Zurück in die Höhle Dank iPhone reloaded

Der heutige Tagesspiegel hat einen langen Artikel zu dem Thema veröffentlicht: “Digitale Medien nicht das Hauptproblem : Immer mehr Kinder sind kurzsichtig

Die wichtigste Quintessenz steht wohl in der erste Zeile: “Weltweit wird bei Kindern immer häufiger Kurzsichtigkeit diagnostiziert, warnen Augenärzte. Der wirksamste Schutz ist einfach und kostet nichts.” Der heißt Tageslicht.

Eigentlich kostet dieses was, wenn man es in Säcke oder Tuben packt, um es in Innenräume zu bringen. Aber fast immer ist es kostenlos, das Tageslicht. Dazu schreibt der Artikel: Auch eine aktuelle Untersuchung der unabhängigen Cochrane-Initiative, in der fünf Studien an etwas mehr 10.000 Kindern ausgewertet wurden, legt nahe, dass mehr Tageslicht einer Kurzsichtigkeit vorbeugt.
https://www.cochrane.de/news/hilft-mehr-zeit-im-freien-um-kurzsichtigkeit-bei-kindern-zu-verhindern

Die Untersuchung der Cochrane-Initiative stammt aus 27. Juni 2024 und ist eine Meta-Studie, im Original als Review bezeichnet. Die Forschenden durchsuchten mehrere Datenbanken nach randomisierten kontrollierten Studien (RCTs), die Kinder unter 18 Jahren mit oder ohne anfänglicher Kurzsichtigkeit untersuchten. Sie identifizierten fünf Studien mit 10.733 Kindern, die alle in Asien durchgeführt wurden. Vier der Studien untersuchten schulbasierte Interventionen. Diese umfassten regelmäßige Unterrichtsstunden und Pausen im Freien, aber auch limitierte Bildschirmzeit und Anreize nach Draußen zu gehen.

Mehr zu der Studie hier . Die vollständige Arbeit (leider nur in Englisch) findet sich hier. Bereits der Titel verrät, was Ärzte empfehlen “Interventions to increase time spent outdoors for preventing incidence and progression of myopia in children” (Maßnahmen zur Verlängerung der Zeit im Freien zur Vorbeugung des Auftretens und Fortschreitens von Kurzsichtigkeit bei Kindern).

Dazu sollte man das Statement des Autorin im Kasten lesen: “Je früher die Kurzsichtigkeit beginnt, desto mehr Zeit hat sie, sich zu verschlimmern.” Die nötige Brille ist nicht das Hauptproblem an der massenhaften Fehlsichtigkeit. Bedenklich sind vor allem die damit verbundenen Risiken für die Augen. Kurzsichtige erleiden eher eine Netzhautablösung oder einen grauen Star. Sie können im schlimmsten Fall erblinden.

Aber bevor sie erblinden stehen ihnen keine guten Zeiten bevor. Denn das Auge des Menschen ist kein Nahsinn, sondern entwickelt sich beim Altern langsam aber sicher zu einem Fernsinn, der Mensch in der Natur wird im Alter weitsichtiger. Unter meinen vielen tausend Probanden, deren Sehkraft ich gemessen habe, gab es nur eine Stichprobe, die zu etwa 50% kurzsichtig war. Sie bestand aus jungen Studenten. Hingegen sind heute Mitarbeiter am Bildschirm mit über 50 Jahren bis zu 70% weitsichtig. Das bedeutet schlicht und einfach, dass eine Selektion unter Arbeitnehmern stattfindet, die die Kurzsichtigen benachteiligt.

Die Entwicklung der Kurzsichtigkeit bei Kindern und Heranwachsenden unter dem Einfluss des Lichts ist nicht klar. Draußen ist es wesentlich heller als in jedem Innenraum. Je mehr Licht auf die Netzhaut trifft, desto mehr Dopamin schütten die Neuronen aus. Man vermutet, dass der Botenstoff das Längenwachstum des Auges steuert.

Was unumstritten ist, ist die Wirkung des Nahsehens auf das junge Auge. Studien zeigen, dass der ununterbrochene und pausenlose Fokus auf sehr nahe Objekte wie das Smartphone eine Kurzsichtigkeit befördert. Hat sich diese einmal ausgebildet, gibt es keine Heilung.

Hier zeigt sich noch einmal, wie verhängnisvoll das Irrtum gewesen ist, man könne den Tag im Innenraum abbilden und sogar die UV-Strahlung erzeugen. Somit fehlte nur noch eine Klimatisierung, um sich von der Natur zu verabschieden. Unter diesem Licht gesehen lesen sich insbesondere die Kapitel “Geburtsjahre der elektrischen Sonne” und “Die Dämmerung” völlig anders. Die Irrungen und Wirrungen der 1920er waren in den 1960ern nicht überwunden. Es war noch viel schlimmer geworden. Architekten forderten Schulen ohne Tageslicht, gar in Bunkern (s. Kap. Licht 3.0 Licht aus Plasma, C.T. Larsons Bericht The effect of windowless classrooms on elementary school children, University of Michigan, Ann Arbor: University of Michigan, Architectural Research Laboratory, 1965). Und ein Kongress der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin zum Thema “Der fensterlose Arbeitsraum” postulierte im Jahr 1965: „Menschen in fensterlosen Fabrikationsräumen haben - sofern diese in arbeitshygienischer Sicht optimal gestaltet sind - keine gesundheitsschädigenden Einflüsse zu befürchten.“

Das Votum der Arbeitsmedizin erfreute insbesondere die Lichttechniker derart, dass sie dem Thema gleich eine Sondertagung widmeten (Auge-Licht-Arbeit, Karlsruhe, 1971). Dort ging der spätere Vorsitzende des Normenausschusses Beleuchtung, H.-J. Hentschel, sogar noch weiter: „Hohe Ansprüche an die Beleuchtung, wie sie in der künstlichen Beleuchtung gestellt werden, können nicht befriedigt werden.“

Als ich das Buch Genesis 2.0 Schöpfung der elektrischen Sonne schrieb, wollte ich eigentlich eine historische Betrachtung zu Papier bringen. Dass der Inhalt im Jahre 2025 tagesaktuell sein würde, hätte ich selbst nicht denken können.

Blau macht schlau …

… hieß es vor nicht allzulanger Zeit. Gemeint waren die wundersamen Wirkungen des Lichts, die ein Hamburger Professor für Kinderpsychiatrie im Auftrag von Philips ermittelt haben wollte. (hier und da oder dort) Nach eigenem Bekunden hat Philips ihm keinen Auftrag erteilt, sondern einen Assistenten gestellt. Und dessen Doktorarbeit passte ganz zufällig in die Zeit, als Frau Merkel die deutsche Wirtschaft mit staatlichen Mitteln stützen musste. So etwa 1.000 Grundschulräume sollten mit blauem Licht gefüllt werden, das die Schüler ruhig stellt. Schülerinnen auch. Und wenn Leistung gefragt ist, sprudelt aus den doofen Bälgern plötzlich Intelligenz. Dank Personal Light! Zwar hatten sich Forscher der Uni Hamburg etwas vornehmer ausgedrückt. Aber sinngemäß stimmt die Aussage.

Das war im Jahr 2009. Eineinhalb Jahrzehnte später sind die deutschen Kinder doof oder intelligent wie schon immer. Nur die deutschen Lehrer sind wohl klüger geworden und verlangen nicht mehr nach einer Schaltung, die Kinder per Knopfdruck intelligenter oder ruhiger macht.

Wie ist der Professor aus Hamburg eigentlich auf die Idee gekommen mit dem blauen Licht? Moses musste auf den Berg Sinai, um Erleuchtung zu bekommen, Mohammed flog mit dem Pferd al-Buraq von Jerusalem in den Himmel … Bei dem Herrn Professor ging es vermutlich weniger aufwendig, er muss ein Buch von John Ott (hier) gelesen haben, dem die Erleuchtung mit dem Licht beim Betrachten eines Kürbisses gekommen war.

Der Kürbis war kein üblicher Kürbis, in den man Augen und Mund schneidet, wenn es Halloween ist. Ott war Fotograf und wollte Kürbisse ziehen für den Film Cinderella, die bekanntlich in einer von Mäusen gezogenen Kutsche zum Königspalast fährt, um dort den Prinzen zu treffen. So ein filmreifer Kürbis wächst betreut auf. Beim Kürbisziehen merkte Ott, dass das Licht je nach Lichtspektrum die Früchte anders gross werden ließ.

John Ott gab nach dieser Erleuchtung seinen Job als Bänker auf und widmete sich dem Licht. Ob ein späterer Erfinder bei Ott gelesen hatte oder ganz allein auf die Idee kam, kann ich nicht ermitteln. Der erfand eine blaue Lampe, die auch Wunder bewirkte (hier): “Der Test zeigt, dass der Einsatz der XXX Lampen, eine Konzentration fördernde Wirkung auf einen Großteil der Probanden hat.” Da der wissenschaftliche Befund sicherlich reproduzierbar ist, kann man sich über die Wirkung vergewissern, indem man die Lampe für exakt den gleichen Zweck benutzt: "… andere Probanden nutzen die Lampe als Arbeitsleuchte bzw. als Näh- und Strickleuchte." Noch ein Riesen-Schritt in der Geschichte des Lichtmachens. Die Strickleuchte.

John Ott hatte seine erste Untersuchung mit dem blauen Licht 1973 durchgeführt. In seinem Buch wurde noch die Unruhe der amerikanischen Jugend in den 1960ern behandelt, die das flimmernde Licht der damaligen Fernseher bewirkt haben soll. Ott wollte wohl nichts vom Vietnam-Krieg hören. Seine Worte zu dem Versuch  mit der blauen Lampe: “Bei konventioneller Beleuchtung zeigten die Schüler deutlich mehr Verhaltensauffälligkeiten (z.B. Hyperaktivität) während die Kinder in der experimentellen Lichtsituation Lernschwierigkeiten allmählich verloren, konzentrierter wurden und ihre Schulleistungen signifikant steigerten.” Etwa dasselbe hätte man auch bei dem Hamburger Professor lesen können.

Etwa älter als Otts Idee war die Behandlung von Babies mit blauem Licht. Da die neugeborenen Menschen kurz nach Erblicken des Tages nicht perfekt funktionieren, leidet jedes dritte Baby an Gelbsucht (Neugeborenen-Gelbsucht (Hyperbilirubinämie)). Der englische Arzt Richard Cremer hat in 1958 zufällig entdeckt, dass blaues Licht den Bilirubinspiegel bei Neugeborenen senken kann. Seine Ergebnisse zur Phototherapie erschienen in der Zeitschrift "The Lancet". Mitte der 1970er Jahre wurde die Phototherapie dann zum Standardverfahren in der Behandlung von Neugeborenen-Gelbsucht. Damals durfte ich Messgeräte bauen, die die Wirksamkeit von Lampen zum Abbau von Bilirubin maßen.

Doch auch das Jahr 1958 war nicht das erste Jahr, in dem eine Geschichte mit blauem Licht erzählt wurde. Der Herr, der eine besondere Wirkung vom blauen Licht ermittelt hatte, kann kaum mit einem der genannten verglichen werden, Robert Koch. Er hatte gezeigt, dass nicht Gase und Miasmen Krankheiten auslösen, sondern bestimmte Erreger bestimmte Erkrankungen. Zwei britische Mediziner, Arthur Downes und T.P. Blunt, wiesen dazu nach, dass Licht Bakterien tötet. Und zwar mit seinem blauen Anteil, nicht mit UV. So kam es dazu, dass in deutschen Normen eine Besonnung jeder Wohnung vorgeschrieben wurde. Mindestens in NRW war eine ausreichende Besonnung sogar Bauvorschrift. (mehr hier)

Doch der erste, der Blau eine mysteriöse Kraft zuschrieb und damit einen Wahn auslöste, war ein General. Ein gewisser A. J. Pleasonton, vom Beruf General, eine Theorie aufgestellt, wonach blauem Licht eine Heilwirkung zukam. Er argumentierte, dass Farbe enorme biologische Wirkungen entfalte und dem blauen Licht elektromagnetische Kräfte innewohnten, die in der Lage wären, den Körper zu heilen und Widerstandskräfte gegen Krankheiten aufzubauen. Der General erklärte in einem Buch die Wirkungen vom blauen Licht mit seinen Erfahrungen mit einem Gewächshaus mit blauen Gläsern. Er hatte festgestellt, dass die Pflanzen im Frühjahr zu sprießen begannen, weil der Himmel über ihnen blauer wurde. So ließ er Gewächshäuser mit blauen Scheiben patentieren, die nach seiner Behauptung besonders ertragreiche Weinstöcke hervorbringen sollten. Später machte er mit Schweinen und Kühen weiter. Seine Gläser wurden von den Farmern massenweise gekauft. Leute haben blaues Glas in ihre Brillen eingebaut. Sogar Babys wurden in blaue Brutgehäuse einquartiert. So abwegig war das nicht, wie man 1958 die Sache mit den Babies entdeckte.

So hatte Blue-glass Craze seinen Lauf genommen. Zwar gibt es heute keine Gewächshäuser mit blauen Gläsern mehr, aber welche mit bläulichem Licht. General Pleasontons Ideen brachte die Chromotherapie (Farbtherapie) hervor.

Mehr zu den Geheimnissen in Blau hier.

Lichtqualität im semantischen Dreieck

Wasser tut’s freilich
höher jedoch steht die Luft,
am höchsten das Licht!

Arnold Rikli

Die Lichtqualität, die man im Wirken der Organisationen wie die CIE (Internationale Beleuchtungskommission) ganz oben in der Agenda wähnt, hat es im 99. Jahr vor dem Jubiläum der V(λ)-Kurve in das Internationale Wörterbuch der Lichttechnik geschafft, das seit immerhin 1938 schriftlich vorliegt und gepflegt wird.

Bis dato definierte nämlich diese Kurve, was Lichtqualität bedeutet – Helligkeit.

Was hat das mit dem semantischen Dreieck zu tun? Viel. Es ist ein faszinierendes Konzept, das uns erklärt, wie wir Dinge verstehen oder begreifen. Oder wie wir uns einen Begriff von Dingen machen wie z.B. von der Qualität.

Das Dreieck besagt, dass zum Begreifen von etwas dieses Etwas existieren muss. So z.B. ein Fisch. Es muss relativ klar umrissen sein wie z.B. ein Garten oder ein Baum. Wird diese Voraussetzung nicht erfüllt, verstehen wir selbst täglich benutzte Dinge nicht. Dazu gehört der Computer, den manche Leute hassen. Sie schreiben diesbezügliche Ideen zuweilen auf ihrem Handy und übermitteln diese anderen auch damit. Dass ein Handy ein Computer ist und kein Telefon, wissen zwar viele.  Sie verstehen es aber nicht.

Zum Verstehen von Etwas gehört nämlich ein Name, besser gesagt, eine genaue Bezeichnung. Wenn es gelingt, diese Bezeichnung präzise zu fassen, verstehen wir das Etwas besser. So ist ein bestimmter Computer, der Autoschlüssel, jedem ein Begriff. Während man unter einem PC viele Dinge vorstellen kann. Für die meisten von heute ist ein PC ein Laptop mit Display und Tastatur, in dem man Programme und Daten speichern und sich wiederholen kann. Genau die gleichen Kisten stehen aber auch bei Angestellten im Büro, sie funktionieren etwa gleich, sie sind aber etwas anderes. Sie speichern keine Daten, ihre Programme stehen auf Servern oder in der Cloud, wie manchmal die Daten auch.

Damit kommen wir zu der dritten Ecke des Dreiecks: Um das Etwas zu begreifen, benötigen wir die persönliche Begegnung damit. Ein gut geschulter Angestellter an einem Firmen-PC wird den besser verstehen als einer, der die Kiste im Schaufenster sieht. Wer gar nur das Wort PC hört, denkt an sein Gerät, so er eins gehabt hat.

Anders als das semantische Dreieck scheint das Wort Qualität jedem ein Begriff zu sein. Es ist immerhin etwa 2500 Jahre alt. Leider ist dem nicht so. Deswegen musste sogar eine Qualitätswissenschaft gegründet werden. Diese ist aber erstaunlich jung. Nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere in Japan, trugen Persönlichkeiten wie W. Edwards Deming (hier) und Joseph M. Juran maßgeblich zur Entwicklung des modernen Qualitätsmanagements bei. Deming entwickelte Prinzipien der ständigen Verbesserung (PDCA-Zyklus) und 14 Managementprinzipien.

Im Westen kamen diese Ideen dadurch an, dass Japan große Erfolge damit feierte, also erst in den 1970ern. 50 Jahre gegenüber 2500? Ist Qualität so schwer zu verstehen? Die Antwort ist ja. Und daran sind die Alten schuld. Qualität ist nämlich nicht ein Begriff, sie war von Anfang an zwei Begriffe. Und auch nach der internationalen Normung in den 1980ern (ISO 9000 Reihe) blieb das Wort Qualität zweideutig.

Die eine Bedeutung der Qualität ist eine (hohe bzw. hochwertige) Beschaffenheit. Wer ein Qualitätsprodukt kauft, will eine hohe Qualität. Und die ist, was er sich darunter vorstellt. So stellt ein Porsche für viele ein Qualitätsauto dar.

Die genormte Bedeutung der Qualität ist „Erfüllen der Anforderungen“. Sie ist, was das Ingenieurswesen ausmacht, dessen Produkte weder gut noch schlecht sind, sondern für ihren Zweck geeignet oder nicht. Wer als Familienvater einen Kinderwagen für Zwillinge transportieren muss, für den ist ein Porsche bestimmt kein Qualitätsauto. Vielleicht war er es gewesen, als der Fahrer der Mutter der Zwillinge imponieren wollte.

Jeder Ingenieur, der etwas schafft, handelt i.S. der zweiten Definition der Qualität. Sein Produkt muss die Anforderungen erfüllen, die daran gestellt werden. Wer diese stellt? Das ist die große Kunst. Vor einer Entwicklung muss man sich ein Bild davon machen, was der Benutzer von dem Produkt erwartet. Die professionelle Kunst hört auf den Namen Requirements Management.

Was tut man aber, wenn die Leute nicht wissen, was sie fordern sollen? Man erfindet z.B. ein disruptives Objekt wie das Smartphone. Es hat nicht nur eine hundertjährige Branche umgeschmissen. Die Telekommunikation ist nach 2007 eine völlig andere geworden. Es hat den Weltmarkt umgeworfen. Der Marktführer für Mobiltelefone Nokia mit 38% Weltanteil war fünf Jahre danach nicht mehr existent. Und es hat Kulturen umgeworfen. Selbst Analphabeten können mit dem Smartphone Bankgeschäfte u.ä. erledigen. In Afrika läuft das Bankgeschäft für Arme über Handys. In Indien ist ein Gesundheitssystem entstanden, das darauf aufbaut.

Wie war es, als Edison die Glühlampe perfektionierte? Hat Licht als Begriff existiert? Eigentlich, ja. Man wusste vom natürlichen Licht vermutlich seit der Schöpfung der Menschheit. Das künstliche Licht war etwa 17,000 Jahre alt. Es war nur nicht perfekt (siehe Epochen der Kunst der Lichtmacher). Das Licht hatte also einen Namen. Das erste Eck vom semantischen Dreieck war also besetzt.

Hatte der Begriff Licht klare Umrisse? Hier kommt ein klares Nein. Selbst die Physik wusste nicht gerade viel über Licht. Menschen wie Einstein oder Max Planck waren zwar schon geboren, sie hatten ihr großes Werk noch nicht abgeliefert. Man hing noch der Äther-Theorie nach. Diese, die Äthertheorie, besagte, dass der gesamte Raum – auch der scheinbar leere Weltraum – von einem unsichtbaren, masselosen und allgegenwärtigen Medium, dem sogenannten "Äther", erfüllt sei. Der Äther hatte praktisch keine Masse, ließ alle Planeten ungehindert wandern, war elastischer als der härteste Stahl. Also ein Gebilde, das es hat nicht geben können. Aber große Geister wie  René Descartes, Vater des kartesischen Systems, oder Isaac Newton, der Vater der modernen Physik, und auch James Clerk Maxwell, dem die Vereinheitlichung von Elektrizität, Magnetismus und Licht in einer einzigen, kohärenten Theorie gelungen war, glaubten an den Äther.

Wenn das das einzige Problem wär! Man wusste nicht einmal genau, woraus Licht bestand und welche Anteile welche Wirkungen auf den Menschen ausübten. Auch als Matthew Luckiesh sein Buch „Light and Health“ im Jahre 1926 veröffentlichte, hatten weder die Mediziner noch die Lichttechniker viel Ahnung von den Dingen, von denen sie sprachen. Daher der Versuch der CIE, mit der V(λ)-Kurve Licht zu definieren und vor allem, messbar zu machen.

Diese Kurve war so erfolgreich, dass die Präsidentin der CIE alle ihre Experten einlud, zur Jahrhundertfeier ein Gedicht zu schreiben oder wenigstens ein Kunstwerk zu erstellen. Zu erfolgreich. Denn das so definierte Licht umfasst nur einen Teil dessen, was Licht für den Menschen ausmacht. Für fast alle Pflanzen ist die Kurve sogar falsch. Und auch die meisten Tiere sehen Licht anders.

Dem so definierten Licht ist in der Natur noch nie ein Mensch begegnet. Es ist ein rein künstliches Gebilde, das einen Teil der Sehvorgänge beim Menschen erklärt, so er nicht ganz jung oder älter ist.

Wir haben trotz des Jahrhunderts des Lichts keine Chance gehabt, es zu begreifen. Es hakt an allen Ecken des semantischen Dreiecks. Daher die ganzen Irrungen und Wirrungen, von denen das Buch Genesis 2.0 – Schöpfung der elektrischen Sonne handelt.

Licht und Ergonomie

Manche Dinge finden sich nicht zueinander, obwohl man sie fast immer im gleichen Kontext vermuten darf. Überraschenderweise gilt dies für Beleuchtung und Architektur, allerdings erst seit etwa 1925. Da half nicht einmal, dass der Staat im Dritten Reich Lichttechniker und Architekten zur Zusammenarbeit zwingen wollte. Er hatte nämlich vor, die Leistung des deutschen Arbeiters mit Hilfe der Beleuchtung zu steigern (s. hier). Dazu gründete der Staat eine Behörde, die auf den seltenen Namen “Schönheit der Arbeit” hörte. Deren Chef, der später Kriegsminister werden würde, Albert Speer, wusste als Architekt von der Bedeutung des Lichts. Er ließ sogar einen Spielfilm dazu drehen, das einfach “Licht” hieß. Ein sehenswerter Film.

Jahrzehnte später, Speer war schon 10 Jahre tot, saß ich zufällig  mit einem Architekturprofessor und dem Geschäftsführer des DIN-Normenausschuss Bauwesen (NABau) an einem Kindergeburtstag und erzählte ihnen, dass die Normen für Lichttechnik und für das Bauwesen unkoordiniert miteinander entstünden. Beide Herren erschraken und wollten dagegen sprechen, taten es aber lieber nicht. Dem war so.

Dass es dem so war, hatte ich beim Studium im Fachgebiet Umwelttechnik der TU Berlin gelernt. Zur Zeit ihrer Gründung gehörten Lichttechnik und Akustik, die ich studierte, neben der Instituten für Architektur dazu. Uns war es damals nicht gelungen, unsere Vorlesungen und Laborübungen Architekturstudenten schmackhaft zu machen. Deswegen war ich später zu Arbeitswissenschaft und Ergonomie migriert, weil mein Doktorvater glaubte, dort bessere Forschungsbedingungen zu Wirkungen des Licht auf die Arbeit vorzufinden. Klarer Fall von Denkste!

So freute ich mich 1981 wahnsinnig über das Buch Human Factors in Lighting von Peter Boyce. Human Factors ist das amerikanische Synonym für Ergonomie. Nach langer Suche fand ich in dem Buch aber nichts zur Ergonomie. Auch die dritte Ausgabe des Buches (2014) ließ Ergonomie missen. Unter dem Akronym IEA (eigentlich International Ergonomics Association) führt Boyce International Energy Agency an.

Insbesondere was das Tageslicht anging, glänzten alle besagten “Wissenschaften” durch Nichtwissen. So hatte das Standardwerk IESNA LIGHTING HANDBOOK (2006) der US-amerikanischen Lighting Engineering Society für Tageslicht und Human Factors gerade mal eine halbe Seite (von 1002) übrig.

Ich habe versucht, die Lücke zu füllen, angefangen bei den Begriffen (hier, (Begriffe(1) ERGONOMIE und LICHT). Im Rahmen eines Projektes Tageslicht (Tageslicht nutzen – Bedeutung von Dachlichtöffnungen für Ergonomie, Architektur und Technik), bei dem ein hervorragender Architekt und ein Institut für Bauwesen beteiligt waren, habe ich mit meiner Frau zusammen die Ergonomie des Lichts behandelt, dessen Bericht hier (Lichtergo1) zum Download steht. Die beiden anderen Teilberichte sind in dem Buch enthalten (hier)

Sonnenschutzfaktor 50 oder Selbstmord in Raten

In dem Kapitel “Erbschaft der 1920er Jahre – Wo Sie heutiges Wissen bestimmt”, des Buchs Genesis 2.0 – Schöpfung der elektrischen Sonne” (hier) wird ausführlich dargestellt, dass viel vom dem heutigen Wissen und Denken über Licht und Beleuchtung ein Erbe der 1920er Jahre ist. Nichts dagegen, wenn die Menschheit Wissen über die Natur und ihre Wirkungen frühzeitig erworben haben soll. Es geht aber eher um Nichtwissen bzw. Irrtümer, die über vier Generationen weitervererbt werden und sogar an den Universitäten gelehrt. Das Schlimmste von allen dürfte der Umgang mit der Sonne sein. Genauer gesagt, mit den UV-Strahlen der Sonne.

Pünktlich zum Sommerbeginn, eigentlich bereits nach dem Äquinoktium (Tagundnachtgleiche) am 20. März, regnet es fast gleichlautende Artikel in allen Publikumszeitungen und -zeitschriften. Sie warnen vor den Gefahren der Sonne und empfehlen, sich bestens zu schützen. Am besten mit Sonnenschutzfaktor 50 und täglich mehrmals. Der Aufhänger ist immer der Hautkrebs. Dieser soll sich in zunehmendem Maße ausbreiten.

Am schwarzen Hautkrebs erkrankten im Jahre 2022 25.450 Personen. Gestorben sind im Jahr 2023 dann 3.169 Menschen. Das sind 0,316 % der 1.002.741 Todesfälle in diesem Zeitraum. An anderen Krebserkrankungen starb 22,1% der Bevölkerung Deutschlands, also etwa das 70fache.

Wären alle Hautkrebserkrankungen durch UV bedingt und wäre der Schutz dagegen nicht mit anderen Problemen für die Gesundheit verbunden, könnte man versuchen, die 3.169 Toten per Jahr zu vermeiden. Doch dem ist nicht so. Und nicht etwa nur ein Bisschen anders.

Die UV-Strahlung, deren Wirkung man immer noch nicht hinreichend genau verstanden hat, ist ein Agens, d.h. eine wirkende Kraft, ein Mittel oder ein Akteur, der etwas bewirkt oder ausführt. Das Wichtigste, was sie äußerlich sichtbar bewirkt, ist die Pigmentierung der Haut. Was völlig unsichtbar bleibt, ist aber lebenswichtig. Nur wenige Menschen können ohne diese Wirkung leben (hier). Das ist die Bildung des sog. “Vitamin” D, was in Wirklichkeit ein Hormon ist, das der menschliche Körper braucht, aber nicht selbst herstellen kann. Es wird in der Haut gebildet.

Auch Menschen, die zu verstehen glauben, was Vitamin D im Körper macht, wissen meistens nur über die Knochenbildung (Calcium- und Phosphataufnahme, Knochenmineralisierung) zu berichten. Ein Mangel kann bei Kindern zu Rachitis (Erweichung und Verformung der Knochen) und bei Erwachsenen zu Osteomalazie (Erweichung der Knochen) führen, langfristig auch zu Osteoporose (Knochenschwund) und erhöhter Bruchgefahr.

Allein diese Wirkungen sind lebenswichtig. Aber sie sind bei Weitem nicht alle. Vitamin D beeinflusst auch die Muskelentwicklung und -kraft. Ein Mangel kann zu Muskelschwäche und -schmerzen führen und bei älteren Menschen das Sturzrisiko erhöhen.

Vitamin D spielt eine wichtige Rolle bei der Modulation des Immunsystems. Es hilft dem Körper, Krankheitserreger wie Bakterien und Viren abzuwehren, indem es die Produktion von körpereigenen Abwehrstoffen anregt und Entzündungsreaktionen reguliert.

Was man noch nicht exakt weiß, ist z.B. Blutdruckregulierung: Es gibt Hinweise darauf, dass Vitamin D einen Einfluss auf den Blutdruck hat.

Stimmung und psychische Gesundheit: Studien zeigen eine Korrelation zwischen niedrigen Vitamin-D-Spiegeln und Depressionen. Vitamin D ist an der Regulation wichtiger Neurotransmitter im Gehirn beteiligt, die unsere Stimmung beeinflussen, insbesondere Serotonin und Dopamin.

Zellwachstum und -differenzierung: Vitamin D beeinflusst die Zellteilung und kann potenziell eine Rolle bei der Prävention bestimmter Krebsarten spielen.

Vitamin D kann den Stoffwechsel beeinflussen und indirekt zur Gewichtsregulierung beitragen.

Auch die Zahngesundheit hängt mit Vitamin D zusammen: Ähnlich wie bei den Knochen ist es auch wichtig für gesunde Zähne.

Wer dazu aufruft, sich mit Ölen und Salben mit Sonnenschutzfaktor 50 und ähnlich zu schützen, gefährdet die Menschen. Im Mitteleuropa gibt es ab November bis März kaum UV, so dass die meisten Menschen an

einem Mangel leiden. Der Körper speichert Vitamin D im Fettgewebe und Muskelgewebe mit einer Halbwertszeit von ca. 19 Tagen. D.h., der Vitamin D-Spiegel halbiert sich in 19 Tagen.

Eine Langzeitwirkung von fehlendem Vitamin D besteht in der zunehmenden Porosität der Knochen. Im Alter zeigt sich dies z.B. in den Knochenbrüchen wie Oberschenkelhalsbruch. Daran sterben in den ersten 30 Tagen 10% der Patienten bzw. bis 30%, bevor das Jahr um ist. Daher die Überschrift “Sonnenschutzfaktor 50 oder Selbstmord in Raten“.

Soll man sich deswegen etwa schutzlos der Sonne ausliefern? Was davon zu halten ist, sagt ein mexikanisches Sprichwort: “Nur Touristen und Esel gehen in die Mittagssonne”. Sich in die Sonne knallen, um eine “gesunde” Bräune zu bekommen, haben wir als Hype von unseren Urgroßeltern übernommen, die genau in den 1920ern die heilende Wirkung der Sonnenstrahlen entdeckt hatten. Dass Heilendes auch tödlich sein kann, hat Paracelcus im 15. Jahrhundert gesagt: “Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.” Bei UV reicht diese Dualität der Wirkung bis in den Beginn des Lebens auf der Erde. Das Leben musste im Schutz des Wassers entwickeln, als die Atmosphäre noch keinen UV-Schutz in Form der Ozonschicht gebildet hatte. Und Ozon, unser Schutz gegen tödliche Strahlung aus dem All, ist selber ein Gift.

Man kann es aber noch einfacher ausdrücken. Wasser, ohne das ein Leben nicht möglich ist, ist in großen Mengen genossen, in 20 Minuten tödlich. Die Luft ist sogar wichtiger als Wasser zum Leben. Aber die Luft in großer Tiefe ohne Wasser, so in dem Marianengraben ohne Wasser, würde vermutlich ebenso tödlich sein.

Von der göttlichen Gabe zur Umweltverschmutzung

LAN bedeutet für manche Menschen ein Netzwerk, für den Großteil von ihnen aber eine große Gefahr für Leib und Leben. Denn LAN steht für Light at Night. Damit ist nicht der schöne Mondschein gemeint, der die Seelen der Dichter beflügelt, sondern das Licht der LEDs, die die Nacht zum Tage machen. Daher redet man auch von ALAN – Artificial Light at Night. ALAN steht übrigens für ein ganzes Forschungsgebiet der Medizin (https://artificiallightatnight.org), LAN = light at night hat sich zu einem Dauerthema in der Medizin entwickelt. Allerdings zu keinem erfreulichen, denn das Licht steht für allerlei Unbill bis hin zum Förderer von Krebs. Die Nacht zum Tage machen, steht nicht mehr für einen Menschheitstraum.

An und für sich bedeuten die bunten Lichter in der Nacht nicht erst seit der Erfindung der Glühlampe etwas Wunderschönes. Vor über einem Jahrhundert erfreute sich der Menschen Seele an den Lunaparks dieser Welt. So genannt, weil man unter dem Mondschein mehr Licht hatte als das des Mondes.

Mittlerweile sind die Städte der Welt zu Jahrmärkten mutiert. Und deren Licht zum Umweltschmutz. Das Licht in der Nacht stinkt zwar nicht zum Himmel, hat aber das Bild der Welt in der Nacht mächtig ins Blaue geschoben. So schrieb der Berliner Tagesspiegel in September 2022 “Die Umstellung von Straßenlampen auf LEDs in vielen Ländern Europas hat das Farbspektrum der nächtlichen Beleuchtung verändert – mit möglichen Folgen für Mensch und Tier. Das schreiben britische Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Science Advances“. Die Freude über das schöne Licht in der Nacht hat mittlerweile etwas Morbides an sich wie der Alkohol, der die Nächte ebenso verschönt.

Die Forschenden hatten anhand von Fotos, die von der Internationalen Raumstation ISS aus aufgenommen wurden, festgestellt, dass durch LEDs insbesondere der Anteil der Emissionen im blauen Bereich des Spektrums zugenommen hat. Deutschland ist von diesem Effekt ebenfalls bereits betroffen, …"

Obwohl der Bericht mit etwas Kritik an die Umwandlung des nächtlichen Straßenbildes durch die LED daherkommt, bleibt er weit hinter den wissenschaftlichen Erkenntnissen anderer Art zurück. Diese fasst man wie gesagt unter dem Wort LAN - Light at Night oder ALAN - Artificial Light at Night zusammen.

Zunächst zum Bericht: "Da blaues Licht beispielsweise die Ausschüttung des Hormons Melatonin hemmt, das schlaffördernd wirkt, kann die Umstellung auf LEDs Auswirkungen auf Tier und Mensch haben, schreibt das Forscherteam der University of Exeter in Penryn um Kevin Gaston. „Die Vorteile, die die LED-Technologie für die öffentliche Beleuchtung und insbesondere die Straßenbeleuchtung bieten kann, wurden viel gerühmt, wobei der Schwerpunkt auf einer höheren Energieeffizienz und der damit verbundenen Reduzierung der Energiekosten und Kohlendioxid-Emissionen lag“, heißt es in der Studie."

Weiterhin schreiben die Forscher, was eigentlich alle wissen müssen: "Der Grund dafür liegt in den üblichen Satellitensensoren, die für die Messung der künstlichen Beleuchtung eingesetzt werden und die nur die Intensität des Lichts, aber nicht dessen Farbe registrieren.”  Das liegt daran, dass die Lichttechnik vor 101 Jahren eine Kurve erfunden hat, die dazu dient, die Hellwirkung des Lichtes zu messen. Und das bitte nicht für die gesamte Natur, sondern nur für das gesunde junge Auge des Menschen. Dazu wurde der Begriff Licht aus der Physik in diesem Sinne gekapert.

Diese Kurve, die sog. V(λ)-Kurve, ignoriert die roten und blauen Teile des Lichts und lässt zudem die gesundheitlich wichtigsten Teile (Ultraviolett – UV – wie Infrarot - IR – vollkommen außer Acht. Daher scheinen die blauen und roten Teile unwichtig, UV + IR werden erst gar nicht gemessen. Aber für die Pflanzen sind diese viel wichtiger als der für den Menschen wirksamere Teil. Die meisten Tiere sehen auch definitiv anders als der Mensch.

Als Folge dieser Kaperung des Begriffs wird aus der natürlichen Strahlung, die Mensch wie Pflanzen oder Tiere maßgeblich beeinflusst, das herausgeschnitten, was zum absichtlichen Sehen von Objekten dient, auf die man fokussiert. Denn die 1924 definierte Kurve berücksichtigt nur das Zentrum der Retina. Sehen tun wir aber mit dem gesamten Auge. So sind die feinsten Lichtinstrumente blind für alle sonstigen Wirkungen auf den Menschen und bewerten das natürliche Licht, unter dem alle Pflanzen leben und gedeihen, nach der komplett falschen Bewertungskurve.  

Zunächst zur Natur. Bäume in den Städten erleben den Frühling in der Stadt Tage früher, und deren Herbst kommt später. Fliegende Insekten und deren Jäger ändern ihren Lebensrhythmus (mehr hier). So kann man über der Semper Oper an der Elbe um Mitternacht Möwen kreisen sehen. Eine Doktorarbeit vom Max-Planck-Institut für Verhaltenbiologie zeigt, dass die Lichtverschmutzung Fische ängstlich macht. Zudem verändert künstliches Licht in der Nacht das Verhalten von Fischen bis in die nächste Generation. (mehr hier). Nächtliches Licht und Insektensterben werden oft zusammen beobachtet (hier).

Was können die Wirkungen auf den Menschen sein, die man so übersieht bzw. nicht versteht? Eine Studie, die weltweit alle annehmbaren Wirkungen von LAN (Light at Night) ausgewertet hat, kommt zu diesem Schluss: "“Artificial light at night is significantly correlated for all forms of cancer as well as lung, breast, colorectal, and prostate cancers individually.” In Deutsch, künstliche Beleuchtung in der Nacht ist signifikant korreliert mit allen Arten von Krebs, im Einzelnen mit Lungen-, Brust-, Dickdarm- und Prostata-Krebs." (Quelle: Al-Naggar, R. A., & Anil, S. (2016). Artificial Light at Night and Cancer: Global Study. Asian Pacific Journal of Cancer Prevention: APJCP)

Zurück in die Höhle Dank iPhone & Co?

Als ich das Buch “Genesis 2.0 – Schöpfung der elektrischen Sonne” ausarbeitete, ging es mir nur um die Bedeutung des künstlichen Lichts im Laufe der Menschheitsgeschichte. Wenn man das Buch liest, merkt man hingegen, dass fast immer andere Faktoren wichtige Rollen spielten. Am trivialsten kann man das an der Blendung von Autoscheinwerfern erklären. Die meisten davon werden tagsüber niemanden blenden. Nachts tun das die meisten auch nicht, weil seit den 1930er Jahren ein Gesetz deren Prüfung erzwingt. Hingegen blenden kleine Fahrradlichter selbst bei Sonnenschein (hier und da), weil man an Fahrrädern Lichter nicht so anbringen kann wie an Autos.

Dass Licht allein kaum Probleme schafft, sondern häufig in Tateinheit mit einer großen technischen Errungenschaft, dem Smartphone, hätte ich nicht unbedingt thematisieren wollen. Ein Artikel einer internationalen Gruppe Forschender tut genau das. Der Titel "Myopia and Daylight: A Combination of Factors" (Kurzsichtigkeit und Tageslicht - Eine kombinierte Wirkung von Faktoren). Der Artikel erscheint demnächst in Frontiers in Medicine – Ophthalmology, geschrieben von 9 hochkarätigen AutorInnen aus 6 Ländern.

Im Abstract des Artikels liest sich das Ergebnis wie eine Horrormeldung: In urbanen Teilen von Süd- und Ostasien sind Heranwachsende derzeit zu  80% bis 90% kurzsichtig. Man spricht von einer Epidemie. Diese ist durch die Corona-Jahre sogar beschleunigt worden. Der Effekt sei weltweit zu beobachten. Ursache: Ständige Beschäftigung mit dem Smartphone bei sehr kurzen Sehentfernungen + geringe Lichtmengen, weil die Kinder und Jugendlichen das Tageslicht meiden. (Hier kann man sich melden, um von der Veröffentlichung des Artikels zu erfahren.) Bis dahin kann man sich in der Berliner U-Bahn umsehen, wie viele Menschen etwa so gucken wie auf dem Foto. Es ist aus Sapporo, könnte aber auch aus Berlin sein.

Hier sei an die Ausführungen erinnert, die unter “Selbstverdienter Niedergang der elektrischen Sonne” zusammengefasst sind. Der Bedeutungsverlust der Beleuchtung mit dem Gewinn der elektronischen Displays an Relevanz geht also einher mit Lichtverlust insgesamt. Die Menschen ziehen sich weiter zurück von dem Tageslicht, und das künstliche brauchen sie wesentlich seltener. Am Ende wird der Mensch nicht etwa “krank”, er degeneriert vielmehr. Er wird kurzsichtiger und bekommt eine verkrümmte Wirbelsäule.

Zeit zum Handeln. Auf Displays geglotzt haben wir schon zu lange.

Warum Beleuchtung im Büro Stress bedeutet?

Alle wollen unser Gutes und dennoch fühlen wir Stress, wenn es um die Beleuchtung im Büro geht. Wenn man die einschlägigen Zeitschriften liest, ist das Licht im Büro blendfrei und angenehm. Besser könnte sie gar nicht sein. So ähnlich ergeht es vielen auch mit der Klimatisierung. Wie kommt das eigentlich?

Vor langen Jahren musste ein Unternehmen ein wirklich minderwertiges Bürohaus bauen, deren Fertigstellung nur fünf Monate nach Planungsbeginn sein musste. Die Planung des Mutterhauses hingegen hatte mehrere Jahre gedauert und war in Begleitung eines Arbeitspsychologen optimal erfolgt. Der Arbeitgeber wusste nicht, wie er der Belegschaft beibringen sollte, dass manche  in die "Baracke" ziehen mussten. Er war schockiert, als alle dies wollten. Niemand wollte in dem nach allen Regeln der Kunst erbauten Büro bleiben.

Üblicherweise lastet man so etwas dem Architekten, dem Lichtplaner oder dem Klimatechniker an. In dem gegebenen Fall hatten sie aber ihr Bestes gegeben. In solchen Fällen wird die Schuld bei der Belegschaft gesucht. Sie wird dann beschuldigt, hysterisch zu reagieren, gar zu spinnen. Ein Patentrezept, das gegen solche Auswüchse geholfen haben soll, z.B. ein Klimaregler, der gar nicht angeschlossen ist, aber den Eindruck erweckt, etwas zu bewirken, ist über 50 Jahre alt aber immer noch nicht tot.

Nach jahrelanger Forschung in Büros habe ich den einwandfreien Beweis dafür, dass es an der Entmündigung des Nutzers liegt. Dieser ist der Benutzer des Büros und der Betreiber. Den Betreiber binden Regeln wie Normen, die er anwenden muss, will er den Anforderungen des Arbeitsschutzes genügen. Woher kommen aber diese?

Eigentlich ist die Sache sehr einfach. Jedes Gewerk befolgt Regeln für dieses, das von Fachleuten geschrieben worden sind. Dummerweise steht manchmal der Klimatechniker dem Lichttechniker im Wege. So entstanden vor langer Zeit Räume mit glatten Decken mit eingebauten Leuchten, damit die Luft gut verteilt wird. Solche Leuchten können aber nie Indirektbeleuchtung produzieren, die bei den Benutzern hoch angesehen ist. Alternativ kann man großflächige Leuchten installieren, die weniger blenden. Aber die verhunzen die Akustik.

Überhaupt Akustik. Die vielen Schallschirme, die man immer häufiger in die Büros pflanzt, machen die Arbeit des Lichtplaners zunichte.  Und verhindern auch die Luftzirkulation.

Wie eine Planung ideal laufen würde, hat die FGL (Fördergemeinschaft Gutes Licht) vor etwa 50 Jahren dargelegt. Das Bild zeigt die Kooperation aus Sicht des Lichtplaners.

Was das Bild nicht zeigt, ist dasselbe aus der Sicht der restlichen neun. Man kann also neun weitere Bilder wie hier erstellen und immer erneut die Anforderungen zur Gestaltung eintragen. Dann fehlen in dem Bild immer noch die Stakeholder "Benutzer", "Belegschaftsvertreter" und "Facility Management".

In dem Buch Genesis 2.0 - Schöpfung der elektrischen Sonne habe ich die Entmündigung des Benutzers und des Planers der Beleuchtung dargestellt (hier). In der Beschreibung werden die wichtigsten Gründe erläutert, darunter die Ignorierung der individuellen Unterschiede, die nachweislich in den 1950ern bekannt waren.

Es wäre ein schwacher Trost zu wissen, dass eine Malaise bekannt ist. Mein Institut hat aber auch untersucht, wie man Beleuchtung individuell gestalten und dabei sogar Geld wie Energie sparen kann. Die gesamte Studie ist hier erklärt und mit einer Reihe von zusätzlichen Dokumenten abrufbar. LichtundGesundheit_1998

Warum blenden Fahrräder am hellichten Tage?

Diesen Aufschrei eines Berliners druckte der Tagesspiegel letzten Samstag. Das ist keinesweg neu oder erstaunlich.

Vor langer Zeit stand in der gleichen Zeitung: "Trotzdem empfinde ich falsch eingestellte Fahrradscheinwerfer von Geisterradlern als viel störender als Autoscheinwerfer. Ich bin da oft sekundenlang im Blindflug unterwegs." oder sogar das:

"Blendende Fahrradscheinwerfer stören, stimmt und viele Sonntagsradler suchen damit scheinbar den Himmel ab. Aber Im Verhältnis zu den schon seit Ewigkeiten erlaubten Autoscheinwerfern sind sie echt ein Witz.

Kann man solche Aussagen mit dem Wissen über Blendung (s. hier ) erklären? In dem Buch "Genesi 2.0 - Schöpfung der elektrischen Sonne" wird das Thema zwar abgehandelt, aber weitgehend aus Sicht der arbeitendem Menschen. Wieso stören sich Leute auf der Straße an Fahrrädern, wo doch Autos viel größere und mächtigere Scheinwerfer haben?

Es liegt an der Größe "Leuchtdichte" (s. dazu die Ausführungen hier), mit der wir schlecht umgehen können. Daher ist die Beleuchtung von Fahrzeugen seit Jahrzehnten gesetzlich reglementiert. Sie unterliegt strengen Zulassungsbeschränkungen. Nicht nur das. Bei jeder einzelnen Prüfung beim TÜV wird die Einstellung der Scheinwerfer geprüft.

Sind Fahrräder keine Fahrzeuge? Das schon, aber während ihrer gesamten Geschichte vor der Einführung der LED verdiente deren Beleuchtung bestenfalls das Prädikat Funzel. Auch die LED-Scheinwerfer für Fahrräder geben wenig Licht im Vergleich zu denen der Autos ab. Blenden tut aber die Leuchtdichte. Und diese kann bei LED etwa die gleiche Größenordnung wie die Sonne erreichen. Kleiner ist lediglich die leuchtende Fläche. Daher nimmt man die Fahrradscheinwerfer nicht allzu ernst. (Mehr hier)

Wenn einem auf einer Straße ein Fahrrad entgegen kommt, sieht man selbst bei Sonnenschein eine Weile nichts in dessen Umgebung. Der Fahrer ahnt aber nichts davon, weil er nicht einmal merkt, dass das Licht an ist. Nur etwas schwächer sind die Schlusslichter der Fahrräder. Diese irritieren eher durch rotes Blinken.

An dem Beispiel der Kinderräder kann man sehen, was Technologie bedeutet. Sie besteht nicht nur aus Technik, sondern schließt Regelungen wie Prüfungen ein. Was ist LKW oder Autos recht gut funktioniert, versagt an Fahrrädern.

HCL Zukunft oder Vergangenheit?

HCL (= human centric lighting) ist nach der Darstellung der lichttechnischen Industrie ein Beleuchtungskonzept. Sie wollte die Aufregung um die Entdeckung eines neuen Lichtsensors im Auge nutzen, um Werbung für Licht zu machen. Eine solche Werbung hat mit der üblichen Werbung wenig zu tun, wie man an den früheren Maßnahmen dieser Art sehen kann, z.B. an den Broschüren von FGL (Fördergemeinschaft Gutes Licht). Sie illustrieren, was man alles mit Beleuchtung machen kann. Es geht um eine Absatzförderung mit positiven Beispielen.

HCL sollte aber mit Hilfe einer Argumentation gefördert werden, die die Gesundheit in den Vordergrund stellt. Die Wirkung sollte über eine Aktivierung von Hormonen erfolgen. Dies haben Mediziner umfangreich untersucht (s. insbesondere Die Legende vom gesunden Licht reloaded) so dass sachlich gesehen ein Anspruch begründet werden kann.

Das eine wesentliche Problem liegt in der Besonderheit des Arbeitsschutzes. Dieser ist Sache des Staates. Und der Staat wird sich immer schwer tun, wenn es um Eingriffe in den Hormonhaushalt von Arbeitnehmern gilt. Aber genau das wurde sogar in einem ISO-Standard zum Thema avisiert (ISO/CIE TR 21783 Light and lighting — Integrative lighting — Non-visual effects). Die Wirkung des "integrative lighting" beruht auf Melatonin.

Der Standard dreht sich um "integrative lighting", also um eine Beleuchtung, die physiologische wie psychologische Vorteile für Menschen bieten soll. In den Fussnoten ist zu lesen, dass man dies auch als HCL bezeichnet. Die Erkenntnisse, auf denen ISO/CIE TR 21783 basieren soll, stammen aus bestimmten Publikationen, von denen keine aus der Lichtforschung stammt, sondern aus folgenden Gebieten:

  • Therapie: 3 Objekte, davon eines Delirium
  • Krebsrisiko: 3 Objekte
  • Demenz: 4 Objekte
  • Lernerfolg: 3 Objekte
  • Hormonforschung: 2 Objekte
  • Gemütszustände: 6 Objekte
  • Schlaf und Schläfrigkeit: 21 Objekte (von insgesamt 63)
  • Gesundheit: 10 Objekte (im Titel oder Publikationsorgan)

 

Nachdem der Standard recht praxisfremde Schlussfolgerungen gezogen hat, haben die Chronobiologen noch eins darauf gesetzt und ein Zeitregime für die Anwendung von Beleuchtung mit Werten dafür veröffentlicht. Dieses zeigt das untere Bild:

So soll am Tage zwischen 06:00 Uhr und 19:00 Uhr ein Wert von 250 lx mel-Edi herrschen (Rechenbeispiel hier, mel kommt von Melatonin.) Wenn man dies in praktische Umgebungen umrechnet, kommt man auf ein Vielfaches der heute üblichen Installationen. Diese braucht man nach dem besprochenen Konzept am Tage!

Abends soll es zwischen 19:00 Uhr und 22:00 Uhr maximal 10 lx herrschen. Das wäre kein Problem, wenn die Menschen weder arbeiten noch Fernsehen würden. Allein der Computerbildschirm erreicht bis zum 7-fachen des Wertes ohne jegliche Beleuchtung.

Und nachts soll möglichst kein Licht ins Auge gehen. Was das alles bedeuten kann, habe ich z.B. hier dargestellt.

Diesem Regime können Menschen, die am Äquator leben, schon folgen, so sie abends weder arbeiten wollen noch irgend eine soziale Aktivität entfalten. Bereits nördlich des Mittelmeers, also Griechenland bis Spanien, wird es schwer. Denn am Abend um 19:00 Uhr herum finden dort die intensivsten sozialen Aktivitäten im Freien statt (italienisch Piazza). Außerdem kommt der Tag vor 06:00 Uhr morgens und ist um 19:00 abends immer noch da. Es sei denn, es ist Winter. Die Mittel- und Nordeuropäer werden die Sache noch skeptischer Sehen. In Deutschland (Hamburg) geht die Sonne um 04:50 Uhr auf, und der Tag dauert 17,05 Stunden (Sommersonnenwende). So geht die Sonne erst 21:53 Uhr unter. Im äußersten Osten von Deutschland findet das Ganze jeweils etwa 45 Minuten früher statt. Innerhalb von Deutschland unterscheidet sich zum gleichen Datum die Dauer eines lichten Tags in der Nord-Süd-Richtung um bis zu fast eineinhalb Stunden. Die vier Orte des deutschen Zipfelbundes, also der äußersten Gemeinden von der Mitte aus, gehören zwar zu Deutschland, und die Uhren stehen an allen vier Orten immer gleich. Die physiologische Zeit in Oberstdorf im Süden und Görlitz im Nordosten könnte aber nicht unterschiedlicher sein.

Mittlerweile hat die CIE sich das Konzept tiefergehend angeguckt und vorsichtig Abstand genommen. Insbesondere die Bedürfnisse des Menschen, der nachts arbeiten will oder gar muss, scheinen nicht berücksichtigt. Die CIE hat sich zwar nicht ganz klar geäußert dazu, dass man das künstliche Licht ausgerechnet während des Tages erhöhen soll, wenn die Sonne scheint. Umgekehrt soll das Licht möglichst gemieden werden in der Zeit, in der Menschen noch in vorgeschichtlicher Zeit künstliches Licht angewendet haben.

Vorerst scheint HCL eher Vergangenheit geworden zu  sein, ehe es in der Gegenwart angekommen war. Wenn nichts weiter passiert, wird sich das einzige Erbe in Einschlafpillen mit Melatonin erschöpfen. So wie die erste Welle von "Light and Health" vor 100 Jahren, der wir die Vitamin D angereicherte MIlch in den USA verdanken.