… hieß es vor nicht allzulanger Zeit. Gemeint waren die wundersamen Wirkungen des Lichts, die ein Hamburger Professor für Kinderpsychiatrie im Auftrag von Philips ermittelt haben wollte. (hier und da oder dort) Nach eigenem Bekunden hat Philips ihm keinen Auftrag erteilt, sondern einen Assistenten gestellt. Und dessen Doktorarbeit passte ganz zufällig in die Zeit, als Frau Merkel die deutsche Wirtschaft mit staatlichen Mitteln stützen musste. So etwa 1.000 Grundschulräume sollten mit blauem Licht gefüllt werden, das die Schüler ruhig stellt. Schülerinnen auch. Und wenn Leistung gefragt ist, sprudelt aus den doofen Bälgern plötzlich Intelligenz. Dank Personal Light! Zwar hatten sich Forscher der Uni Hamburg etwas vornehmer ausgedrückt. Aber sinngemäß stimmt die Aussage.
Das war im Jahr 2009. Eineinhalb Jahrzehnte später sind die deutschen Kinder doof oder intelligent wie schon immer. Nur die deutschen Lehrer sind wohl klüger geworden und verlangen nicht mehr nach einer Schaltung, die Kinder per Knopfdruck intelligenter oder ruhiger macht.
Wie ist der Professor aus Hamburg eigentlich auf die Idee gekommen mit dem blauen Licht? Moses musste auf den Berg Sinai, um Erleuchtung zu bekommen, Mohammed flog mit dem Pferd al-Buraq von Jerusalem in den Himmel … Bei dem Herrn Professor ging es vermutlich weniger aufwendig, er muss ein Buch von John Ott (hier) gelesen haben, dem die Erleuchtung mit dem Licht beim Betrachten eines Kürbisses gekommen war.
Der Kürbis war kein üblicher Kürbis, in den man Augen und Mund schneidet, wenn es Halloween ist. Ott war Fotograf und wollte Kürbisse ziehen für den Film Cinderella, die bekanntlich in einer von Mäusen gezogenen Kutsche zum Königspalast fährt, um dort den Prinzen zu treffen. So ein filmreifer Kürbis wächst betreut auf. Beim Kürbisziehen merkte Ott, dass das Licht je nach Lichtspektrum die Früchte anders gross werden ließ.
John Ott gab nach dieser Erleuchtung seinen Job als Bänker auf und widmete sich dem Licht. Ob ein späterer Erfinder bei Ott gelesen hatte oder ganz allein auf die Idee kam, kann ich nicht ermitteln. Der erfand eine blaue Lampe, die auch Wunder bewirkte (hier): “Der Test zeigt, dass der Einsatz der XXX Lampen, eine Konzentration fördernde Wirkung auf einen Großteil der Probanden hat.” Da der wissenschaftliche Befund sicherlich reproduzierbar ist, kann man sich über die Wirkung vergewissern, indem man die Lampe für exakt den gleichen Zweck benutzt: "… andere Probanden nutzen die Lampe als Arbeitsleuchte bzw. als Näh- und Strickleuchte." Noch ein Riesen-Schritt in der Geschichte des Lichtmachens. Die Strickleuchte.
John Ott hatte seine erste Untersuchung mit dem blauen Licht 1973 durchgeführt. In seinem Buch wurde noch die Unruhe der amerikanischen Jugend in den 1960ern behandelt, die das flimmernde Licht der damaligen Fernseher bewirkt haben soll. Ott wollte wohl nichts vom Vietnam-Krieg hören. Seine Worte zu dem Versuch mit der blauen Lampe: “Bei konventioneller Beleuchtung zeigten die Schüler deutlich mehr Verhaltensauffälligkeiten (z.B. Hyperaktivität) während die Kinder in der experimentellen Lichtsituation Lernschwierigkeiten allmählich verloren, konzentrierter wurden und ihre Schulleistungen signifikant steigerten.” Etwa dasselbe hätte man auch bei dem Hamburger Professor lesen können.
Etwa älter als Otts Idee war die Behandlung von Babies mit blauem Licht. Da die neugeborenen Menschen kurz nach Erblicken des Tages nicht perfekt funktionieren, leidet jedes dritte Baby an Gelbsucht (Neugeborenen-Gelbsucht (Hyperbilirubinämie)). Der englische Arzt Richard Cremer hat in 1958 zufällig entdeckt, dass blaues Licht den Bilirubinspiegel bei Neugeborenen senken kann. Seine Ergebnisse zur Phototherapie erschienen in der Zeitschrift "The Lancet". Mitte der 1970er Jahre wurde die Phototherapie dann zum Standardverfahren in der Behandlung von Neugeborenen-Gelbsucht. Damals durfte ich Messgeräte bauen, die die Wirksamkeit von Lampen zum Abbau von Bilirubin maßen.
Doch auch das Jahr 1958 war nicht das erste Jahr, in dem eine Geschichte mit blauem Licht erzählt wurde. Der Herr, der eine besondere Wirkung vom blauen Licht ermittelt hatte, kann kaum mit einem der genannten verglichen werden, Robert Koch. Er hatte gezeigt, dass nicht Gase und Miasmen Krankheiten auslösen, sondern bestimmte Erreger bestimmte Erkrankungen. Zwei britische Mediziner, Arthur Downes und T.P. Blunt, wiesen dazu nach, dass Licht Bakterien tötet. Und zwar mit seinem blauen Anteil, nicht mit UV. So kam es dazu, dass in deutschen Normen eine Besonnung jeder Wohnung vorgeschrieben wurde. Mindestens in NRW war eine ausreichende Besonnung sogar Bauvorschrift. (mehr hier)
Doch der erste, der Blau eine mysteriöse Kraft zuschrieb und damit einen Wahn auslöste, war ein General. Ein gewisser A. J. Pleasonton, vom Beruf General, eine Theorie aufgestellt, wonach blauem Licht eine Heilwirkung zukam. Er argumentierte, dass Farbe enorme biologische Wirkungen entfalte und dem blauen Licht elektromagnetische Kräfte innewohnten, die in der Lage wären, den Körper zu heilen und Widerstandskräfte gegen Krankheiten aufzubauen. Der General erklärte in einem Buch die Wirkungen vom blauen Licht mit seinen Erfahrungen mit einem Gewächshaus mit blauen Gläsern. Er hatte festgestellt, dass die Pflanzen im Frühjahr zu sprießen begannen, weil der Himmel über ihnen blauer wurde. So ließ er Gewächshäuser mit blauen Scheiben patentieren, die nach seiner Behauptung besonders ertragreiche Weinstöcke hervorbringen sollten. Später machte er mit Schweinen und Kühen weiter. Seine Gläser wurden von den Farmern massenweise gekauft. Leute haben blaues Glas in ihre Brillen eingebaut. Sogar Babys wurden in blaue Brutgehäuse einquartiert. So abwegig war das nicht, wie man 1958 die Sache mit den Babies entdeckte.
So hatte Blue-glass Craze seinen Lauf genommen. Zwar gibt es heute keine Gewächshäuser mit blauen Gläsern mehr, aber welche mit bläulichem Licht. General Pleasontons Ideen brachte die Chromotherapie (Farbtherapie) hervor.
Mehr zu den Geheimnissen in Blau hier.