Das Aussortieren des Unwesentlichen ist der
Kern aller Lebensweisheit.
Laozi
Viele Leute hadern mit Normen und Standards, weil sie sich dadurch eingeengt fühlen. Das hatten Zeitungen übrigens am 22. Dezember 1917 befürchtet. An diesem Tag wurde DIN gegründet, damals noch Normenausschuß der deutschen Industrie genannt. Es wurde gesagt, Normung würde die Kreativität töten. Wenn das stimmt, ist die Kreativität längst mausetot, denn wir haben mittlerweile 35,000 Normen allein von DIN.
Während jeder einzelne Mensch auf dem Planeten das Recht hat, gegen DIN-Normen vorzugehen oder ggf. eine zu beantragen, ertragen wir „Standards“ geduldig, die nie geplant waren. Sie sind aber nicht einfach so da, also So-Da-Standards, sie haben eine Historie. Zwei davon haben es mir angetan, weil Millionen darunter leiden, ohne dass dagegen vorgegangen wird. Gegen diese habe ich Lösungen gefunden, die auch praktisch funktionieren. Dumm nur, dass sie nicht so verbreitet sind, wie ich es mir wünsche.
Mein erster Liebling hat nicht viel mit Licht zu tun. Er ist zwischen 1868 und 1984 entstanden. Die Rede ist von der Tastatur der Computer, die am 23. Juni 1868 als QWERTY-keyboard von Christopher Latham Sholes patentiert wurde. Die seltsame Verteilung der Buchstaben war dem Bemühen geschuldet, die Typenhebel der Maschine davon abzuhalten, einen Typenhebel-Salat zu produzieren. Erfolgreich nur für die englische Sprache.
Die Idee wurde trotzdem weltweit mit kleinen Änderungen akzeptiert. Sie wurde erst mit dem Patent von IBM überflüssig, das für die IBM-Selectric erteilt wurde. Diese wurde am 21. Juli 1959 unter der US-Patentschrift Nr. 2.895.584 patentiert. Die Maschine hatte keine Typen mehr, sondern nur noch einen Kugelkopf. Eine Änderung des Tastaturlayouts indes unterblieb.
Es folgten Maschinen mit Tastaturen, die nichts mehr druckten. Sie waren Bildschirmterminals. Sholes‘ Tastatur war immer noch dabei. Sie wurde nur nach rechts verlängert, weil man neue Tasten brauchte. So kamen als erste Cursor-Tasten dazu. Weiter rechts davon wurde die Tastatur des Kalkulators angebaut. Die Terminals konnten auch rechnen.
Fast präzise 100 Jahre nach Sholes‘ Maschine wurde die Maus von Douglas C. Engelbart am 9. Dezember 1968 erfunden: Engelbart stellte seine Erfindung im Rahmen einer Live-Präsentation in San Francisco der Öffentlichkeit vor, die später als "Mutter aller Demos" bekannt wurde. Sie blieb bis zum 24. Januar 1984 den Eingeweihten vorbehalten. An diesem Tag wurde der Apple Macintosh der Welt präsentiert. Seitdem gibt es praktisch keinen modernen Computer ohne Maus.
Am 6. April 1992 war es endlich so weit. An diesem Tag wurde Windows 3.1 vorgestellt, der einen Triumphzug auf den Bürotischen einleitete. Seitdem ist diese Anordnung „Standard“ weltweit.
Sie belastet alle Benutzer mehr oder weniger stark. Manche merken nichts, andere fühlen sich an der rechten Schulter unwohl. Viele können die Maus nicht mehr vernünftig halten und müssen daher sie links bedienen. Im schlimmsten Fall hilft nur eine Operation, RSI heißt die Malaise. Ein Standard, der krank macht. Niemand hat dies je beabsichtigt. Er war 1992 So-Da!
Meinen zweiten Liebling erleben Millionen Menschen im Büro täglich, er hat so viele Vorteile, dass er vermutlich mit 60% aller Büroarbeitsplätze ausmacht. Dumm nur, dass er hinderlich für die Beleuchtung ist. Wer darunter leidet, ahnt häufig nichts über die Ursache. Er macht einfach das Licht aus.
Anders als bei Maus und Tastatur lassen sich die Ereignisse, die zu dem Umstand geführt haben, nicht genau lokalisieren und datieren. Gemeint ist die Entstehung des rechteckigen Zellenbüros für zwei Personen. Sie lässt sich auch für weitere Gruppen mehrfach aneinanderreihen. Nennt sich Modulsystem. Seit Jahrzehnten werden die Bürogebäude nach einem festen Achsmaß gebaut. Es ist der kleinste Teiler der Fassade. Meist 1,25 m. Beträgt er 1,20 m, nennt man ihn Beamtenachse, weil er dem einfachen Beamten seine ihm zustehende Bürofläche beschert, 12 qm. Der übliche Angestellte bekommt eine Achse mit zwei Leuchten über seinem Kopf. Sollen drei statt zwei in einem Raum sitzen, kommt noch eine Scheibe dazu, + 6 qm.
Der Grundriss in diesem Bild ergibt sich vermutlich aus DIN 277 gemeinsam mit dem Bemühen, Grundstücke mit möglichst viel Büronutzfläche zu bebauen. Die Norm gibt es seit dem Jahr 1934 (sic!). Wie der Name sagt, „Grundflächen und Rauminhalte von Hochbauten“, beschreibt sie wichtige Daten der Gebäude.
Dass daraus rechteckige Räume entstanden sind, muss nicht der Norm angelastet werden. Diese Räume sind auch noch flach. Waren einst Büroräume bis 6 m oder gar darüber hoch, müssen diese in Deutschland mindestens 2,50 m hoch sein. Mit Ausnahme von Bayern, wo 2,40 m reichen sollen. Das gibt eine schlechtere Luft und auch eine schlechtere Lichtverteilung. Wenn einer gar im Stehen arbeitet, hängt die Beleuchtung kurz über seinem Kopf.
Beides, die Höhen von 6 m oder 2,50 m sind durch Licht bedingt. Frühe Bürohäuser waren auf Tageslicht angewiesen, während man später glaubte, mit künstlichem Licht dieses ersetzen zu können, daher die Höhe von 2,50 m. Wäre es nach dem Franzosen Le Corbusier gegangen, würden 2,20 m reichen. Der große Baumeister war bis zu seinem Tode dem deutschen Beamten gram, der ihn daran gehindert hat.
Übrigens, es war auch der deutsche Beamte, der die Architekten daran gehindert hat, das besagte Rechteck ohne Fenster zu bauen. Die Arbeitsstättenverordnung von 1975 schrieb senkrechte Fenster in Augenhöhe vor. Die Arbeitsmedizin hatte aber „nachgewiesen“, dass der Arbeitnehmer kein Tageslicht bräuchte, um gesund zu arbeiten. Der deutsche Beamte pfiff auf die Arbeitsmedizin - und das war gut so.
Was brauchte man oder frau denn für ein Licht? Die „finale“ Antwort hieß: 500 lx. Wie man dazu gekommen sein will, kann man hier lesen: Basis der Festlegung von Beleuchtungsstärkewerten in Beleuchtungsnormen. Praktischerweise bedeutete das, dass man nach unten offene Leuchten einsetzte, die eine gemeine Eigenschaft haben: Sie blenden durch ihre Reflexe auf dem Tisch und allem, was darauf steht. Zwar wurden dazu Raster zur Entblendung eingesetzt. Die helfen aber nicht gegen Reflexblendung.
So musste man die „optimale“ Anordnung erfinden, die man auch heute überall vorfindet. Man baut eine Leuchtenreihe fast direkt am Fenster, die zweite weiter im Raum. Dumm nur, dass das Licht dann vornehmlich die Ränder des Tisches beleuchtet.
Nicht schlimm für den findigen Lichttechniker. Man baut schräg-strahlende Leuchten. Nennt sich Batwing-Verteilung. Wenn das die armen Viecher wüssten. Form von nachtaktiven Tieren für die Beleuchtung von Tischen für tagaktive Menschen?
Ob das gut gegangen wäre, konnte man leider nicht erleben. Kaum war das Konzept ausgedacht, gab es schon Computer. Und deren Bildschirme glänzten gemeinerweise. So war es aus mit Batwing! Abgedunkelt war in. Auch wenn hochgestellte Persönlichkeiten die Charakteristik von tiefstrahlenden Leuchten breitstrahlend nannten, wollte sich das Licht nicht verbiegen lassen. Es flog mit Freuden dorthin, wo sie nicht viel Nutzen entfalten konnte. Egal, wo das Licht entlang flog, die Tastaturen wollten das Glänzen nicht aufgeben.
Es gab nur zwei mehr oder weniger schlechte Lösungen. Man richtet seine Zelte, sprich Bildschirm und Akte, in der Mitte zwischen den Leuchtenreihen an, wo es am dunkelsten ist. Da die Bildschirme viel Platz brauchten, bot die Büromöbelindustrie die geniale Lösung an, die sie einst nur den Sekretärinnen angeboten hatte: die Eckkombination.
Der Bildschirm steht vor dem Fenster und unter den Leuchten. Wenn man geradeaus guckt, ist einem die Blendung sicher. Die Leuchten spiegeln sich dazu noch wunderbar unter der Leuchte. Dafür liest man seinen Papierkram an der garantiert dunkelsten Stelle des Tisches. Der Platz nennt sich Schreib-Lesebereich. Der größte Teil des mühsam erzeugten Lichts landet entweder auf dem Teppich (links) oder auf den Bildschirmen, wo es nichts zu suchen hat.
Dieser Standard wurde nur durch den technischen Fortschritt teilweise überflüssig. Die Eckkombinationen sind weg. Aber die Anordnung der Leuchten hat sich in die Zeit gerettet, in der ein völlig neues Leuchtmittel regiert, die LED. Man erzeugt Licht viel wirtschaftlicher und beleuchtet damit vornehmlich die Tischränder oder den Teppich. Die 500 lx bekommt man, wenn man 700 lx am Tischrand mit 300 lx in der Mitte mittelt. Der Norm ist genüge getan.
Obwohl man moderne Leuchten bis 80 m Länge bauen kann (s. hier), aber auch in winzigen Größen in Millimetern, baut die Industrie massenweise immer noch 1,25 m Einheiten, deren Länge einst die „optimale“ Leuchtstofflampe bestimmt hatte, von der jeweils zwei pro Kopf den Bürohimmel über dem Menschen erleuchteten.
Müssen wir mit solchen „Standards“ leben? Ja und nein. Wenn die Beliebtheit der Zellenbüros nicht nachlässt, die vom Massenbüro über Großraumbüro und Kombibüro ein Jahrhundert Revolutionen überlebt hat, werden Architekten weiterhin mit Achsmaßen bauen. Sie werden bestenfalls kleinere oder größere Achsen nehmen. Das unberührbare Maß ist die Fläche pro Kopf. Für die Beamten ist die vorgeschrieben, deren KollegInnen in der Privatwirtschaft geht es auch ohne Vorschrift nicht besser.
Die Misere mit der Tastatur und Maus muss nicht sein. Ich habe dazu die Compact-Tastatur als Konzept erfunden, die 2007 international genormt wurde. Die steht seit Juli 2024 auch in der ASR A6 Bildschirmarbeit. Eigentlich war sie mehr oder weniger gut gemacht seit 1983 Teil eines Laptops. Wir müssen leider noch abwarten, dass alle Käufer die ASR oder solche Artikel wie hier lesen. Denn ausgeliefert werden PCs mit einer Tastatur, die etwa 1984 ohne Maus ausgedacht wurde, obwohl die Maus längst da war.
Und der dumme Standard mit zwei Leuchtenreihen am Himmel? Dass die krank macht, hatte ich schon 1990 mit dem Forschungsbericht „Licht und Gesundheit“ (hier kompletter Bericht) gezeigt. Wie man die Malaise erfolgreich los wird, steht nachgewiesen in der 1998er Ausgabe der Arbeit. Damals war noch die Indirektbeleuchtung die beste Lösung. Seit längerem kann man großflächige LED-Module nehmen, für die die Vorurteile gegenüber der Indirektbeleuchtung nicht gelten.
Ich hoffe, dass diese Ausführungen helfen, solche Räume wie unten Geschichte werden zu lassen. (Anm.: Dieser Raum ist nicht etwa lieblos zusammengewürfelt worden. Man hatte sich viel Mühe gegeben, um einen guten „Standard“ zu realisieren. Die Beleuchtung ist etwa 5 Jahre alt und hat die besten Aussichten, weitere 25 Jahre den Raum zu schmücken. )