Das Elend mit der Farbwiedergabe

Die Wahrheit ist selten rein und nie einfach.

Oscar Wilde

Wenn jemand sich für Lichtfarben interessiert und dabei an farbige Lichter denkt, irrt er sich oder sie. Denn alle Namen für Lichtfarben bezeichnen Lampen, die mehr oder weniger weißes Licht produzieren. Das ist so gewollt, denn der Lichttechniker möchte mit der Beleuchtung nicht das Farbklima in einem Raum vorgeben. Dies sollen diejenigen machen, die den Raum gestalten. Die Lampe soll in ihrem Spektrum möglichst alle Farben haben und somit deren Wiedergabe ermöglichen, so sie der Designer wünscht.

Das weiße Licht soll in der Lage sein, die Farben der Objekte möglichst gut wiederzugeben, wobei man sich immer wieder streiten kann, was gut heißt. Soll z.B. die Beleuchtung eines Rembrandt-Bildes das wiedergeben, was der Künstler beim Malen gesehen hatte? Soll ein Schminkspiegel die Künstlerin in ihrer Garderobe möglichst gut scheinen lassen, sodass sie sich später auf der Bühne sicher fühlt? Oder lieber schlechter aussehen lassen, damit sie auf der Bühne immer besser ausschaut?

Die Technik geht nicht so tief in die Materie hinein und belässt es bei der Wiedergabe bestimmter Farbmuster. Auf der Basis der ersten acht Muster wird der sog. allgemeine Farbwiedergabeindex berechnet Ra. Die Hersteller von Lampen (Leuchtmitteln) sind dafür verantwortlich, den „CRI“-Wert ihrer Produkte gemäß diesen Normen zu messen und im Produktdatenblatt anzugeben. Die Messung ermittelt den Unterschied der Farben unter einem Referenzlicht und unter der fraglichen Lichtquelle. (Bezüglich der „Farben“ siehe hier) Gesättigte Farben sind nicht darunter. Nicht einmal die Wiedergabe der menschlichen Haut wird geprüft.

Da man von allem Guten lieber mehr hat als nur eines, gibt es zwei Referenzlichtquellen, für die CRI bestimmt wird, Glühlicht (ehemals Normlicht A) und Tageslicht mit genormtem Spektrum (Für Lichtquellen mit einer Farbtemperatur von 5000 K  und höher (neutralweißes bis tageslichtweißes Licht)).

So weit, so gut geregelt. Leider nicht gut genug. Denn wir sind es gewohnt, dass viele Gegenstände ihre Farben mit optischen Aufhellern gewinnen (Papier, Wände, Stoffe,…). Das ist keine neue Erscheinung, sondern bestimmt mehr oder weniger stark die Realität seit der Einführung der Rosskastanie in Europa. Die Rosskastanie hat eine direkte historische und chemische Verbindung zu optischen Aufhellern, da sie den Naturstoff Aesculin enthält. Mit ihrem Sud wurde einst der weißen Wäsche Weiß reingetrieben.

Aesculin ist eine fluoreszierende Substanz. Es absorbiert nicht sichtbares ultraviolettes Licht (UV-Licht) und wandelt diese Energie in sichtbares, blaues Licht um. Dieses emittierte blaue Licht kompensiert den leichten Gelbstich, den Textilien und Papier oft von Natur aus oder durch Vergilbung annehmen. Dadurch erscheinen die Materialien für das menschliche Auge strahlender und weißer. Heute sind optische Aufheller in Waschmitteln vorhanden, sie werden von der Textilindustrie und Papierindustrie eingesetzt. Sie sind in Kunststoffen und Farben zu finden.

Die Wirkung von UV auf das Erscheinungsbild von Farben wird bei der Bestimmung von CRI ignoriert. Einige ältere oder günstige LED-Lichtquellen erzeugen kaum UV-Anteil und können daher optisch aufgehellte weiße Kleidung oder Papier fahl oder gelblich erscheinen lassen, selbst wenn der Ra-Wert hoch ist. Es ist praktisch nicht möglich, zwischen LEDs zu unterscheiden, die Farbaufheller entsprechend aufhellen oder nicht.

Das Problem mit den Farbaufhellern gilt auch für veredelte Fassadengläser, die alle Strahlung außerhalb des sichtbaren Bereichs wegfiltern. Diese werden bei energetischen Sanierungen eingesetzt. Zwar gibt es Gläser, die mit CRI = 97 eine fast perfekte Farbwiedergabe vortäuschen. Aber satte Farben und strahlend weiße Hemden oder Bettwäsche sieht man in energetisch sanierten Gebäuden nie mehr. Überhaupt: Satte Farben wurden von dem Index Ra nicht erfasst, weil künstliches Licht weit entfernt davon war, diese wiederzugeben.

Es ist eher schlimmer, die Fassadengläser können das Tageslicht so filtern, dass ihre CRI bei 77 liegen kann, also schlechter als bei Dreibandenlampen, deren Spektrum sich niemand trauen wird, als ideal zu loben. (s. ISO/TR 9241-610) Das unten abgebildete Spektrum ist besser als in den Normen gefordert. Ein volles Spektrum sieht anders aus.

Ach, ja. Da ist noch die Frage des Referenzlichts. Bei beiden Referenzlichtern kann eine Lichtquelle einen Ra von 100 erreichen. Dass die Farben sich ähneln, ist damit nicht gesagt. Nur die Zahl ist gleich. Perfekt ist aber keine der Referenzlichter. Normlichtart A (Farbtemperatur 2856 K) verleiht allen Objekten eine Stimmung wie die untergehende Abendsonne. Das „Tageslicht“ (D50 oder D65) ist kein Tageslicht, sondern es entspricht dem Nachmittagshimmel über Wien abzüglich der Sonne (teilweise). Dass das Tageslicht keine Farbtemperatur hat, wissen die wenigsten Experten. Es ändert sich ständig über den Tag und hängt sehr stark von der geographischen Lage ab. Daher muss für bestimmte Zwecke eine Normierung erfolgen, z.B. für Farbbemusterung, Fernsehaufnahmen, Fotografie, Druckwesen. Auch für die Betrachtung von farbigen Objekten muss eine Normierung erfolgen. So sind Computermonitore auf 9300K voreingestellt.

In der Technik ist es üblich, vom Tageslicht zu sprechen, wenn nur eine Eigenschaft einer Lichtquelle höher ist als 5000 K, die Farbtemperatur. Vor 100 Jahren postulierte Luckiesh, dass nur das Tageslicht eine gute Farberkennung ermögliche und das gesunde Licht mit dem Erkennen von Farben zusammenhänge. Da dieses Licht aber nicht immer zur Verfügung stünde, müsste es künstlich erzeugt werden. Wie man sieht, sind wir von diesem Ziel recht weit entfernt.

Mit der Einführung der LED hat sich das Problem verschärft, weil übliche LED keine Anteile von UV in ihrem Licht haben. Eigentlich ist es eine gute Eigenschaft der LED, dass beim Erzeugen von Licht unerwünschte Teile des Spektrums nicht als Konterbande entstehen. Für die optische Aufhellung muss das Spektrum durch UV ergänzt werden.

Man will sich seit Jahren von den 8 Testfarben verabschieden. Leider ist dieser Abschied so einfach nicht. So hat es mehrere Versuche gegeben, die noch kein endgültiges Ergebnis erbracht haben.

CIE hat 2017 den Index General Color Fidelity Index (Rf) eingeführt. Dieser neue Index wurde in der CIE 224:2017 eingeführt und soll den älteren Allgemeinen Farbwiedergabeindex (Ra) – besser bekannt als CRI (Color Rendering Index) – in Zukunft ersetzen. Er basiert auf 99 Testfarbproben (gegenüber 14 beim Ra), deren Verteilung optimiert ist, um die Farbwiedergabeeigenschaften von LED-basierten Lichtquellen genauer zu erfassen.

Dazu gibt es den CIE Color Gamut Index (Rg). Dieser Index wird oft zusammen mit dem Rf angegeben. Er bewertet, ob die Farben unter der Testlichtquelle gesättigter oder ungesättigter erscheinen als unter der Referenzlichtquelle (Farb-Sättigungsgrad oder Gamut).

Die Sache war wohl nicht so perfekt, wie sie schien. In den USA gilt ein neuer Standard IES TM-30. Die aktuelle Version ist ANSI/IES TM-30-20 (ursprünglich TM-30-15/18), ein umfassendes System, das die Mängel des alten CRI (Ra) behebt, insbesondere im Umgang mit modernen LED-Lichtquellen.

Die TM-30-Methode liefert drei Hauptkomponenten zur Bewertung der Farbwiedergabe:

  • Farbtreue-Index (Rf) – Fidelity Index
  • Farbsättigungs-Index (Rg) – Gamut Index
  • Farbvektorgrafik (Color Vector Graphic)

Das Letztere ist eine grafische Darstellung, die visuell zeigt, wie stark und in welche Richtung sich die Farbtöne und die Sättigung in 16 Farbbereichen (Farbtönen) des Farbraums verschieben. Sie ist ein wichtiges Werkzeug für Lichtplaner, um schnell zu erkennen, welche Farben (z. B. Rottöne oder Grüntöne) verstärkt oder abgeschwächt werden.

Die IES TM-30-Methode eine wesentlich präzisere und umfassendere Bewertung der Farbwiedergabequalität von Lichtquellen und wird in der Lichtplanung zunehmend zum empfohlenen Standard. Leider setzte sie sich sehr langsam durch, weil sich die Methoden der Farbwiedergabe in vielen Normen, Regeln, Verordnungen und Gott-weiß-wo-noch verewigt haben.

 

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