Damit das Licht so hell scheint,
muss die Dunkelheit vorhanden sein.
Francis Bacon
In einem der besten Bücher für Philosophie, Der kleine Prinz, fragt der Protagonist den Herrscher eines Planeten, warum er der Sonne morgens befiehlt, aufzugehen und abends unterzugehen. Der König sagt: Könige befehlen nur das, was man einhalten kann. Richtig. Wir müssen von jedem fordern, was er leisten kann", sagte der König, "Autorität beruht in erster Linie auf der Vernunft."
Des Königs Weisheit steht eigentlich als fundamentaler Grundsatz über jedem deutschen Gesetz: Ad impossibilia nemo tenetur (Zu Unmöglichem kann keiner gezwungen werden.) Eigentlich müssten alle Normer diesem Grundsatz folgen, auch wenn sie kein Recht setzen. Meistens ist es ohnehin irrelevant, weil eine Norm einer Anerkennung bedarf, um eine „anerkannte“ Regel der Technik zu werden.
Leider sind diese Zeiten vorbei, seit fast alle Normen international erstellt werden. Wer soll wo feststellen, ob die Allgemeinheit eine Norm annimmt? Bei Beleuchtungsnormen wurde dies einst durch eine internationale Zusammenarbeit erreicht. Normen, die eine globale Wirkung entfalten sollten, wurden von der CIE erstellt. Davon die wohl wichtigste, die V(λ)-Kurve, wurde 1924 präsentiert und blieb bis heute. Regeln, die lokal bedeutsam sind, so etwa Beleuchtungsstärken in Arbeitsstätten, wurden in nationalen Normen festgelegt und häufig angepasst. Heute beträgt die Periode fünf Jahre. So gab es Normen wie DIN 5035 nur national. Das machte Sinn, weil Beleuchtung Teil der Architektur ist, und Architektur international zu normen, wäre eine Schnapsidee, auf die man noch nicht gekommen ist. (Das besorgen internationale Architekten auf eigene Faust.)
Die Normungsorganisationen haben sich auf eine Internationalisierung eingeschworen, wogegen nichts einzuwenden ist, außer es macht keinen Sinn, etwas international zu regeln. DIN erklärte im Jahr 2001 folgendes Ziel: „Die Wirtschaft und der Staat brauchen zur Stärkung des freien Welthandels harmonisierte Normen. Die internationale Normung hat daher Vorrang vor der europäischen und diese wiederum vor der nationalen ….“ (“Grundlagen der Normungsarbeit des DIN”, DIN-Normenheft 10; 7. Auflage, Beuth-Verlag, Berlin, 2001). Dieses Ziel war bereits mehr als ein Jahrzehnt schon Richtschnur gewesen. Das DIN hatte sich schon in den 1980er Jahren an einem der größten Normungsprojekte aller Zeiten beteiligt, die den Europäischen Binnenmarkt mit einheitlichen Normen versorgt und damit die technische Grundlage eines einheitlichen Marktes geschaffen haben. Was mit 28 Staaten erfolgreich verlief, sollte auch global möglich sein?
Aber Normen haben nicht immer die gleichen Ziele und den gleichen Charakter. So legen sog. „Schraubennormen“ haargenau fest, welche Eigenschaften eine bestimmte Schraube aufweisen muss. Tatsächlich war die allererste DIN-Norm eine über Kegelstifte, konische Verbindungselemente, die Maschinenteile zusammenhalten. Die Normung war unter anderem durch die Notwendigkeit der Vereinheitlichung in der Waffenproduktion während des Ersten Weltkriegs motiviert, um die Austauschbarkeit von Einzelteilen zu gewährleisten.
Solche Normen richten sich an Fachleute, z.B. Ingenieure, die ein Studium absolviert haben, bei dem sie den Einsatz eines Kegelstifts gelernt haben. Sie sagen allerdings nichts darüber aus, ob der Ingenieur mit diesem Teil einen Kinderwagen oder ein AKW bestückt. In der Lichttechnik gehören zu Normen ähnlicher Zielsetzung beispielsweise DIN EN 60529 (IP-Schutzarten), die den Schutz gegen das Eindringen von Fremdkörpern und Wasser regelt. Sie informiert den Lichtplaner über die Schutzklasse, damit dieser die Eignung einer Leuchte für den vorgesehenen Zweck ( = Qualität) beurteilen kann. Die Norm ist also für den geschulten Anwender geschrieben worden. Ob sie lokal (nur Deutschland) oder EU-weit (nur ein bestimmter Bereich) oder global gilt, ist unerheblich. Wasser ist überall auf der Erde Wasser, und Sand ist immer Sand.
Gilt dieser Gesichtspunkt auch für Beleuchtungsnormen? Daran hatte ein Kenner der lichttechnischen Literatur, Prof. Gall, mächtige Zweifel. Sein Papier aus dem Jahr 2003 ist immer noch lesenswert (Download hier). Solche Normen richten sich insbesondere an zwei Anwendergruppen. Die Ersteren sind diejenigen, die für eine normgerechte Beleuchtung verantwortlich sind. Die anderen sind die, die eine solche Beleuchtung realisieren sollen. Ich nenne die Lichtdesigner, auch wenn die wenigsten Beleuchtungsanlagen jemals einen Lichtdesigner gesehen haben. Ein Autor, der sehr lange die lichttechnische Normung beherrscht hat, Prof. Hentschel, erklärt den Adressaten wie folgt: „“Es ist nicht die Aufgabe dieser Norm, Rezepte für die Lösung einzelner Beleuchtungsprobleme zu geben. Sie enthält deshalb Regeln, die vom Beleuchtungsingenieur auf den individuellen Fall richtig angewandt zu einer guten Beleuchtung führen. Dazu wird auch die Erfahrung mit für den Erfolg ausschlaggebend sein. In diesem Sinne enthalten die Leitsätze nicht nur Interpretationen wissenschaftlicher Grundlagen, sondern auch praktisch erprobte, für gut befundene und allgemein gültige Erfahrungsgrundsätze.” (Hentschel “Innenraumbeleuchtung mit künstlichem Licht”, Lichttechnik (1962) 5, S. 253 -257)
Anm.: Entgegen guter Normungs-Praxis wird in den lichttechnischen Normen meistens keine Zielgruppe angegeben. Zudem ist Lichtdesigner bzw. Lichtplaner kein normierter Begriff. In Deutschland verlangen die Berufsgenossenschaften, dass Beleuchtungen von Sachkundigen bzw. Fachkundigen erstellt werden. Ein Sachkundiger in der Beleuchtungstechnik ist eine Person, die aufgrund ihrer fachlichen Ausbildung und praktischen Erfahrung über die notwendigen Kenntnisse verfügt, um Beleuchtungsanlagen, insbesondere an Arbeitsstätten, zu beurteilen, messen und zu prüfen.
Demnach braucht es zur Anwendung globaler lichttechnischer Normen Beleuchtungsingenieure mit praktischer Erfahrung. Gibt es diese? Nicht einmal in Deutschland gibt es genug Lichtingenieure, um die Beleuchtung von 45 Millionen Arbeitsplätzen zu planen. Wie schaut es mit der praktischen Erfahrung aus? Wer ich immer eine Beleuchtung plant, müsste erst einmal die richtige Lichtfarbe wählen. Was sagt aber die globale Norm dazu aus: „Die Wahl der Lichtfarbe ist eine Frage der Psychologie, der Ästhetik und dem, was als natürlich angesehen wird. Die Auswahl hängt von der Beleuchtungsstärke, den Farben des Raums und der Möbel, dem Umgebungsklima und der Anwendung ab. In warmen Klimazonen wird im Allgemeinen eine kühlere Lichtfarbe bevorzugt, wohingegen in kaltem Klima eine wärmere Lichtfarbe bevorzugt wird." Deswegen kann die Norm eines der wichtigsten Merkmale der Beleuchtung nicht einmal ansatzweise vorgeben. Was macht der Lichtingenieur mit Psychologie, Ästhetik, Raumfarben, Möbeln und Raumklima?
Was bedeutet dieser Satz: „In warmen Klimazonen wird im Allgemeinen eine kühlere Lichtfarbe bevorzugt, wohingegen in kaltem Klima eine wärmere Lichtfarbe bevorzugt wird.“? Dieser Spruch stammt noch aus der Zeit, als die Menschen in warmen Klimazonen dort blieben, die in den kalten Ländern auch dort blieben. In der EU dürfen aber Menschen aus den Tropen, Karibik, Französisch Guayana, Reunion, Nordfinnland oder Schweden, ihren Arbeitsplatz frei aussuchen. Was macht der Lichtingenieur mit dem Spruch?
Der wird allerdings noch viel größere Probleme mit etwas anderem haben. Denn die Norm beruht auf Beleuchtungsstärken und sagt aus: „Die Beleuchtung kann durch Tageslicht, künstliche Beleuchtung oder eine Kombination aus beidem erfolgen.“ Das ist leicht dahergesagt. Denn in Arbeitsstätten kommt das Licht - global - von der Decke. Das Tageslicht fällt je nach geographischer Höhe aus ganz anderen Richtungen ein. So sehen z.B. die höchsten Grade aus, die die Sonne erreicht. (Bilder Paulina Villalobos)

Was dies für den Lichteinfall in den Raum bedeutet, zeigt das nächste Bild. Sehr dumm, wenn die Beleuchtung nicht allein dazu dient, den Aktenordner in der Mitte eines Schreibtisches zu beleuchten.

Die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Beleuchtungsstärke unter Berücksichtigung des Tageslichts sind schon in Deutschland immens (Ausdehnung ca. 800 km in der Nord-Süd-Richtung), in den Grenzen des Geltungsgebiets der Norm ziemlich unmöglich. Wie soll man einen Arbeitsraum in der Arktis mit einem auf dem Äquator vergleichen? Und das ist bei der Aufstellung einer globalen Beleuchtungsnorm erst die halbe Miete. Denn mittlerweile haben Mediziner herausgefunden, dass die so bestimmte Beleuchtung die Gesundheit der Menschen gefährdet: "Der Lichteinfall ins Auge übt wichtige Einflüsse auf die menschliche Gesundheit und das Wohlbefinden aus, indem er die Tagesrhythmen [der Hormone] und den Schlaf ebenso wie kognitive und neuroendokrine Funktionen verändert. Vorhandene Beleuchtungen genügen diesbezüglichen Anforderungen nicht. (Original hier)
Will man den Forderungen der Medizin folgen, bedeutet das den Abschied von der Basis aller Beleuchtungsnormen, die mehr oder weniger auf der Horizontalbeleuchtungsstärke beruht haben. Die „melanopische“ Wirkung dieser ist exakt Null: Wenn Licht von der Decke nach unten geht, dringt es nicht ins Auge ein und kann daher keine "melanopische" Wirkung auslösen. Wer eine melanopische Wirkung auslösen will, schickt das Licht einfach waagrecht. So einfach ist das allerdings nicht, wenn die Leuchten an der Decke sitzen. Also brauchen wir einen Richtungswechsel.

Der Ausschuss, der die Norm ISO/CIE 8995 erarbeitet hat, hatte sich folgendes vorgenommen (mehr hier):
- Neues Wissen über die gesundheitliche Wirkung des Lichts einarbeiten.
- Altes Wissen, das nachweislich zu einer Gefährdung der Gesundheit geführt haben soll, beibehalten.
- Tagsüber die Beleuchtung um ein Vielfaches erhöhen.
- Nachts den Menschen das Arbeiten ermöglichen, obwohl das Licht dann ihre Gesundheit gefährdet.
Nichts dergleichen ist passiert. Stattdessen hat er für jeden Arbeitsplatztyp 8 Anforderungen gestellt und dies über 62 Tabellen auf ebenso vielen Seiten. Über manchen Begriff wird selbst jemand stolpern, der sich bestens in der lichttechnischen Nomenklatur auskennt, so z.B. Wartungswert der mittleren zylindrischen Beleuchtungsstärke. Wenn man diese an der Decke der Abfertigungshalle eines Flughafens realisieren soll, wie die Norm es vorgibt, dürften fast alle Lichtingenieure ihre Schwierigkeiten damit haben. Aber viel schlimmer ist das fast komplette Ignorieren der Tatsache, dass etwa die Hälfte der Arbeitsplätze mit Computern bestückt sind.
Wenn man solche Seltsamkeiten noch toleriert, werden gewissenhafte Planer eher über hehre Ziele stolpern wie dieses im Geltungsbereich der Norm: „Recommendations are given for good lighting to fulfil the needs of integrative lighting“ (Es werden Empfehlungen für eine gute Beleuchtung gegeben, um den Anforderungen einer integrativen Beleuchtung gerecht zu werden. d. Autor). Was mag das wohl sein? Es ist die "integrierte" Beleuchtungsplanung (integrative lighting) und bedeutet, dass man bei der Planung der (künstlichen) Beleuchtung neben ihrer Wirkung zum Sehen auch die gesundheitlichen Folgen berücksichtigen muss. Erstens tut die Norm das nicht. Zweitens müsste der Lichtingenieur bestimmte Qualifikationen besitzen, die er nicht hat. Denn dort, wo diese Beleuchtung definiert wird (ISO/TR 21783), steht dies zu lesen: „Wichtig: Die positiven Wirkungen der integrativen Beleuchtung können nur erreicht werden, wenn sie von qualifizierten Planern entworfen und sachgerecht betrieben werden. Ebenso wichtig ist die korrekte Bedienung des Beleuchtungssystems durch die Beteiligten." Es heißt weiterhin: „Zu diesem Zwecke wäre es ideal, wenn der Lichtplaner in einem multidisziplinären Team mitwirken würde, in dem Experten für Sicherheit und Gesundheit, Psychologen und andere mitwirken würden.“
Ich lasse Psychologen und andere mal weg und berücksichtige die Mediziner, die in einem Memorandum das gesunde Licht (hier) definiert haben: hohe Beleuchtungsstärken zwischen 06:00 Uhr und 19:00 Uhr, stark reduzierte Beleuchtungsstärken zwischen 19:00 Uhr und 22:00 Uhr und möglichst kein Licht zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr morgens. Und die CIE, die diese Norm publiziert hat, hat in ihre Programme geschrieben: Das richtige Licht zur rechten Zeit. (CIE Position Statement on Non-Visual Effects of Light: Recommending Proper Light at the Proper Time: hier 2015 und da 2019 und dort 2024).
Niemand wird zu Unmöglichem verpflichtet - Wenn man dieses Prinzip auf CIE/ISO 8995-1 anwendet, kann man jeden Lichtplaner weltweit davon freisprechen, die Norm anwenden zu müssen.





























Die Technik geht nicht so tief in die Materie hinein und belässt es bei der Wiedergabe bestimmter Farbmuster. Auf der Basis der ersten acht Muster wird der sog. allgemeine Farbwiedergabeindex berechnet Ra. Die Hersteller von Lampen (Leuchtmitteln) sind dafür verantwortlich, den „CRI“-Wert ihrer Produkte gemäß diesen Normen zu messen und im Produktdatenblatt anzugeben. Die Messung ermittelt den Unterschied der Farben unter einem Referenzlicht und unter der fraglichen Lichtquelle. (Bezüglich der „Farben“ siehe 




Hinzukommt, dass die Beleuchtung mit Hochdrucklampen betrieben wurde, deren Licht nicht überall im Raum über dem Stadion ständig leuchtet. Bei der Olympiade in München 1972 hatten viele Sportfotografen schwarze Fotos bei 4000 lx geschossen, weil das Licht für Sekundenbruchteile wegbleibt. Die Kameras schossen aber mit 1/1000 bis 1/4000 Sekunden. Der unwiderlegbare Beweis des Effekts ist dieser Ball, der in sich scheckig ist, damit ein Stück von ihm immer Kontrast hat. Mittlerweile gibt es ihn nicht mehr, weil die Beleuchtung besser geworden ist.