Menschen werden mit Sehaufgaben beschäftigt,
die ihre Sehfähigkeit überfordern. Dafür kann man
nicht die Beleuchtung verantwortlich machen.
Erwin Hartmann, Professor für Sehphysiologie
Warum gibt es Beleuchtungen, mit denen die Menschen hadern? Eine Antwort darauf, dass die Beleuchtung irgendwie falsch sein muss, so falsch geplant, falsch ausgeführt, etc., kann häufig in die Irre führen. Eine solche Antwort könnte nur richtig sein, wenn die Beleuchtung eine eigenständige Einheit wäre, deren Funktion oder Eigenschaften nur durch sie selbst bestimmt wären. Im Folgenden führe ich kurz Erfahrungen aus Projekten an, bei denen nachweislich nicht die Beleuchtung oder deren Planer verantwortlich waren.
Wer dann? Als erstes seien zwei Verursacher genannt, die hinter den meisten Problemen stecken. Diese werden aber selten genannt, weil nicht erkannt.
Der erste der Missetäter ist das liebe Geld. Dessen Bedeutung erklärte mir ein Leuchtenentwickler, als ich ihm (und seinesgleichen) vorwarf, Lichtteppiche zu planen. Er seufzte und sagte: “Wir wären froh, wenn die Bauherren Licht wie Teppiche behandelten. Mit einem festen Budget und bereits früh in der Planung.“ Und er erklärte weiter, dass bei der Planung eines Bürohauses der Teppich recht oben anstünde und etwa mit dem vierfachen Wert pro Quadratmeter wie Licht verplant würde. So falsch lag er damit nicht. Man kann zwar keine Qualität erwarten, wenn man sinnlos Geld ausgibt. Aber von selbst entsteht auch keine Qualität.
Der zweite Verursacher steckt hinter dem Wort Quadratmeter wie Bürofläche. Bauen oder Mieten ist immer teuer. So machen diese an den Gesamtkosten eines Arbeitsplatzes rund 8 % aus. Damit man eine Vorstellung von der wahren Bedeutung hat, hier absolute Zahlen: Der durchschnittliche Bruttojahresgehalt für einen Sachbearbeiter in Deutschland liegt bei 41.000 € bis 50.000 €. Die Gesamtkosten betragen 63.000 € bis 76.500 €. Demnach liegt die Miete bei 6.000 € p.a.
Kein Wunder, dass die Unternehmen scharf darauf gucken. Schlimmer noch: Die Bürofläche verwalten nicht die Arbeitgeber, sondern Facility Manager, die häufig sparen ohne Rücksicht auf die Arbeit. Was hat das aber mit der Beleuchtung zu tun? Leider sehr viel. Unser lieber Arbeitsminister, derzeit die liebe Frau Bärbel Bas, empfiehlt als ein Musterarbeitsplatz für einen Büromenschen dieses:
Wenn man überschlägig berechnet, hat dieser Raum eine Fläche von 45 m² bis 80 m². Nach den Vorschriften, die auch Frau Bas kennt, RBBau, darf die Höchstfläche für einen Behördenleiter 21 m² nicht übersteigen. Ein Anspruch darauf bestand aber nie. Sachbearbeiter sollen 12 m² in Einzelzimmern und mit jeweils 6 m² in Mehrpersonenzimmern untergebracht werden. Was entsteht, wenn Frau Bas uns einen Musterarbeitsplatz empfiehlt, der mehr Fläche hat als ein Raum für Minister (42-48 m²), die Vorstellungen der Lichttechnik hingegen nur bei einer Besiedlung wie dieser funktionieren, …
… und pro Kopf nur 6 m² zur Verfügung stehen? Einfach: Stress! Trifft dieser nur die Leute im öffentlichen Dienst? Schön wär’s! Auch die Versicherungsaufsicht wacht darüber, dass kein Unternehmen zu viel Fläche baut. Allerdings braucht es keine Kontrolle, der wirtschaftliche Zwang reicht.
Nun zu Projekten, bei denen Licht zum Stress wurde.
Ein Verlag baut sich ein Hauptquartier …
Ein internationaler Verlag baut sich ein Hauptquartier auf einem schönen Hügel an einem sagenhaften deutschen Fluss … Geld spielt keine Rolle, weil dort die wichtigsten Mitarbeiter des Verlags arbeiten sollen: Lektoren, die die Qualität der Bücher maßgeblich bestimmen.
Als es zu Knatsch wegen der Beleuchtung kommt, erklärt der Lichtplaner, er habe die wenigen verfügbaren Leuchtenmodelle geprüft, die in die Schlitze in der Decke passten. Diese waren nicht geeignet für übliche Lampen, die 1,20 m lang sind. So hat er welche für 1,00 m-Lampen nehmen müssen. Und davon hätte es nur wenige gegeben. Da die Mittel für den Bau so gut wie erschöpft waren, hätte er eben die jetzigen Leuchten nehmen müssen.
Ursache der Misere: Denken an Licht, wenn der Rohbau steht und das Geld alle ist.
Noch ein Hauptquartier, aber ein sehr großes …
Eines der größten Unternehmen der Republik will sich eine neue Konzernzentrale bauen. Ein sehr bekannter Lichtguru hört die Signale und bietet seine Kreation an. Eine Hochdrucklampe, deren Licht mehrere Spiegel an den Punkt lenkt, an dem der Mensch sitzt. Er erklärt dem Vorstand seine „Philosophie“: Licht gehört dorthin, wo gearbeitet wird. Der Vorstand ist begeistert und will die Leuchte sehen. Ach, ja. Das muss noch gebaut werden. Macht nix, sogar das Modell der Kreation wird bezahlt.
Der Architekt, einer der größten seiner Zeit, hofft, dass die Büroplaner dem Treiben ein Ende setzen. Leider hofft er vergebens. So entsteht ein riesiges Gebäude, in dem vor dem Einzug des ersten Bewohners feststeht, wo er in seinem Arbeitszimmer zu sitzen hat. Soll der Raum anders genutzt werden, muss der Hausmeister kommen und die Lampe umhängen und die Spiegel justieren. Er kommt aber sehr selten, weil er noch weitere Probleme hat. Denn die Hochdrucklampen geben häufig ihren Geist auf, weil man diese nicht häufig ein- und ausschalten soll. Und die Mitarbeiter müssen sich überlegen, wie lange sie wegbleiben, bevor sie das Licht ausschalten. Die Lampe schaltet sich erst in 15 Minuten wieder an.
Ursache der Misere: In einem Bürohaus ziehen etwa 10% bis 15% der Mitarbeiter pro Jahr um, noch einmal so viele ändern die Besiedlung des Raums. Wer das vergisst …
Noch ein Hauptquartier, aber ein sehr teures …
Eines der größten internationalen Unternehmen Deutschlands baut auf einem der teuersten Grundstücke des Landes eine Zentrale. Die Mitarbeiter handeln nicht etwa mit Bananen, ihre Kundschaft handelt mit Milliarden, und sie verhandeln häufig mit denen. Selbst die Kunst am Bau ist Stadtgespräch. So soll der schöne Bau nicht mit Heizkörpern verunstaltet werden. Man beschließt die sogenannte Betonkernaktivierung. D.h., Heizen und Kühlen werden von der Betondecke und den Wänden besorgt. Die letzteren sind leider rar, weil es sich um Open Space handelt. Deswegen kommt die Kälte von oben nach unten, und die Wärme verschwindet in der Decke. So soll es werden, auch wenn die Physik eigentlich etwas Anderes sagt.
Um die Beleuchtung kümmert man sich erst, nachdem alles ziemlich fertig ist. Leider stellt es sich heraus, dass die akustischen Eigenschaften der Decke den Vorstellungen über einen Büroraum Hohn lachen. Da muss jede Menge Akustikmaterial dran. Akustikmaterial zeichnet sich durch seine Isolationswirkung aus. Dummerweise kann man die Decke deswegen nicht ganz verkleiden, weil dann die Klimatisierung nicht funktioniert. Ergo? Stopft man das Akustikmaterial um die Leuchte herum. Schwarzes Material um eine Leuchte herum? Beste Voraussetzungen für Blendung.
Zu allem Verdruss: Die Beleuchtungskörper für einen der teuersten Bürobauten nimmt man aus dem Lager, wo man alte Leuchten abgelegt hatte.
Die Krone der Katastrophe kommt, als die Leute einziehen. Die Akustik ist jenseits von Gut und Böse, so kommen viele Glaszellen zum Einsatz.
Ursache der Misere: Alles andere, nur nicht die Beleuchtung.
Und noch ein Hauptquartier, so ziemlich das Bestplatzierte …
Ein Unternehmen lässt sich auf einem der edelsten Böden der Republik ein imposantes Haus bauen, das als Zentrale dient. Leider reicht es nicht aus, dass man weitere Flächen in der Nähe kauft oder mietet. Ab und an wird „umorganisiert“ und die Zentrale mit neuen Mitarbeitern beglückt. Wir sollen ermitteln, warum das Haus diese stört. Was heißt stören, sie hassen es. Naheliegend ist anzunehmen, dass der Architekt völlig versagt haben muss. Dass Licht und Klima nicht funktionieren, müsste mit den Großräumen zusammenhängen. Weil sie immer damit zusammenhängen? Mal schauen!
Wir sollen ermitteln, was die Ursache der Unzufriedenheit ist. Vorerst wollen wir feststellen, wie es mit der Arbeitsfläche ausschaut. Es arbeiten 3.000 Personen im Haus. Weiterhin müssen 500 Personen aus den umliegenden Bürohäusern die Sozialflächen (Kantine, Pausenräume, Archive, Seminarräume) mitbenutzen. Wir berechnen, dass der Raum für etwa 1.800 Angestellte reicht. Es sind aber 3.000 + rechnerisch ein Drittel von 500 Leuten.
Was hatte der Architekt geplant? Das Haus war für genau 1.800 Personen geplant und auch so bezogen worden. Deren Klimatisierung und Beleuchtung waren genau für diese Zahl von Arbeitsplätzen berechnet worden. Was darf man erwarten, wenn man das Haus mit etwa 180% der vorgesehenen Belastung belegt und betreibt?
Ursache der Misere: Überbelegung
Mir liegt fern, irgendwelche Fehler weißzuwaschen. Auch Prof. Hartmann wollte nicht die Beleuchtung weißwaschen, sondern auf den wahren Kern der Probleme mit der Beleuchtung verweisen. Ähnlich kann man es mit der Klimatisierung erleben. Etwa die Hälfte der Beschwerden mit ihr wären nicht entstanden, wenn die Anlagen ordnungsgemäß betrieben und gewartet worden wären.