letzten, zeitaufwendigen Untersuchungen des Langzeitverhaltens wurden eine deutliche Lichtstromabnahme und eine Farbdrift von Blau zu Gelb bei der „Morgenlampe“ verzeichnet. Um dies noch korrigieren zu können und um mehr Sicherheit bei den Aussagen zum Langzeitverhalten der „Abendlampe“ zu erhalten, wurde die Bearbeitungszeit um 5 Monate verlängert.“ In Klartext: Die Lampe alterte zu schnell. Übrigens keine Seltenheit bei Leuchtmitteln, die Natrium enthalten, einem äußerst aggressiven Element.

Typischer Fall von SHARKing. Die Hypothese, man könne eine Lampe entwickeln, die die biologischen Wirkungen von Licht (zu wenig Licht am Morgen = fehlende Aktivierung + zu viel Licht am Abend = Entstehung von Krebs, schlechter Schlaf) mit einem Schlag ins Positive wenden würde, konnte nicht so einfach begraben werden. Also musste sie verschwinden. Der Ehrlichkeit halber muss ich aber erwähnen, dass dieses Projekt nicht das Größte war, das ganz leise verschwunden ist. Es war das Projekt 5th Generation of Computers von Japan.[hier]

Im Übrigen bedeutet für echte Wissenschaftler ein Fehlschlag der hier erläuterten Art überhaupt kein Problem. Denn Forschen heißt lernen. Und gelernt hat man ja.

Am Ende haben sich die Wissenschaftler, denen wir die Erkenntnisse in der Chronobiologie verdanken, relativ unfair aus der Affäre gezogen. Die führenden Forschenden des Fachs zogen eine Bilanz ihrer Studien hinsichtlich der nicht-visuellen Wirkungen des Lichts (Brown T., Brainard G., Cajochen C., Czeisler C., Hanifin J., Lockley S. et al. (2021). Recommendations for Healthy Daytime, Evening, and Night-Time Indoor Light Exposure) und empfahlen, die nächtliche Beleuchtung ab 19 Uhr drastisch zu reduzieren. Künstliche Beleuchtung am Tage soll hingegen etwa um den Faktor 3 bis 5 erhöht werden, ab 23 Uhr soll aber Dunkelheit herrschen.

Zu guter Letzt liegen die Werte, die abends und nachts gelten unter der Wirkung eines normalen Monitors. Denn nicht nur die Beleuchtung verschiebt circadiane Rhythmen, sondern Bildschirme ebenso.

Empfohleme minimale und maximale Beleuchtung in  MEDI <30 Jahre ∼50 Jahre >75 Jahre
Tag (7 Uhr–19 Uhr) 250 300 ≥ 425
Abend (19 Uhr –23 Uhr) ≤ 10 ≤ 12 ≤ 17
Nachts (23 Uhr–7 Uhr) ≤ 1 ≤ 2

(MEDI bedeutet melanopic equivalent daylight illuminance, was übersetzt „melanopisch äquivalente Tageslichtbeleuchtungsstärke“. MEDI bewertet eine biologische Wirkung des Lichts auf den menschlichen Körper. Dabei wird die Produktion von Melatonin beeinflusst und der menschliche Biorhythmus gesteuert. Die Umrechnung stelle ich hier dar. )

(Gesamtheit aller statistischen Kniffe hier zu lesen)