Zwielicht – Wie eine krude Theorie die Praxis bestimmte

Damit das Licht so hell scheint,
muss die Dunkelheit vorhanden sein.

Francis Bacon

Die Theorie

Licht mit unterschiedlichen Farben wird im Auge unterschiedlich gebrochen (chromatische Aberration). Daher wird es, wenn es auf Weiß eingestellt ist, bei Rot weitsichtiger und bei Blau kurzsichtiger.

Lichtquellen mit unterschiedlicher Lichtfarbe (Leuchtstofflampe, Glühlampe, Tageslicht) führen zu Augenbeschwerden, wenn nicht eine davon dominiert. Es herrscht Zwielicht.

Ursprung der Theorie

Der genaue Ursprung lässt sich nicht mehr lokalisieren. Die Theorie wird in einem Buch vom Sehphysiologen Prof. Hartmann beschrieben (Optimale Beleuchtung am Arbeitsplatz) Vermutlich stammt die Idee von Hartmanns Lehrer Prof. Herbert Schober.

Hartmann beschreibt die Theorie ausführlich mit einem ganzen Kapitel: „… In ähnlicher Weise sprechen wir auch vom Zwielicht, wenn ein Arbeitsplatz deutlich erkennbar Licht verschiedener Lichtfarbe von zwei oder mehr örtlich getrennten Lichtquellen erhält. …“ Daraus leitet er auch eine Empfehlung ab: „Im übrigen ist es wohl selbstverständlich, daß in ein und demselben Raum keine Lichtquellen unterschiedlicher Lichtfarbe oder Farbwiedergabe verwendet werden dürfen.

Auswirkungen

Da Hartmann als Nachfolger des Sehphysiologen Schober in seine Fußstapfen getreten war, und weiterhin auch viele Dinge schriebt, die der lichttechnischen Industrie gefielen, folgten seinen Empfehlungen wahre Taten:

  • Verbannung von Tischleuchten aus dem Büro: Die sog. Tischlampen müssen relativ klein sein. Da es keine kleinen Leuchtstofflampen gab, mussten die Tischlampen weg, weil die Industrie die Leuchtstofflampen bevorzugte.
  • Tageslichtlampen“ als bevorzugte Lichtfarbe: Da die meisten Büros in Deutschland Fenster haben, wurden die Lampen bevorzugt, die dem Tageslicht ähnlich aussahen. Allerdings mochte kein Büromensch die Lichtfarbe „Tageslichtweiß“ (Farbtemperatur über 5000 K). So blieb man bei „neutralweiß“, eine Lichtfarbe, die die meisten Menschen mit kalt verbinden.
  • Fensterlose Räume: Viele Anhänger der fensterlosen Räume führten die Zwielicht-Theorie an, um Arbeitsräume ohne Tageslicht und natürliche Belüftung zu propagieren. Hartmann gab denen den Segen im gleichen Buch: "Es gibt wenige Probleme im Zusammenhang mit Kunstlicht, die so umstritten sind, wie der fensterlose Arbeitsraum. Dabei wird in aller Regel mehr emotionell als sachlich argumentiert. Die Licht- und Beleuchtungstechnik kann heute jede vernünftige spektrale Zusammensetzung des Lichtes realisieren … und die Klimatechnik bietet heute so hervorragende Lösungen an, daß es - zumindest aus physiologisch-optischer Sicht - keine Bedenken gegen fensterlose Arbeitsräume gibt."

Experimenteller Nachweis?

Da der Nachweis der Theorie bestenfalls in den Büchern von Hartmann zu finden war, versuchte ich die Wirkung experimentell nachzuweisen. Wenn die Annahme stimmt, dass das Fehlen einer dominanten Beleuchtung bei zwei unterschiedlichen Quellen Probleme verursacht, muss diese Wirkung im Laufe des Tages in Abhängigkeit von der Entfernung eines Arbeitsplatzes vom Fenster unterschiedlich auftreten. Dazu habe ich in Großraumbüros die Arbeitsplätze nummeriert, den Standort in einen Belegungsplan eingetragen. Die Mitarbeitenden wurden zu verschiedenen Tageszeiten (= andere Raumzonen mit Zwielicht). zu ihrem Befinden, Augenbeschwerden und sonstigen Beschwerden befragt.

Das Ergebnis war eindeutig. In bestimmten Bereichen der Räume beschwerten sich die Leute signifikant stärker als in anderen. Und das in allen Fällen. Dummerweise hatte das Ergebnis nichts mit Licht zu tun. Wir deckten auf, dass in den Büros manche Stränge der Klimaanlage abgeschaltet waren, ohne dass dies jahrelang aufgefallen war. Dafür blies sie in den anderen Bereichen stärker und verursachte so mehr Augenbeschwerden. In einem Fall hatte sich die Isolierung des Gebäudes verkrümelt. Das Haus musste komplett saniert werden. Von Zwielicht war keine Spur. Da fielen mir die übigen Worte von Hartmann in demselben Buch zu Kunstlicht und Kunstklima ein.

Wenn überhaupt, kann man mit solche Studien eher feststellen, dass die Mitarbeitenden mit ihrer Umgebung am zufriedensten sind, wenn sie direkt am Fenster sitzen. Das gilt selbst dann, wenn die Arbeitsplätze nicht einmal einen vernünftigen Sonnenschutz haben. Nicht nur Augenbeschwerden, sondern auch andere gesundheitliche Beschwerden folgen dem gleichen Muster.

Das letzte Wort hatte der selige Hajo Richter, seinerzeit der Vorstand der LiTG, gesprochen: "Glauben Sie mir, es gibt kein Zwielicht in Innenräumen.“ Ich denke, sein Wort gilt.

Ob diese Lampe in diesem Raum jemanden je gestört hätte?

(Für Freunde des Themas habe ich diese Blogbeiträge geschrieben:

Zwielicht zu Twilight
Was aus Zwielicht wurde

Für den Fall, dass man KI fragt, bekommt man solche Antworten
Beleuchtungstheorie a la KI

 

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